Scholz in Äthiopien und Kenia
3. Mai 2023Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag (04.05.) in Äthiopien seine Ostafrikareise antritt, soll es nicht nur ums Händeschütteln gehen. Das steht für Jürgen Coße, der für die Kanzlerpartei SPD im Bundestag sitzt, außer Frage. "Dass man nicht nur aufschreibt, dass man einen nachhaltigen Friedensprozess unterstützen will, sondern auch in dieses Land fährt, ist ein starkes Signal", sagt Coße im DW-Interview. Für ihn bedeutet das: "Ganz klar zu sagen: Wir stehen an der Seite der Menschen, die Frieden und Stabilität da haben wollen, wo sie geboren sind."
Dass Äthiopiens Premierminister und einstige Hoffnungsträger Abiy Ahmed zwei Jahre einen Krieg gegen Aufständische und Soldaten der abtrünnigen Tigray-Region führte und sich dazu auch Unterstützung aus dem Nachbarland Eritrea holte, hatte die Beziehungen mit Deutschland extrem belastet. Nachdem die wichtigsten Konfliktparteien im November ein Friedensabkommen geschlossen haben, stehen die Zeichen nun auf Entspannung.
Äthiopien: Neustart der Beziehungen erhofft
Für die Regierung in Addis Abeba sei das entscheidend, sagt der Menschenrechtsaktivist Befekadu Hailu im DW-Gespräch: "Deutschland war einer der größten Geldgeber und die Beziehungen waren meistens sehr gut." Auch in den Handelsbeziehungen habe sich das niedergeschlagen, wo Deutschland als wichtigster Importeur äthiopischen Kaffees hervortrat. "Die äthiopische Regierung will wieder in den Nutzen dieser Möglichkeiten kommen."
Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler kritisierte am Donnerstag in einer Bundestagsdebatte zu Äthiopien, dass Europäische Union und Vereinte Nationen ihre Waffenembargos für das Nachbarland Eritrea kurz vor Beginn des Tigray-Konflikts aufgehoben hätten.
Für Deutschland steht in dem Land am Horn von Afrika nun auch noch ein anderer Punkt auf der Agenda: Beim Treffen mit Abiy und Staatspräsidentin Sahle-Work Zewde gehe es auch um die regionale und internationale Sicherheit, insbesondere um die Situation im Sudan, wie die Bundesregierung am Freitag mitteilte.
Sudan sprengt die Agenda
Der frisch aufgeflammte Konflikt im Sudan, wo Mitte April ein Machtkampf zwischen Armee- und Putschistenführer Abdel Fattah al-Burhan und dem RSF-Befehlshaber, General Mohammed Hamdan Daglo, auf Kosten der Bevölkerung entbrannt ist, habe viele überrascht, sagt dazu SPD-Mann Coße, der auch Berichterstatter für Ostafrika ist. Aber es gebe auch noch viele Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen: "Das fängt an mit dem Thema: Können wir dafür sorgen, dass keine Waffen mehr in dieses Land geliefert werden?" Weiter gehe es darum, mit Konfliktparteien zu sprechen und immer im Auge zu haben, dass es auch eine Zivilgesellschaft im Sudan gebe, die es zu unterstützen gelte.
Um die Friedenssicherung in der Region wird es auch gehen, wenn Bundeskanzler Scholz mit Moussa Faki Mahamat spricht - dem Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union, die ebenfalls ihren Sitz in Addis Abeba hat. Und auch bei der letzten Station in Kenia wird das eine Rolle spielen - denn Kenia gilt als Stabilitätsanker in der Region und hat sich schon öfter als Vermittler in Konflikten hervorgetan.
Deutschland muss mit Bedacht agieren
Doch das Auftreten der Bundesregierung in internationalen Konflikten wird nicht nur von der Opposition im Bundestag aufmerksam beobachtet. Auch bei afrikanischen Partnern geht es laut Aktivist Befekadu Hailu darum, den richtigen Ton anzuschlagen: "Europäische Länder wie Deutschland müssen immer erst einmal zuhören, was die Afrikaner sagen, und dürfen nicht den Anschein erwecken, als wären sie die Lieferanten von Lösungen." Sie müssten als Vermittler, als Partner auftreten - nicht als Erlöser, die Menschen vor sich selbst bewahren.
Der besorgniserregende Zustand im Sudan lässt indes für den kenianischen politischen Analysten Chacha Nyaigotti-Chacha aber noch einen ganz anderen Schluss zu. Die Konfliktparteien zu Gesprächen zu drängen, könne hier nicht als Einmischung in innere Angelegenheiten gewertet werden, sagt Chacha der DW: "Es sind keine inneren Angelegenheiten, wenn Menschen getötet werden." Unter den Toten seien schließlich auch Bürger anderer Länder. "Und auch die Sudanesen haben ein Recht darauf, geschützt zu werden - zunächst von ihrem Land und dann auch von den Nachbarländern am Horn von Afrika - zusammen mit unseren Freunden wie Deutschland."
Kenia: Energiepartnerschaft mit stabilem Fundament
Darüber hinaus dürfte Olaf Scholz in Kenia ein angenehmer Abschluss seiner Afrikareise sicher sein. Denn hier hat Kenias neuer Präsident William Ruto vorgelegt: Erst einen Monat ist es her, dass Ruto seinen Antrittsbesuch in Berlin machte. Ein Besuch, der insgesamt in einer guten Tradition steht - trotz zwischenzeitlicher Verwerfungen, als der Internationale Strafgerichtshof wegen Gewalt um die Wahlen 2008 auch Ermittlungen gegen Ruto und Uhuru Kenyatta - seinen Amtsvorgänger - einleitete. Die Ermittlungen gegen den damaligen Vizepräsidenten Ruto wurden 2016 wegen unzureichender Beweise eingestellt.
Doch davon ist jetzt keine Rede mehr. Im März betonten beide Seiten die sechzigjährigen Beziehungen beider Länder: Deutschland war das erste Land, das 1963 eine Botschaft im unabhängigen Kenia einrichtete. Als Kitt könnte auch gedient haben, dass William Ruto auf Distanz zum Wirtschaftspartner China geht und sich zudem ausdrücklich gegen Russlands Krieg in der Ukraine gestellt hat. Kenia hat dies - als eines von wenigen afrikanischen Ländern - auch im UN-Sicherheitsrat betont. Kanzler Scholz kommt jetzt - mit einer großen Wirtschaftsdelegation - auf ausdrückliche Einladung Rutos, auch um eine neue Energiepartnerschaft zu bekräftigen. Die Besichtigung einer von Deutschland geförderten Geothermieanlage im dafür besonders geeigneten Rift Valley soll dies sichtbar machen.