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Schwere Einbußen für Putin-Partei

5. Dezember 2011

Bei der Parlamentwahl in Russland hat die Partei von Ministerpräsident Putin massive Verluste erlitten. "Geeintes Russland" schaffte gerade noch die absolute Mehrheit der Sitze. Die OSZE bemängelt Unregelmäßigkeiten.

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Auszählung der Stimmen in der russischen Stadt Wladiwostok (Foto: dpa)
Auszählung der Stimmen in der russischen Stadt WladiwostokBild: picture alliance/dpa

Die Wahlkommission teilte am Montag (05.12.2011) in Moskau nach Auszählung von 95 Prozent der abgegebenen Stimmen mit, die Kremlpartei komme auf 49,5 Prozent und erhalte 238 der 450 Sitze in der Duma, dem Unterhaus des Parlaments. Vor vier Jahren hatte die Regierungspartei noch 64,3 Prozent der Stimmen gewonnen.

Stimmungstest für Putin

Die Abstimmung vom Sonntag galt als Popularitätstest für Putin, der 2012 nach vier Jahren Karenzzeit wieder Staatspräsident werden will. Der derzeitige Staatschef Dmitri Medwedew soll in einem Ämtertausch Regierungschef werden. Er trat bei der Wahl am Sonntag als Spitzenkandidat von "Geeintes Russland" an.

Medwedew (li) und Putin in der Zentrale von "Geeintes Russland" (Foto: AP)
Medwedew (li) und Putin in der Zentrale von "Geeintes Russland"Bild: dapd

Von den Verlusten der Kremlpartei konnten vor allem die Kommunisten profitieren. Sie verbesserten sich von 11,6 auf rund 19 Prozent und 92 Duma-Mandate. Die Links-konservative Partei "Gerechtes Russland" kommt auf 64 Sitze, die Ultranationalisten der Liberal-demokratischen Partei gewannen 56 Mandate. Die kreml-kritische liberale Jabloko-Partei scheiterte an der Sieben-Prozent-Hürde.

Berichte über Wahlmanipulationen

Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe Golos und Vertreter der Opposition berichteten von zahlreiche Manipulationen und Unregelmäßigkeiten. So heuerten nach Angaben von Jabloko beispielsweise im Moskauer Vorort Klimowsk Aktivisten von "Geeintes Russland" Studenten für 1500 Rubel (rund 35 Euro) zur Teilnahme an sogenannten Wahlkarussells an. Jeder Student sollte 30 Mal abstimmen - in verschiedenen Wahllokalen. Jabloko erklärte, wegen solcher Fälschungen werde sie das Wahlergebnis nicht anerkennen.

Wähler in Moskau verlässt Wahlkabine (Foto: dpa)
Manipulationsvorwürfe überschatten die WahlBild: picture-alliance/dpa

Kommunisten-Chef Gennadi Sjuganow, berichtete, Beobachter seiner Partei hätten in Moskau eine mit 300 Stimmzetteln gefüllte Wahlurne entdeckt, bevor die Wahllokale überhaupt geöffnet hätten. Ähnliche Zwischenfälle mit präparierten Wahlurnen hätten KP-Beobachter aus Rostow am Don und anderen Städten gemeldet. Aus vielen Regionen berichteten Bürger nach Angaben von Golos von Druck der Beamten in Behörden und im Hochschuldienst. Sie drohten demnach offen mit Kündigungen und sozialen Nachteilen, wenn Wähler nicht für "Geeintes Russland" stimmten.

Internetseiten blockiert

Weiter teilte Golos mit, ihre Internetseiten sowie die des Radiosenders Echo Moskwi und des Online-Nachrichtenportals Slon.ru seien am Sonntag nach Hackerangriffen nicht erreichbar gewesen. Slon.ru-Geschäftsführer Maxim Kaschulinski sagte: "Wir haben das Gefühl, dass die Wahlkommission, die Staatsanwaltschaft und die Hacker zusammenarbeiten". Auch am Montag waren nach Berichten von Korrespondenten einige unabhängige russische Internetseiten blockiert.

Die OSZE-Beobachter erklärten, bei der Stimmenauszählung seien wiederholt die Vorschriften verletzt worden. Zudem habe es Fälle von Manipulationen gegeben, darunter auch von Wahlurnen. Bereits der Wahlkampf sei durch begrenzten politischen Wettbewerb und einen Mangel an Fairness geprägt gewesen, monierten die Experten der OSZE. Die Bundesregierung äußerte sich angesichts dieser Berichte "sehr besorgt". Alle Vorwürfe müssten "befriedigend aufgeklärt" werden, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter.

Polizisten und Demonstranten auf dem Triumfalnaja Platz in Moskau (Foto: Artem Khan)
Polizisten und Demonstranten auf dem Triumfalnaja Platz in MoskauBild: DW

In Moskau und St. Petersburg kam es am Sonntagabend zu nicht genehmigten Protestdemonstrationen gegen den Wahlausgang. Nach Agenturmeldungen nahm die Polizei in beiden Städten insgesamt rund 170 Demonstranten fest.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Rupert Polenz (CDU) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montagsausgabe), es habe "massive Behinderungen der Opposition" bei der Wahl in Russland gegeben. "Dass die Partei des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin trotzdem offenbar starke Stimmenverluste erlitten hat, zeigt, wie sehr die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über Putin gewachsen ist".

Autor: Michael Wehling (dpa,rtr,afpd,dpad)
Redaktion. Annamaria Sigrist