Schwierige Verhandlungen beim Klimagipfel
9. Dezember 2019"Press only, Press only": Nur für Medienvertreter, ruft der Sicherheitsmann auf der UN-Klimakonferenz in Madrid an diesem Montagmorgen in die riesige Menge, die sich vor dem Saal "Nocha" versammelt hat. Die zweite Woche der Klimakonferenz in Spaniens Metropole beginnt mit Schlangestehen. Journalisten sind gekommen, Staatsvertreter, Umweltschützer. Alle wollen zumindest einen Blick auf die junge Frau werfen, die hier gleich auf dem Podium sitzen wird: auf Greta Thunberg. Sie ist seit erst einem Jahr - aber seitdem sehr gewaltig - die Ikone der weltweiten Jugendbewegung "FridaysforFuture". Die 16 Jahre junge Schwedin hat mit ihrem Schulstreik für den Klimaschutz schon ziemlich viel ins Rollen gebracht.
Greta schweigt und fast nicht zu sehen
Jetzt sitzt sie da inmitten von sieben weiteren jungen Klima-Aktivisten aus der ganzen Welt auf dem Podium, und schweigt. Die anderen reden. Arshak Makichyan aus Moskau ist da, der sich seit März an Thunberg ein Beispiel genommen hat und jeden Freitag auf dem Puschkin-Platz in Moskau für das Klima demonstriert. Jetzt sagt er: "Noch vor kurzem wusste ich nichts über den Klimawandel, jetzt widme ich ihm meine ganze Zeit." Thunberg sitzt dabei und sagt erstmal nichts, keine Regung ist ihr anzumerken. Später wird sie beim Gruppenbild in der zweiten Reihe fast nicht zu sehen sein. Aber erst einmal spricht Nakabuye Hilda Flavia, die aus Uganda gekommen ist. "Unsere Herzen brennen in Flammen. Unsere Träume haben sich in Alpträume verwandelt. Die Industriestaaten sollten sich schämen!", ruft die Anfang 20-Jährige in den Saal.
Doch natürlich sind auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg und ihre deutsche Mitstreiterin Luisa Neubauer in Madrid zu hören. Sie wollten den Menschen im globalen Süden ihre "Stimme leihen", weil diese am meisten unter der Erderwärmung litten. "Wir haben bemerkt, dass wir einige Medienaufmerksamkeit bekommen", sagte Thunberg, Nicht ihre Geschichte müsse erzählt und gehört werden, sondern vor allem die der Menschen im globalen Süden. "Denn der Klimanotfall ist nicht nur etwas, das uns in der Zukunft betrifft", sagt sie. "Er betrifft schon heute zahllose Menschen."
Erhöhen die Staaten ihre Klimaziele?
Die Vertreter der Industriestaaten, also die reichen Länder, wirken etwas überrollt von dieser Welle des Protests. Es gilt, das Abkommen von Paris von 2015 mit Leben zu füllen. Viele Details sind aber noch unklar, und nächstes Jahr soll der Vertrag in Kraft treten. Zwei Dinge haben sie sich vorgenommen auf dieser Konferenz, die zunächst in Chile stattfinden sollte, dann aber wegen der Unruhen dort nach Madrid verlegt wurde. Sie wollen, wenn möglich, die 2015 in Paris für jedes Land beschlossenen Klimaziele verschärfen, aber noch zeichnet sich nicht ab, wie das gehen soll. China, so sagen einige auf der Konferenz, könnte sein Ziel erhöhen und so einen wichtigen Impuls setzen, aber noch ist nichts offizielles dazu zu hören. China ist weltweit der größte Verursacher von Klimagasen.
Kompliziert: Die Marktmechanismen
Zweitens beschäftigen sich die Verhandler aus rund 190 UN-Staaten mit den hochkomplexen so genannten Marktmechanismen. Wenn etwa ein reiches Land es nicht schafft, seine Klimaziele zu erreichen, kann es dann Gutschriften bekommen, wenn es etwa einen Solarpark in Indien baut? Solche Geschäfte gibt es im internationalen Klimaschutz schon lange, aber jetzt sollen sie transparent und nachvollziehbar gestaltet werden. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im deutschen Umweltministerium und einer der wichtigsten Verhandler hier in Madrid, glaubt fest, daran, dass solche Deals dem Klimaschutz helfen können. Die jungen Klimaaktivisten werten dies allerdings als modernen Ablasshandel. Aber auch Umweltgruppen wie der "Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland" (BUND) sehen die neuen Marktmechanismen skeptisch. "Das ist etwas, was wir sehr kritisch sehen. Unsere Botschaft ist nach wie vor, das finden wir ganz wichtig, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass die Minderung der Emissionen zuhause passieren muss", sagt BUND-Klima-Expertin Ann-Kathrin Schneider der DW.
Diplomatie versus Jugendprotest
Flasbarth ist eigentlich kaum aus der Ruhe zu bringen. Jetzt verliert er angesichts solch massiver Kritik fast die Fassung: "Es geht einfach nicht alles sofort. Oder wir müssen eine ganz andere Herangehensweise wählen, und das führt dann in eine Frustrations-Schleife." Denn allem Jugendprotest zu Trotz: Es gibt international genug Blockaden für eine rasche Wende beim Schutz des Klimas. Brasilien möchte vor allem Geld, und der rechts-populistische Präsident Bolsonaro verbittet sich Kritik an der Abholzung des Amazonas. Die USA machen nicht mehr mit beim Pariser Klimavertrag. Und wenn die EU, wie angedacht, ihr Ziel, bis 2030 40 Prozent an Klimagasen einzusparen, noch erhöhen will, muss sie erst den Widerstand von Polen, Ungarn und Tschechien brechen. Flasbarth kann die Osteuropäer verstehen, schließlich sei ihre Wirtschaft traditionell Kohle-lastig. "Es wäre falsch, mit dem Finger auf sie zu zeigen." Denn auch Deutschland hat große Probleme, seine Klimaziele zu erreichen.
Kommt der große Zusammenstoß?
So trifft überall auf dieser Konferenz die alte, diplomatische, auf Ausgleich bedachte Klimapolitik auf das "Jetzt oder Nie" der Jugend. Vorangehen und die Ziele verschärfen - das will erst einmal kein Staat. "Wir sehen nicht mehr Klimaschutz, wir sind sehr enttäuscht nach der ersten Woche. Es hat kein richtig großes Land mit vielen Emissionen gesagt: 'Ja, wir machen mehr Klimaschutz, wir erhöhen unsere Ziele' ", sagt Ann-Kathrin Schneider. Sollte die Konferenz in Madrid keine größeren Ziele formulieren, könnte es zum Knall zwischen Bewegung und Establishment kommen. Noch haben die Teilnehmer der Klimakonferenz bis Freitag Zeit.