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Filme über die Entwicklung des NSU

Susanne Luerweg (Interview)30. März 2016

Das deutsche Fernsehen strahlt drei Spielfilme aus, die sich mit dem NSU-Komplex und dem rechtsextremen Terror befassen. Regisseur Christian Schwochow hat den ersten Teil gedreht, der die Täter in den Mittelpunkt rückt.

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Deutschland ARD-Themenreihe Die Täter Heute ist nicht alle Tage
Bild: picture alliance/dpa/S. Rabold

Die ARD bringt die Geschichte von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die sich in der rechtsextremen terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zusammengeschlossen hatten und denen mehrere Morde, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle zur Last gelegt werden, ins deutsche Fernsehen. Gezeigt werden drei Spielfilme und eine Dokumentation. Regisseur Christian Schwochow erzählt in "Die Täter - Heute ist nicht alle Tage" (30. März, 20.15 Uhr) davon, wie die drei mutmaßlichen NSU-Mitglieder in Thüringen aufwachsen und sich kennenlernen. Im Mittelpunkt steht Beate Zschäpe, die als einzige noch Lebende des Trios in München vor Gericht steht. Die drei sollen neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin ermordet haben.

Deutsche Welle: Sie zeigen die Mitglieder des NSU-Trios zunächst als Menschen, nicht als Monster. Beate Zschäpe beispielsweise verkehrt zu Beginn des Films sogar in der linken Szene von Jena. Haben Sie das Gefühl, dass es ein Stückweit Zufall war, wohin das Pendel der politischen Gesinnung ausschlug?

Christian Schwochow: Das war ein Stückweit Zufall. Aber ich will nicht sagen, wenn man in dem und dem Stadtteil gewohnt hat, wie Jena Winzerla, wo Beate Zschäpe gewohnt hat, dann war es ein Automatismus, dass man Neonazi wurde, nur weil die meisten dort Neonazis waren. Es gibt in dem Film auch eine beste Freundin von Beate Zschäpe, das ist eine fiktive Figur namens Sandra, die auch dort groß wird, sich aber ganz anders entscheidet. Aber natürlich hat es sehr viel damit zu tun, welche Freunde habe ich, und wer bietet mir irgendwie Halt und schafft vielleicht auch eine Art Ersatzfamilie und da waren die Rechten in einigen Gegenden sehr, sehr stark und haben schnell eigene Strukturen aufgebaut und das hatte auch eine große Verführungskraft und ich glaube, das erzählt der Film, dass dort etwas Großes, etwas Körperliches, etwas Rauschhaftes entstanden ist in dieser rechten Szene.

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Regisseur Christian SchwochowBild: DW

Dieser Sog, der sich da entwickelt hat, entsteht ja auch sehr stark durch die Musik, die ja auch eine große Rolle spielt in Ihrem Film.

Musik ist ein ganz großer Träger von Emotionen, wir haben das selber gemerkt. Wir haben diese Lieder, diese Liedtexte ja selber hergestellt, denn wir wollten diesen rechten Bands nicht noch nachträglich Einnahmen durch die Gema beschaffen, sondern wir haben eigene Texte und eigene Musiken geschrieben. Diese einfachen Parolen, wo Leute ihren Frust rausbrüllen. Das ist ähnlich wie auf einer Demo, wo man so ein ganz klares Feindbild niederschreit, oder ähnlich wie im Fußballstadion, wo eine große Gruppe zu einem großen Körper wird.

Sie haben schon erwähnt, dass die Freundin von Zschäpe im Film fiktiv ist. Aber wie verhält es sich sonst, wo sind die harten Fakten in Ihrem Film und was haben Sie dazu erfunden?

Für mich war es erst einmal ganz wichtig, und auch für meinen Drehbuchautor Thomas Wendrich, den ich über dieses Buch gefunden habe, dass wir jetzt kein Biopic machen, wo man sich an recherchierten Fakten abarbeitet und Lücken lässt, wo man keine Fakten hat. Sondern uns ging es wirklich darum herauszufinden, was ist das für ein Land gewesen damals, in dem diese drei, und vor allem Beate Zschäpe im Zentrum, jung waren, und was sind die Mechanismen von Radikalisierung. Insofern, es gibt eine ganze Menge Eckpfeiler, die wir aus den Akten und aus Gesprächen mit Leuten ermittelt haben, die die drei sehr gut kannten. Und andere Lücken haben wir gefüllt, um auch eine Art exemplarischen Lebenslauf für viele andere zu beschreiben.

Deutschland ARD-Themenreihe Die Täter Heute ist nicht alle Tage
Szene aus dem ersten Teil der ARD-Themenreihe "Mitten in Deutschland: NSU"Bild: picture alliance/dpa/S. Rabold

Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe entwickeln sich im Laufe des Films zu einem Trio Infernale, werden im Laufe der Handlung immer brutaler und der Zuschauer sitzt mit einem ziemlichen Knoten im Bauch da.

Das ist ganz wichtig, aber ich glaube, um das Böse zu begreifen, muss man an die Anfänge gehen und es aushalten zu sehen, dass das meine Schwester, mein Bruder, mein Nachbar, meine Mitschülerin, meine Verwandte sein kann. Denn die Leute kommen ja nicht bösartig zur Welt und als Kriminelle geboren, sondern da entstehen bestimmte Dynamiken, die was begünstigen. Natürlich ist da auch schon immer eine kriminelle Energie irgendwie auch schon da, aber ich wollte, dass der Zuschauer sich nicht irgendwie bequem zurücklegt und wie bei einem Horrorfilm sieht, okay, da sind die Bestien, vor denen grusele ich mich ein bisschen, aber das hat letztendlich alles nichts mit mir zu tun. Und ich finde die Geschichte von NSU und die Geschichte von rechter Gewalt und von Extremismus und Hass, das hat sehr, sehr viel mit unserem Land zu tun und ich will den Leuten das auch in gewisser Weise begreifbar machen, sie das spüren lassen.

Das Fremde, der Rassismus, den man im Film sieht, hat der Ihrer Meinung nach mit der Wende angefangen oder war der nicht schon immer da und wurde dann im Grunde genommen "freigelassen"?

Das ist richtig, in der DDR gab es auch Rassismus, das ist ganz klar. Der hat sich sicher nicht so geäußert wie nach der Wende, aber es ist nicht so, dass der erst mit der Wende erfunden wurde, oder über das Land hereinbrach. Was aber passierte, ist, dass Neonazis aus dem Westen mit Geld und Strukturen in den Osten kamen und Bewegungen mitbegründet haben. Der Thüringer Heimatschutz, der in unserem Film eine Rolle spielt, die wurden auch zum Teil aufgebaut mit Geld aus der Neonaziszene im Westen, weil die merkten, da ist unheimlich viel Potential und man merkt das ja heute, wie solche Wellen ganz, ganz schnell groß werden können.

Deutschland NSU Prozess Beate Zschäpe und Mathias Grasel
Beate Zschäpe und ihr Anwalt Mathias GraselBild: Reuters/M. Dalder

Was ist das Ziel oder vielleicht auch die Hoffnung, die Sie mit der gesamten Trilogie verbinden?

Wir wollen natürlich stänkern, wir wollen dem Land einen Spiegel vorhalten, wir wollen ein Gesellschaftspanorama aufzeigen und ich würde mir wünschen, wenn wir mit den Filmen in Schulen gehen, auf Veranstaltungen gehen, wenn man über die Filme diskutiert und wenn man sich die Frage stellt: Was haben diese drei Buchstaben NSU, was haben die mit uns allen zu tun? Und ich glaube, dass die Filme dazu ein starker Beitrag sein können. Es sind ja auch spannende Filme, sie sind ja auch emotional, und man muss den Leuten sagen, das ist jetzt nicht Politikfernsehen, was ihr guckt, sondern es ist keine Unterhaltung, aber dennoch etwas sehr Mitreißendes.

Teil zwei und drei des ARD-Projekts "Mitten in Deutschland - NSU" werden am 4. und 6. April ausgestrahlt.

Das Gespräch führte Susanne Luerweg.