Selbstbestimmung: Das Transsexuellengesetz ist passé
12. April 2024Wer in Deutschland bislang den Geschlechtseintrag im Pass und in anderen Urkunden ändern will, muss hohe Hürden nehmen: Zwei psychologische Gutachten mit intimsten Fragen sind erforderlich. Am Ende entscheidet das Amtsgericht. Betroffene kritisieren das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend.
Künftig können Transmänner und Transfrauen sowie intergeschlechtliche Menschen, die also von Geburt an sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale haben, ihren Geschlechtseintrag einfacher ändern lassen. Dasselbe gilt für Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.
Möglich macht es das neue Selbstbestimmungsgesetz, das der Deutsche Bundestag an diesem Freitag mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP beschlossen hat. Unterstützung für das Gesetz der Koalition kam aus der Gruppe Die Linke. CDU/CSU, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lehnten eine Zustimmung klar ab.
Die Regelung ersetzt das seit 1980 existierende Transsexuellengesetz (TSG). Ob männlich, weiblich, divers: In Zukunft soll jeder selbst entscheiden können, welches Geschlecht und welcher Vorname im Pass stehen. Statt Doppelgutachten und Gerichtsentscheid wird nur noch eine einfache Erklärung bei einem Standesamt notwendig sein. Betroffene sollen außerdem vor einem ungewollten Outing geschützt werden.
Die Änderungen am Standesamt werden auch Jugendlichen ohne Umwege ermöglicht. Eine Beratungspflicht für Minderjährige sieht das neue Gesetz ausdrücklich nicht vor. Ab dem 14. Geburtstag sollen sie die Erklärung selbst abgeben können, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Konfliktfall soll das Familiengericht entscheiden. Bei Kindern können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen.
Kritik von der Opposition
Das Gesetz habe Sicherheitslücken und könne durch Kriminelle missbraucht werden, kritisiert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, da keine Übermittlungsvorschriften von Geschlechts- und Namensänderungen an die Sicherheitsbehörden vorgesehen sind. Auch der Kinder- und Jugendschutz wird nach Ansicht der Union durch das Selbstbestimmungsgesetz nicht mehr gewährleistet.
Der Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Sven Lehmann (Grüne), betonte, für Betroffene bedeute das Gesetz massive Erleichterungen. Die vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags werde "das Leben von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen spürbar erleichtern und verbessern", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik, die selbst zur Gruppe der Transpersonen gehört und ihren Geschlechtseintrag auf Basis der bisherigen Regeln ändern ließ, bedankte sich bei allen, die das neue Gesetz möglich gemacht haben. "Als Transpersonen erleben wir immer wieder, dass unsere Würde zur Verhandlungssache gemacht wird", sagte sie im Plenum des Bundestags. Damit sei nun Schluss.
Regelung für Bezahlkarte beschlossen
Auch ein anderes selbst in der Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen umstrittenes Vorhaben wurde vom Bundestag beschlossen: die deutschlandweiten Regelungen für eine Bezahlkarte für Asylbewerber und Flüchtlinge. Darauf hatten vor allem die Bundesländer gedrängt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will mit der Karte die Schleuserkriminalität zurückdrängen, zugleich erhofft sie sich eine Entlastung der Verwaltung.
Im Bundestag stimmten die überwiegende Zahl der Mitglieder der Ampel-Fraktionen, das linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die rechtspopulistische AfD für das Gesetz, wie Parlamentspräsidentin Bärbel Bas bekannt gab. Dagegen stimmten demnach die konservative CDU/CSU-Fraktion und die Gruppe der Linken.
Das Gesetz ist jedoch zustimmungspflichtig. Das heißt, die Bundesländer müssen in der zweiten Parlamentskammer, dem Bundesrat, noch darüber abstimmten, bevor es in Kraft treten kann.
Mit der Bezahlkarte können Asylbewerber Waren und Dienstleistungen des täglichen Lebens wie Lebensmittel bezahlen. Die Möglichkeit, Bargeld abzuheben, wird aber eingeschränkt; Überweisungen ins Ausland sollen ebenfalls nicht möglich sein.
AR/hf (kna, dpa, afp, epd)