Sicherheit geht vor beim Hitze-Cup
23. Juni 2019Marcel Tisserand schlurfte mit schweren Schritten in Richtung Mannschaftsbus. Fast eine Stunde hatte der Nationalspieler der Demokratischen Republik Kongo nach der Afrika-Cup-Partie gegen Uganda mit seinen Kollegen in der Kabine gesessen. 40 Grad Lufttemperatur waren im Stadion gemessen worden. "Wir waren total fertig, haben viel getrunken, Wasser mit Mineralien, vielen Vitaminen. Es ist schon hart, hier zu spielen", meinte der Verteidiger des VfL Wolfsburg.
Der Sohn einer kongolesischen Vaters und einer französischen Mutter spielt seit 2016 in der Bundesliga. Zunächst für den FC Ingolstadt, seit 2017 für den VfL Wolfsburg. Während er in Wolfsburg zuletzt meist nur Ersatzspieler war, ist der 26-Jährige beim Kongo wie schon vor zwei Jahren beim letzten Cup in Gabun eine feste Größe in der Innenverteidigung.
Europa-Legionäre sind die Hitze nicht gewöhnt
0:2 hatte Tisserand am Samstag im International Stadium von Kairo mit seinen Team gegen den Außenseiter aus Ostafrika verloren. Die erste Turnier-Überraschung. Während die Kongolesen im Glutofen von Kairo fast ausnahmslos mit Europa-Legionären antraten, kommen Ugandas Spieler zum Großteil noch aus der heimischen Liga. "Wir haben extrem schlecht gespielt. Aber uns hat diese ungewohnte Hitze wahrscheinlich mehr ausgemacht als dem Gegner", meinte Tisserand.
Beim Afrika-Cup in Ägypten ist die Hitze ein großes Thema. Nigeria musste bei seinem ersten Gruppenspiel am Samstag gegen Burundi (1:0) auf Angreifer Samuel Kalu verzichten, der tags zuvor beim Training im Training kollabiert war - wegen Dehydrierung. Während die Organisatoren die enorme Hitze durch zwei Trinkpausen von jeweils drei Minuten während der Partien für die Spieler erträglich machen wollen, fordert die Fußballergewerkschaft Fifpro: "Die Gesundheit der Spieler wird gefährdet. Es müssen mindestens vier Pausen während der Spiele eingerichtet werden."
Mehrfacher Heimvorteil Ägypten
Besonders heikel sind die Spiele, die schon um 16.30 Uhr nachmittags angesetzt sind. "Das ist natürlich fragwürdig. Aber damit haben hier ja alle Teams gleichermaßen ihre Probleme", sagt Tisserand. Wobei er nicht ganz richtig liegt, denn Gastgeber Ägypten spielt nie früher als um 21 Uhr - Heimvorteil.
Ein anderes Thema in Kairo ist das enorme Sicherheitspaket, das von den Veranstaltern geschnürt wurde. Offiziell sollen etwa 100.000 Sicherheitskräfte Spieler, Funktionäre und Zuschauer vor möglichen Terrorangriffen schützen. Gefühlt sind es weitaus mehr. Fan-Ausschreitungen in Fußballstadien sorgten 2012 und 2015 für insgesamt rund 100 Todesopfer. Vor wenigen Wochen wurde in der Nähe der Pyramiden von Gizeh ein Sprengstoffanschlag verübt. Die Angst vor einem Gewaltakt während des Turniers ist allgegenwärtig.
Kein Schritt ist möglich ohne die Beobachtung von bewaffneten Soldaten, orange gekleideten Sicherheitsleuten, weißen Polizisten oder Anzugträgern aus der Staatssicherheit. Beim Eröffnungsspiel zwischen Ägypten und Simbabwe wurde dreieinhalb Stunden vor Spielbeginn der Stadionbereich weiträumig abgesperrt - kein Durchkommen mehr. Tickets waren nur im Vorfeld und online zu erwerben. Im Stadion selbst ist die Bewachung lückenlos. Stolz vermeldeten die Organisatoren eine Komplett-Überwachung durch Kameras: "Jeder Besucher wird gescannt und kann auf Schritt und Tritt verfolgt werden."
Leere Stadien - außer...
So viele müssen dabei gar nicht beobachtet werden. Mit Ausnahme des ausverkauften Eröffnungsspiels ist das Zuschauerinteresse enttäuschend. Rund 1.000 Fans wurden jeweils bei den drei Partien am Samstag gezählt. Das günstigste Ticket kostet zehn Euro, das kann sich kaum jemand leisten. So verkommt der Cup zunehmend zu einer TV-Veranstaltung. Wobei die Privatzuschauer in Ägypten in die Röhre schauen, denn die Spiele sind nur im Pay-TV zu sehen. So gerät das Turnier in der Hauptstadt Kairo zu einem riesigen Public-Viewing-Event. Zumindest, wenn Ägypten spielt.
Die Stimmung ist dabei ausgelassen und bislang ausschließlich positiv. Die heimischen Fans erwarten allerdings von ihrem Team nichts anderes als den Titelgewinn. Zentrum ihrer Hoffnungen ist dabei Mo Salah. Der Angreifer vom FC Liverpool hat sich zur Ikone des ägyptischen Fußballs emporgeschwungen. Er wird von den fußballverrückten Ägyptern als Heilsbringer verehrt und ist in Kairo allgegenwärtig. Sein Konterfei ziert unzählige Plakatwände, in den Supermärkten prangt sein Gesicht von jedem zweiten Produkt - Sportbekleidung, Waschmittel, Kekse, Cola, Milch, Handyvertrag - mit Salah verkauft sich alles besser.