Sind die Republikaner noch zu retten?
24. Oktober 2015Am Abend des 28. Juli zeigten die Republikaner im US-Repräsentantenhaus deutliche Zerfallserscheinungen. An jenem Dienstagabend reichte Mark Meadows, ein noch weitgehend unbekannter Abgeordneter aus North Carolina, einen historischen Antrag ein, um den republikanischen Sprecher des Hauses, John Boehner, seines Amtes zu entheben. Ein ähnlicher Versuch war zuletzt vor mehr als 100 Jahren unternommen worden - und gescheitert. So wie zunächst auch der von Mark Meadow, der sich damit offenbar an Boehner rächen wollte, weil der ihn für eine Entscheidung bestraft hatte.
Zwei Monate später aber verkündete ein völlig erschöpfter John Boehner, dass er von seinem Posten Ende Oktober zurück treten werde. Boehner war letztlich an einem zermürbenden Kampf mit der ultra-konservativen Abgeordnetengruppe Freedom Caucus gescheitert.
Revolution der Hinterbänkler
Die rechte Gruppierung besteht aus etwa 40 Hinterbänklern, die sich jeglichem Kompromiss mit US-Präsident Barack Obama und den Demokraten verweigern. Nicht nur, dass sie - als Verbündete der ebenfalls konservativen Tea-Party-Bewegung - Obama verachten, sie hassen auch das jetzige Establishment der Republikaner. So werfen sie ihnen vor, konservative Werte zu verraten, indem sie sich auf Kompromisse mit Obama einlassen. Um ihre Ziele durchzusetzen und die Obama- Administration zu blockieren, sind sie zu allem bereit. All das hat zu der kuriosen Situation geführt, dass 40 entschlossene Ultrakonservative die übrigen etwa 200 Republikaner im Repräsentantenhaus vor die Wahl stellen, entweder in ihrem Sinne zu stimmen oder bei Abstimmungen keine Mehrheit mehr zu haben.
"Wir erleben hier wahrhaftige Extremisten", sagt die Harvard-Professorin Theda Skocpol, die ein Buch über die Tea-Party-Bewegung in der republikanischen Partei publiziert hat. Die Mitglieder des Freedom Caucus hätten republikanische Kongressabgeordnete verfolgt, die ihnen erklärten, dass man Obamas Gesundheitsreform oder andere Vorhaben nicht einfach stoppen könne, so Skocpol.
Eine Führung unter Beschuss
Und nicht nur die Republikaner im Repräsentantenhaus sind in Aufruhr. Auch im Senat ist die republikanische Führung durch Unruhestifter aus der Tea Party unter Beschuss geraten. Der texanische Präsidentschaftskandidat Ted Cruz hat seinen Parteiführer im Senat, Mitch McConnell, mehrfach als Lügner bezeichnet.
Hinzu kommt der Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, in dem sich nicht nur Mainstream-Konservative sondern auch der Wirtschaftsmilliardär Donald Trump und der Neurochirurg Ben Carson tummeln. Beide hatten noch nie ein Amt inne und sind nur schwach mit der Partei verbunden. Carson schloss sich ihr erst vor knapp einem Jahr wieder an.
Trump und Carson sind Lieblinge der glühenden Tea-Party-Populisten - und bringen den Favoriten der Parteiführung, Jeb Bush, in Bedrängnis. Bush begrub sogar einen seiner zentralen Wahlkampfpunkte, die Immigrationsreform, und stimmte stattdessen in Trumps schrille Rhetorik ein. Geholfen hat ihm das nicht. In den Umfragen liegt Bush weit hinter Trump und Carson.
Zerfallserscheinungen
"So etwas hat es noch nie gegeben", sagt John Kenneth White über den Kampf innerhalb der Republikaner. Der Politikwissenschaftler hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht, in dem er fragt, was mit der "großen, alten Partei" eigentlich passiert ist. "Das Auseinanderfallen der Republikaner in ihrer Präsidentschaftspolitik und im Kongress ist ganz offensichtlich", sagt White.
Inzwischen versuchen nicht mehr nur die Ultrakonservativen die Kontrolle bei den Republikanern zu übernehmen. "Es gibt da draußen noch eine weitere Macht", sagt die Politologin Theda Skocpol - und meint damit die Milliardärs-Brüder Charles und David Koch und ihr riesiges politisches Netzwerk. Die Kochs gingen wesentlich subtiler vor und seien dabei doch mindestens genau so erfolgreich. Angesichts ihres Vermögens könnten sie ihren Einfluss immer stärker ausweiten. "Sie interessieren sich nicht unbedingt dafür, Leute zu verdrängen oder die Tea-Party-Wähler zu bedienen", sagt Skocpol. "Sie interessieren sich für eine Langzeit-Strategie, mit der sie die Rolle der Regierung in der amerikanischen Gesellschaft verringern wollen. Paul Ryan ist dafür ihr Mann."
Ryan leitet momentan die einflussreiche Finanzkommission des Repräsentantenhauses. Bisher hat er sich dagegen gewehrt, das Ruder bei den Republikanern zu übernehmen. Nun aber ist er dazu gezwungen worden, gilt als letzte Hoffnung der Partei und wurde diese Woche zum neuen Sprecher der Republikaner im Parlament gewählt.
Kein einfacher Ausweg
Ryan habe gute Gründe für sein Zögern gehabt, erklärt Theda Skocpol. So würde er schnell feststellen, dass man die Partei nicht leiten könne. So sei es seinen Vorgängern auch bereits ergangen ist. Nur weil Ryan nun Sprecher sei, würde es die Verweigerer in der Partei auch nicht dazu bringen, sich auf Kompromisslösungen mit Obama einzulassen, meint Skocpol.
Auf die Frage, wie die Republikaner wieder aus diesem politischen Schlamassel heraus kommen könnten, wissen beide Experten keine Antwort. "Jeder hat jetzt sein Fett abgerkiegt hat", sagt John Kenneth White, Professor für Politikwissenschaften. "Es herrscht Chaos", sagt Skocpol. "Aber es ist ein Chaos, das den US-Kongress und die meisten Staaten der USA beherrscht."