Spanische Unternehmen in der Kreditklemme
26. Juni 2014Unternehmer Eladio Muñoz betreibt zwei Druckereien im Süden Madrids. Die Krise hat ihn hart getroffen. Zwei von vier Standorten musste er schließen, die Hälfte der Belegschaft entlassen. Heute beschäftigt er noch rund 100 Mitarbeiter. In den Krisenjahren hat er sein Unternehmen unstrukturiert, sein Exportgeschäft ausgebaut. Seine Auftraggeber kommen aus Portugal, Frankreich und Großbritannien.
Für 2014 erwartet er einen Umsatz von rund 8,5 Millionen Euro, die Geschäfte laufen inzwischen wieder gut. Doch Aufträge muss er in der Regel vorfinanzieren, dafür braucht er Geld, das er von den Banken nicht bekommt. "Das größte Problem ist es, an Kredite zu kommen. Die Firmen, die die Krise überlebt haben, haben große Probleme mit dem Cash-Flow, um das tägliche Geschäft zu finanzieren", sagt Eladio Muñoz. Seine Kunden sind zum Teil große Firmen und multinationale Konzerne. Normalerweise ordern sie kurzfristig und bezahlen erst Monate später. Für Investitionen hat der Unternehmer gar kein Geld mehr. "In den letzten fünf Jahren konnten wir überhaupt nicht mehr in neue Projekte investieren", stellt der Unternehmer fest. "Wir haben eine Menge Gelegenheiten verpasst."
Kreditklemme in den EU-Krisenstaaten
Vor allem Unternehmen in südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien und Portugal leiden unter der Kreditklemme. Sie bekommen kein Geld, weil die Banken in den europäischen Krisenstaaten immer noch zu viele faule Kredite in den Büchern haben. "Für die spanischen Banken hat die Bereinigung ihrer Bilanzen absoluten Vorrang, auch mit Blick auf den bevorstehenden Stresstest durch die Europäische Zentralbank", sagt Jürgen B. Donges. Der emeritierte Wirtschaftsprofessor von der Universität Köln ist ausgewiesener Spanienkenner und Mitglied der Königlichen Akademie der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften in Spanien. "Außerdem ist es für die Banken immer noch lukrativer, Staatsanleihen zu kaufen als private Kredite auszureichen, deren Rückzahlung ungewiss ist. Das Ausmaß notleidender Kredite ist immer noch erheblich."
Europäische Zentralbank senkt den Leitzins
Einer der Gründe, warum die Europäische Zentralbank Anfang Juni den Leitzins erneut gesenkt und einen negativen Einlagenzins eingeführt hat, ist die Kreditklemme der kleinen und mittleren Unternehmen in den europäischen Krisenstaaten. So soll der Druck auf die Banken steigen, ihr Geld nicht bei der EZB zu parken, sondern Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben. Gerade im südlichen Europa soll Unternehmen die Finanzierung erleichtert werden, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Soweit die Theorie. "Das ist eine exzellente Idee, aber das wird nichts nutzen", sagt Unternehmer Eladio Muñoz. "Die Banken bekommen weiterhin günstig Geld, aber bei uns kommt es nicht an."
Kredite in Europa unterschiedlich teuer
Innerhalb Europas gibt es große Unterschiede, was die Finanzierungsbedingungen kleiner und mittlerer Unternehmen angeht. In Deutschland hat nur rund ein Prozent der Firmen Probleme an Kredite zu kommen, in Spanien sind es dagegen ein Viertel, in Portugal sogar ein Drittel der Unternehmen. In diesen Ländern machen Mikrounternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern den Großteil der Unternehmenslandschaft aus. In Spanien sind 93,8 Prozent aller Unternehmen Mikrofirmen. Kleine Unternehmen machen 5,4 Prozent, mittlere 0,7 Prozent und große Unternehmen nur 0,1 Prozent der spanischen Wirtschaft aus. "Die meisten spanischen kleinen und mittleren Unternehmen sind sehr klein, anders als in Deutschland. Es fällt ihnen schwer, der Bank angemessene Sicherheiten zu bieten", so Jürgen Donges. Doch neben der Zurückhaltung der Banken gibt es auch eine schwache Nachfrage nach Krediten von Unternehmerseite.
Hohe Zinsen sind ein Problem
Hohe Zinsen sind einer der Hauptgründe, warum spanische Unternehmer nur wenige Kredite anfragen. Ricardo Megias betreibt eine Marketingagentur in Alcalá de Henares im Norden Madrids. Im Krisenjahr 2008 hat er seine Firma Lassart Media Group gegründet, er beschäftigt zehn Mitarbeiter. Er hat sich kontinuierlich einen festen Kundenstamm aufgebaut. Um seine Aufträge zu finanzieren, fallen oft nur Beträge um die 2000 Euro an, es können aber auch mal 50.000 Euro werden, je nach Größe des Auftrages. Geld von den Banken bekommt er nur zu hohen Zinsen. Das ärgert den Unternehmer. "Wir brauchen Hilfen, um uns finanzieren zu können. Wir reden nicht von Subventionen oder Geschenken", sagt der Unternehmer. "Wir sprechen über das nötige Kapital, um zu wachsen und Arbeitsplätze zu schaffen."
Kleine und mittlere Unternehmen - wichtige Säule der spanischen Wirtschaft
Kleine und mittlere Unternehmen beschäftigen in Spanien mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer und erbringen 37,4 Prozent der Wertschöpfung. In der Krise mussten viele von ihnen Insolvenz anmelden, rund 30 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen in Spanien waren kleine und mittlere Betriebe. Ein positiver Effekt: Um die schwache Inlandsnachfrage auszugleichen, haben sich die spanischen Unternehmen dem internationalen Markt zugewandt. Heute ist ein Viertel der kleinen und mittleren Unternehmen im Exportgeschäft. Auch die spanische Regierung hat Anfang Juni ein Konjunkturprogramm aufgelegt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. 6,3 Milliarden Euro will Regierungschef Mariano Rajoy dafür bereit stellen. "Die Maßnahmen zielen in die richtige Richtung", sagt Professor Jürgen Donges. "Damit aber die Produktion und Beschäftigung in den spanischen kleinen und mittleren Unternehmen nachhaltig anziehen, muss sich noch das Vertrauen in die endgültige Überwindung der Krise festigen."