Sparwunder für viel Geld
10. Oktober 2007Die Internationale Automobilausstellung, auf der die deutschen Autobauer noch schnell ihre Stände mit grünem Schnickschnack und Hybridplänen ökologisch getunt haben, ist kaum vier Wochen vorbei, da scheint Volkswagen Substanz nachzuliefern. Die Wolfsburger wollen mit einem neuen Fahrzeug Verbrauchsrekorde brechen: Ein Liter Kraftstoffverbrauch auf 100 Kilometer. In nur gut zwei Jahren will Volkswagen ein solches Auto entwickeln, denn das Interesse an ökologisch korrekten Fahrzeugen sei gestiegen, sagt VW-Sprecher Andreas Meurer: "Das Thema Umwelt ist in der Gesellschaft angekommen und wir glauben nicht, dass es wie in der Vergangenheit wie eine Welle kommt und dann wieder abflaut."
Der große Öko-Verkaufsschlager wird das Gefährt allerdings nicht werden, schob VW-Konzernchef Martin Winterkorn direkt nach. Die Karosserie soll vornehmlich aus Kunststoff und Magnesium bestehen, der Motor mit einem Zylinder und 300 Kubikzentimeter Hubraum niedlich klein werden. Geplante Höchstgeschwindigkeit: 120 Stundenkilometer. "Wenn sie mit dem auf der Autobahn sind, müssen sie immer ein Kreuz machen, dass sie nicht von einem Lastwasgen überrollt werden", sagt denn auch Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft in Gelsenkirchen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass davon viele verkauft werden, vielleicht 500 bis 1500 Stück." Basis des Fahrzeugs soll die Volkswagen-Studie "Up" sein, ein Kleinwagen mit vier Sitzen, der auf der vergangenen Internationalen Automobilausstellung vorgestellt wurde.
Sparen kann teuer werden
Trotz der kurzen Entwicklungszeit hält Dudenhöffer es für möglich, bis 2010 ein solches Auto auf den Markt zu bringen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Ganz billig wird er nicht, räumt VW-Sprecher Meurer ein. "Ein Auto auf der Basis des 'Up', das aus Leichtbaumaterialien und mit speziellem Motor konstruiert wird, ist sehr viel teurer und wird eher Nischenprodukt sein."
Autoexperte Dudenhöffer vermutet hinter dem Projekt daher zwei Ziele: Einerseits könnte das Ein-Liter-Gefährt Testfahrzeug sein, um herauszufinden, wie am besten verbrauchssparend gebaut werden kann. Auf der anderen Seite diene ein solches Projekt in Zeiten der Klimadiskussion dem Ökomarketing. "Damit soll ein positives Image für die Marke gebildet werden. Deshalb fährt man wohl das Projekt als Kleinserie und nicht nur als Prototyp."
Für Werner Reh, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz ist das Ein-Liter-Fahrzeug eher ein Feigenblatt – für eine ökologisch gesehen gescheiterte Verkaufstrategie. Denn trotz hochwertiger Technologien und durchaus vorhandener verbrauchsarmer Motoren erreicht der VW-Konzern die Selbstverpflichtung der Autoindustrie zum Kohlendioxid (CO2)-Ausstoß nicht – wie die meisten seiner deutschen Konkurrenten. Ab 2008 soll der CO2-Ausstoß von Autos bei 140 Gramm je Kilometer liegen, bei VW liege der Wert zurzeit bei 173 Gramm. "Jeder Hersteller muss die Selbstverpflichtung beim CO2-Ausstoß einhalten und da hilft so ein Auto, das vielleicht 1000 Mal oder auch 10.000 Mal verkauft wird nicht, sondern es müssten 100.000 solcher Autos verkauft werden", sagt Reh.
Emissionshandel an der Tanke
Zum Teil liegt dies sicher auch am Kunden, der im Zweifel doch lieber zum sprittfressenden City-Geländewagen greift, als zum kleinen Öko-Flitzer – obwohl er sich gern zum Klimaschutz bekennt. Noch nie seien in Deutschland so PS-starke Autos verkauft worden wie heute, sagt Autoexperte Dudenhöffer. "Wir hatten all diese Spritsparer ja schon auf dem Markt, mit dem Audi A2, dem Drei-Liter Lupo von VW und den Öko-Modellen von Opel - alle sind beim Kunden gefloppt und nicht mehr zu kaufen." Für Dudenhöffer ist daher die Politik gefordert, CO2 dürfe wie die Rohstoffe, die zum Autobau genutzt werden, nicht umsonst sein. Der Emissionshandel sollte auch auf die Autoindustrie ausgeweitet werden. "Derjenige, der tatsächlich CO2 sparen will, wäre dann auch billiger unterwegs." Die Realität ist davon jedoch noch weiter entfernt, als vom Ein-Liter-Auto. Vor allem die deutschen Umwelt- und Wirtschaftsminister wie auch die Autoindustrie selbst wenden sich vehement gegen die Vorschläge des Autoprofessors. "Es hängt nun daran, ob die Europapolitiker, die Leute um Umweltkommissar Stavros Dimas die Deutschen von so einem Konzept überzeugen können."
Die Werbung ist schuld
Umweltschützer Werner Reh sieht aber auch die Industrie in der Verantwortung. Durch eine verfehlte Werbestrategie verleite sie die Kunden zum Kauf sprittfressender Karossen, statt die Sprit-Sparer anzupreisen. "VW bewirbt wie alle deutschen Hersteller mit Milliardenaufwand Fahrzeuge, die mehr als 200 Gramm CO2 ausstoßen. Vielleicht sollten die erstmal ihre Werbung umstellen." Die falsche Werbung aber etwa auch das Fehlen eines Tempolimits auf Autobahnen führten letztlich dazu, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland um elf Gramm pro Kilometer höher sei, als etwa bei den französischen Nachbarn. Gezielte Werbung könne dabei durchaus etwas ausmachen. So verkauften deutsche Hersteller im Ausland mit anderer Strategie verbrauchsärmere Autos. "Umgekehrt verkauft Toyota in Deutschland verbrauchsärmere Autos als in Japan – es liegt also nicht nur an den Produkten, sondern auch an der Werbephilosophie."
Dass 2010 der Ein-Liter-Up von VW auf diese Weise buchstäblich zum Volkswagen wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Vielleicht aber werden dann mehr Deutsche zur Normalversion dieses Autos greifen. Die soll immerhin weniger als vier Liter verbrauchen – und vor allem ein paar Tausend Euro weniger kosten.