Debatte um Energiespeicherforschung
18. Juni 2012Weltweit wird daran getüftelt, wie Energie sich am Besten aufbewahren und speichern lässt. Denn immer mehr Strom aus Windkraft- und Solaranlagen, das bedeutet auch immer mehr grünen Strom, der nur dann verfügbar ist, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, sagt Martin Kleimaier, Mitglied der Arbeitsgruppe Energiespeicherung des Verbands der Elektrotechnik VDE: "Im Zusammenhang mit Wind- und Sonnenenergie dient ein Speicher dazu, die ungleichmäßige Energie von Wind und Sonne zu vergleichmäßigen und so an den Bedarf anzupassen.“ 2011 deckte der Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse bereits 20 Prozent des Verbrauchs hierzulande ab. Bis 2050 soll die größte Volkswirtschaft Europas bereits 80 Prozent ihres Stroms aus Ökoenergien beziehen. Damit wird das Problem der Energiespeicherung mit jedem Tag drängender.
Casting-Show für den besten Energiespeicher
Noch ist nicht sicher, welcher Energiespeicher das Rennen macht. Doch auf der Suche nach den besten Lösungen zum Speichern grüner Energie ist schon jetzt klar: "Eine Lösung für alles wird es nicht geben", so Claudia Kunz, Referentin bei der Agentur für Erneuerbaren Energien. "Man kann Kurz- und Langzeitspeicher unterscheiden", erklärt die Energiewirtschafts-Expertin. "Kurzzeitspeicher haben im Bereich von Sekunden, Minuten bis maximal ein paar Stunden ihre Speicherkapazität, während Langzeitspeicher Energie im Tages-, Wochen- bis Monatsbereich zur Verfügung stellen können."
Viele verschiedene Speichertechniken stehen zur Verfügung, an vielen wird geforscht. Jahrzehntelang erprobt sind Pumpspeicherkraftwerke, ein Kurzzeitspeicher, der vor allem in Bergregionen zum Einsatz kommt. Ist überschüssiger Strom von Wind- oder Solarparks im Netz, so kann mit dieser Energie Wasser aus einem Reservoir im Tal in einen zweiten See auf den Berg gepumpt werden. Steigt der Strombedarf später, wird das Wasser abgelassen und treibt Turbinen an, die Strom produzieren.
Der Strom wird somit durch die Lageenergie des Wassers gespeichert. Das Problem: ein Drittel der Energie geht durch den Pumpaufwand verloren. Zudem ist das Ausbaupotential für Pumpspeicherkraftwerke sehr begrenzt, nicht nur im dicht besiedelten Deutschland. Mit 7500 Megawatt Leistung können die verfügbaren Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland das Stromnetz aber theoretisch gerade einmal vier bis acht Stunden am Laufen halten. Zu wenig, im Falle einer andauernden Windflaute, wenn Windräder für Tage oder gar Wochen als Stromproduzenten ausfallen.
Wenn grüner Strom zu Biogas wird
Als echte Langzeitspeicher für Energie sehen Forscher deshalb vor allem chemische Speicher. Überschüssiger Strom wird dabei in brennbare Gase umgewandelt werden, die später in Gaskraftwerken verbrannt werden und so Strom produzieren, wenn er tatsächlich gebraucht wird, sagt Jürgen Schmid vom Fraunhofer-Institut für Windenergie IWES in Kassel.
Er schlägt vor, aus Windstrom im Falle von Überkapazitäten zunächst Wasserstoff zu produzieren. Weil weder in Deutschland noch weltweit aber eine funktionierende Wasserstoffinfrastruktur vorhanden ist, wandeln die Forscher den Wasserstoff durch eine einfache chemische Reaktion in Methan oder auch Biogas um.
"Mit diesem Methan haben wir dann den Vorteil, dass wir das gesamte Erdgasnetz einschließlich der Erdgasspeicher verwenden können um diese Langzeitspeicherung zu realisieren", sagt Schmid. Das Erdgasnetz wird zum so riesigen Speicher für Wind- und Sonnenstrom: eine Vision, die viele Forscher derzeit fasziniert.
Zum einen, weil Wasserstoff beziehungsweise Methan ideale Energiespeicher auch im großen Maßstab sind. Zum anderen, weil das durch Wind- und Solarstrom produzierte Methan klimaneutral ist. Der Haken: noch gibt es hier nur Versuchs- und Forschungsanlagen. Und weil der Wirkungsgrad der Wasserstoffspeicherung bislang unter 40 Prozent liegt, fehlen bislang noch die ökonomischen Anreize.
Wenn Stromfresser zu virtuellen Speichern werden
Energie speichern, das lässt sich aber auch indirekt, indem Stromproduktion und Stromverbrauch besser aufeinander abgestimmt werden. Viele Forscher setzen daher ihre ganze Hoffnung auf das sogenannte Lastmanagement, also eine intelligente Steuerung des Energieverbrauchs. Besonders im Fokus ist dabei die stromintensive Industrie, also Aluminiumhütten, Chlor- und Papierhersteller oder Stahl- oder Zementproduktion, sagt Frank Heins vom Verband der Elektrotechnik VDE.
Diese großen Stromverbraucher sollen zu virtuellen Stromspeichern für das Netz werden. "In Zeiten, wo sehr viel regenerativer Strom aus Wind und Sonne produziert wird, soll möglichst die stromintensive Industrie den Strom auch verbrauchen", erklärt Heins das Grundprinzip. "In Zeiten wo aber kaum regenerative Energie da ist, sollen die nachgelagerten Produktionsprozesse zunächst aus den Speichern gespeist werden".
Eine ähnliche Vision verbinden vor allem Befürworter von Elektroautos mit der millionenfachen Verbreitung der Fahrzeuge. Ihre Lithium-Ionen-Akkus sollen überschüssigen Windstrom nachts aufnehmen, überschüssigen Solarstrom mittags speichern. Auch so o können Verbrauch und Produktion von Strom besser in Einklang gebracht werden, sagt Martin Kleimaier vom Elektroverband VDE. "Wenn man 40 Millionen Fahrzeuge hat im privaten Bereich und jeder hat eine Batterie, dann wird das vielleicht schon ausreichen durch die Ladung der Batterien einen fiktiven Speicher anzusprechen.“
Neue Studie: erst mehr Netze, dann Speicher
Wie viel Energiespeicher letztlich gebraucht werden, das hängt auch vom weiteren Aus- und Umbau der Stromnetze ab. Denn neue Stromautobahnen helfen, überschüssige Energie übers gesamteuropäische Stromnetz zu verteilen. Je besser verteilt wird, desto weniger muss gespeichert werden, sagt Wolfram Wellßow von der VDE Arbeitsgruppe Energiespeicher. Er plädiert daher für einen zügigen Netzausbau als oberste Priorität.
Für den Ausbau von Energiespeichern dagegen bleibe noch Zeit, erläuterte er bei der Vorstellung einer neuen Studie seines Verbands. "Bis zu einem Anteil der erneuerbaren Energien von 40 Prozent in der Erzeugung kommen wir sehr gut mit den vorhandenen flexiblen Kraftwerken und mit den bereits vorhandenen Speichern aus", argumentiert Wellßow.
Auch Claudia Kunz, Referentin für Energiewirtschaft bei der Agentur für Erneuerbaren Energien, befürwortet einen schnellen Ausbau der Netzinfrastruktur. Sie dagegen mahnt bei der Energiespeicherforschung zur Eile. "Speicher haben noch einen enormen Forschungs- und Entwicklungsbedarf, da muss viel getan werden, dass sie wirtschaftlicher werden", sagt Kunz.
Schon jetzt müssten die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Speicher dann verfügbar seien, wenn sie tatsächlich im großen Stil gebraucht würden. Laut Leitstudie des Bundesumweltministeriums wird das bereits zwischen 2020 und 2030 der Fall sein. Dann sollen die erneuerbaren Energien den Anteil von annähernd 40 Prozent an der deutschen Stromproduktion erreicht haben. Die zu erwartende Energiespeicher-Lücke ist damit ein Problem mit Ansage - ein Auftrag für Forscher und die Politik.