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Standpunkt: Gurlitt-Testament klären!

Stefan Dege18. November 2014

Der umstrittene Kunsterbe Cornelius Gurlitt hatte seine Sammlung in die Schweiz vererbt. Die Umstände sind unklar. Ob alles mit rechten Dingen zuging, gehört deshalb geklärt, meint DW-Redakteur Stefan Dege.

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Lion Tamer Max Beckmann Cornelius Gurlitt
Bild: Reuters

Das Gutachten ist brisant. Denn es stellt die Testierfähigkeit des im Mai verstorbenen Kunsterben Cornelius Gurlitt in Frage. Das bedeutet: Er war seelisch offenbar nicht in der Lage, zu überblicken, was er tat. Und was er entschied, tat er getrieben von Angst - sagt der Gutachter.

Sein Ziel, den vom Vater geerbten Kunstschatz aus Angst vor Nazi-Verfolgern außer Landes zu schaffen, entsprang demnach einem paranoiden Wahn. Nicht diese Krankheit allein nahm Gurlitt die Freiheit der Willensbildung beim Abfassen seines Testaments. Entscheidend war nach Auffassung des Gutachters, dass die Verfolgungsängste mit dem Inhalt seines Testaments zu tun hatten, der Frage also: Wohin mit der milliardenschweren Kunst?

Porträt - Stefan Dege
DW-Kulturredakteur Stefan DegeBild: DW/K. Dahmann

Brisant ist das Gutachten auch, weil es offensichtlich niemand zur Kenntnis nehmen will. Die übergangenen, gesetzlichen Erben nicht, die keinen Erbschein beantragen. Auch das alleinerbende Kunstmuseum Bern nicht, das bisher ebenfalls keinen Erbschein beantragt hat. In Bern hüllt man sich in Schweigen, und wohl aus gutem Grund: So lange kein Nachlassgericht die Gültigkeit des Gurlitt-Testaments überprüft, so lange steht einer Erbschaft nichts entgegen. Damit mag die Erbschaft rechtens sein. Wird sie deshalb richtiger?

Sinneswandel wirft Fragen auf

Noch im November rief er in die laufende Kamera: "Ich gebe nichts zurück!" Kurze Zeit später einigte sich Gurlitt mit dem Freistaaat Bayern und dem Bund darauf, seine beschlagnahmte Sammlung durch eine Taskforce prüfen zu lassen und Raubkunst an die Nachfahren der jüdischen Vorbesitzer zurückzugeben. Ein Sinneswandel, der Fragen aufwirft.

Wem nützt der Deal? Zum einen dem Schweizer Museum, das mit der sogenannten "Entarteten Kunst" die heiklen Teile der Gurlitt-Sammlung nicht beackern muss. Und kein Franken fließt für die kostspielige Provenienzforschung. Zum andern profitiert die deutsche Politik, die die Sammlung bei einer seriösen Institution in einem neutralen Land aufgehoben weiß. Denn offensichtlich will Deutschland nicht länger das Bild einer Nation abgeben, die lange nach dem Holocaust immer noch mit der Beute dasteht.

Unübersehbar: Das Gutachten lässt Cornelius Gutlitt als alten, vereinsamten, angstbesessenen Menschen erscheinen. Als Mann, der nicht mehr Herr seiner Sinne war und den man aus guten Gründen unter Betreuung gestellt hatte. Wie ist sein Testament zustande gekommen? Das gehört geklärt.