Sterbehilfe: Europäische Standpunkte
27. März 2005
In den Niederlanden bewegte 1990 der Fall Ineke Stinissen die Öffentlichkeit: Damals erreichte der Mann einer Koma-Patientin, dass die Magensonde entfernt wurde, so dass sie starb. Die Entscheidung der Ärzte wurde später gerichtlich sanktioniert. Mit Sterbehilfe im eigentlichen Sinne hatte dies nach Ansicht niederländischer Experten ebenso wenig zu tun wie der Fall Terri Schiavo. "Sterbehilfe besteht darin, dass ein Arzt eine tödliche Substanz verabreicht", sagt Johan Lagemaate, Rechtsberater des Königlichen Ärzteverbandes.
Seit dem 1. April 2002 können niederländische Ärzte bei Befolgung strikter Kriterien und unter Überwachung einer Kontrollkommission tödliche Injektionen verabreichen. Die Zahl der registrierten Fälle von Sterbehilfe ging seither stetig zurück: von 2054 im Jahr 2001 auf 1815 im Jahr 2003. Dabei spielt eine andere Form von Sterbehilfe eine Rolle: Die Regierung stellt seit 2002 nämlich jährlich zehn Millionen Euro für Hospize und Palliativmedizin zur Verfügung.
Am 23. September 2003 folgte Belgien dem Beispiel der Niederlande und räumte Ärzten ebenfalls eine legale Möglichkeit ein, das Leben von Patienten zu beenden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehört eine klare Willensäußerung des Patienten, solange er volljährig und bei vollem Bewusstsein ist, "dauerhaftes oder unerträgliches Leiden" sowie eine "ausweglose medizinische Situation".
Einen gewissen Spielraum ermöglicht noch die Schweiz den dort praktizierenden Ärzten, da sie ihnen erlaubt, unheilbar Kranken eine tödliche Dosis eines Medikamentes zu besorgen, die diese dann selbst einnehmen.
In den meisten anderen europäischen Staaten gibt es nur die bedingte Möglichkeit, passive Sterbehilfe zu üben, also lebenserhaltende Maßnahmen einzustellen. Die jüngste Entscheidung wurde dabei in Frankreich gefällt, wo das Parlament im November 2004 das Recht einführte, unheilbar Kranke sterben zu lassen. In Dänemark sind Ärzte verpflichtet, eine Patientenverfügung Kranker zu respektieren und umzusetzen. In Schweden und Norwegen ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, lebensverlängernde Behandlungen einzustellen. In Slowenien und Ungarn können Sterbende ebenfalls das Ende ihrer Behandlung verlangen.
In Deutschland arbeitet das Parlament an einer gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung, die am 1. Januar 2006 in Kraft treten soll. Die vom Bundestag eingesetzte Ethikkommission schlug vor, dass es auf jeden Fall einer schriftlich festgelegten Verfügung bedarf, dass eine Behandlung nur verweigert werden darf, wenn der Tod früher oder später ohnehin eintreten wird, und dass die Verfügung stets auch im Lichte der gegenwärtigen Lage des Patienten hinterfragt werden muss - vor allem im Hinblick auf die Frage, ob er seine Meinung vielleicht geändert haben könnte. Die Frage, ob Außenstehende die Lage des Patienten wirklich beurteilen können, und die Sorge, dass mit Menschenleben - auch seitens des Patienten - zu leichtfertig umgegangen werden könnte, bleibt besonders schwierig zu beantworten. (afp)