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Strom oder Fisch?

Tobias Grote-Beverborg (spe)24. April 2007

Kambodscha verfügt über riesige Wasserflächen, die Heimat für über 1200 Fischarten bieten. Doch durch menschliche Eingriffe wird das ökologische Gleichgewicht der kambodschanischen Gewässer immer stärker gestört.

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Markt in Phom Penh
Morgens in Phom PenhBild: Tobias Grote-Beverborg

Es ist früher Morgen in Phnom Penh. Die Sonne dringt langsam durch den Morgendunst; auf dem Markt in der 178. Straße, nur wenige Schritte vom Königspalast entfernt, herrscht bereits reges Treiben. Es wimmelt nur so von Menschen, die hier schnell noch ihren morgendlichen Einkauf erledigen. An den unzähligen kleinen Ständen wird vom Schweinskopf über Reis, Gemüse und frischem Obst alles geboten, was der kambodschanische Gaumen und Magen begehrt.

Am meisten aber beeindruckt die überwältigende Vielfalt an Fisch und Meeresfrüchten. Frisch gefangen, teilweise noch zuckend, werden sie zum Kauf angeboten, für die Kunden gesäubert und ausgenommen.

Jeder Dritte lebt vom Fisch

Ein Fischer sortiert seinen spärlichen Fang
Ein Fischer sortiert seinen spärlichen FangBild: Tobias Grote-Beverborg

Rachmatjan ist eine von den vielen Marktfrauen, die auf dem Boden hockend vor sich ihre Ware ausgelegt haben. Jeden Morgen verkauft sie hier ihren Fisch. Ihr Dorf, wo sie täglich den Fang eines Nachbarn erwirbt, ist knapp zehn Kilometer entfernt. Der Fisch kostet sie etwa 25 US-Dollar, insgesamt verdient sie beim Verkauf um die 4 US-Dollar.

Wie Rachmatjan lebt ein großer Teil der Bevölkerung von Kambodscha direkt oder indirekt vom Fischfang. So Nam, stellvertretender Direktor der Fischereibehörde, erklärt, warum der Fischfang für Kambodscha so wichtig ist. "Der Fisch spielt bei der Ernährung eine besondere Rolle, denn über 75 Prozent des Proteinbedarfs werden von Fischprodukten gedeckt." Daneben gebe die Fischerei auch sehr vielen Menschen Arbeit. Nach offiziellen Angaben leben ungefähr vier Millionen Einwohner direkt oder indirekt vom Fischfang, das entspricht 30 Prozent der kambodschanischen Bevölkerung.

Beim Fischfang das produktivste Land der Welt

Auch Eric Baran, Wasserbiologe vom Worldfish Center in Phnom Penh, unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung des Fischfangs für Kambodscha. Mit seinen Fangmengen stehe Kambodscha nach China, Indien und Bangladesch weltweit an vierter Stelle, wobei deren Bevölkerung im Verhältnis zu den 12 Millionen Kambodschas bis zu hundertfach größer sei. "Wenn Sie die Fangmenge durch die Bevölkerungszahl teilen, ist klar, dass Kambodscha in Bezug auf Fischfang das produktivste Land der Welt ist."

Mittelsleute kaufen den Fang direkt von den Booten
Mittelsleute kaufen den Fang direkt von den BootenBild: Tobias Grote-Beverborg

Tatsächlich sind die offiziellen Zahlen beeindruckend: Über 400.000 Tonnen Fisch werden jährlich in den Binnengewässern von Kambodscha gefangen, von denen zirka 50.000 Tonnen exportiert werden. Der Verzehr von Fisch liegt in manchen Regionen bei bis zu 70 Kilogramm pro Einwohner im Jahr. Über 300 Millionen US-Dollar werden im Fischereisektor erwirtschaftet, zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Bedrohter Artenreichtum

Möglich werden diese Fangmengen durch zwei Faktoren: Zum einem durch die große Zahl an Binnengewässern, zum anderem durch die vielen unterschiedlichen Fischarten - allein im Mekong leben 1.200. Doch dieser einzigartige Artenreichtum ist durch die rasch wachsende Bevölkerung und den gegenwärtigen Wirtschaftsboom in Kambodscha bedroht. Auch der stetig steigende Energiebedarf hat massive Auswirkungen. So führt der verstärkte Bau von Staudämmen zur Stromerzeugung zu einer Veränderung des Flutzyklus und zu einem Rückgang der Fischarten.

Traditionelle Pfahlbauten am Tonle-See schützen vor Überflutung
Pfahlbauten am Tonle-SeeBild: Tobias Grote-Beverborg

Für Eric Baran vom Worldfish Center sind Staudämme berechtigter Anlass zur Sorge, da sie in den hydrologischen Zyklus eingreifen. Der Nutzen eines Damms müsse mit den Verlusten bei der Fischproduktion gegengerechnet werden. "Die jetzige Fischproduktion, die ohne unser Dazutun geschieht und außerdem nichts kostet, wird verloren gehen."

Zerstörung natürlicher Ressourcen

Wirtschaftswachstum und steigende Bevölkerungszahlen sorgen für zunehmende Konkurrenz um die Ressource Wasser. Staudämme zur Stromerzeugung, große Bewässerungsprojekte, Trockenlegung und Abholzung der Fluss-Auen zum Ausbau der Plantagenwirtschaft und der städtischen Infrastruktur sowie die forcierte Industrialisierung Kambodschas könnten die Bedingungen für die Fischproduktion in naher Zukunft dramatisch erschweren.

Agrarflächen verdrängen Überflutungsgebiete und Auwälder
Agrarflächen verdrängen Überflutungsgebiete und AuwälderBild: Tobias Grote-Beverborg

Choun Chamnan vom Staatlichen Institut zur Erforschung und Entwicklung der Fischerei erkennt die Notwendigkeit, sein Land zu modernisieren, fürchtet aber ebenso den unwiderruflichen Verlust natürlicher Ressourcen. Trotz aller Vorteile, die Staudämme durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen für die nationale Wirtschaft bedeuteten, bleibt es in seiner Einschätzung schwierig, die Nachteile auszugleichen. "Bis jetzt ist es nicht möglich, die Zerstörung natürlicher Ressourcen rückgängig zu machen."

In Kambodscha leben 85 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft, abhängig von den Feldern, der Umwelt, natürlichen Ressourcen. Choun Chamnan plädiert deshalb für vorausschauendes Handeln – und somit für den Schutz der Artenvielfalt und der Fischbestände.