Sudan: Ausländische Akteure befeuern den Krieg
10. April 2024"Zentral-Darfur ist eine humanitäre Wüste." So umriss Christos Christou, der Direktor der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Anfang dieser Woche die Auswirkungen des vor einem Jahr ausgebrochenen Krieges im Sudan. In den Flüchtlingslagern in einem der am stärksten betroffenen Gebiete herrschten entsetzliche Zustände. Es fehle an Trinkwasser, Lebensmitteln und sonstiger Versorgung. Die hygienischen Bedingungen seien katastrophal. Im Kurznachrichtendienst X forderte er die Weltgemeinschaft zu verstärkter Hilfe auf.
Rund 18 Millionen Menschen litten unter Hunger, meldete vor wenigen Wochen das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Die meisten von ihnen hielten sich in Regionen auf, die für Hilfsorganisationen kaum oder gar nicht zugänglich seien, so das UN-Hilfswerk. Es drohe eine humanitäre Katastrophe.
Militärs und Politiker gleichermaßen für Gewalt verantwortlich
Seit April vergangenen Jahres stehen sich im Sudan zwei große militärische Gruppen gegenüber: die sudanesischen Streitkräfte (SAF) und die sogenannten schnellen Eingreiftruppen (RSF) sowie zunehmend verbündete Milizen- und Splittergruppen. Der Konflikt hatte sich daran entzündet, dass sich der Kommandeur der RSF, Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti, geweigert hatte, seine Truppen der Befehlsgewalt der SAF zu unterstellen, obwohl dies zuvor in einem nationalen Dialog vereinbart worden war.
Aber auch Teile der zivilen Akteure trügen Verantwortung für die Gewalt, sagt Osman Mirghani, Chefredakteur der sudanesischen Zeitung "Al-Tayyar", im Gespräch mit der DW. Trotz des im Dezember 2022 unterzeichneten Rahmenabkommens hätten einige Akteure ihre Interessen um jeden Preis durchsetzen wollen und darum Verbindungen zu den militärischen Gruppen des Landes aufgenommen. "Leider versuchen alle politischen Parteien, ihre Macht auch um den Preis des Krieges zu behalten."
Systematische Vernichtung von Lebensmitteln
Für ihre Anliegen nehmen die beiden Parteien offensichtlich auch eine humanitäre Katastrophe in Kauf, sagt Marina Peter, Gründerin und Vorsitzende des Sudan- und Südsudan-Forum, im DW-Interview. In vielen Landesteilen könnten die Bauern aufgrund der Kämpfe und deren Auswirkungen nichts mehr anbauen. Zudem würden in traditionell fruchtbaren Regionen wie Dschasira oder White Nile Ernten und andere Lebensmittel gezielt vernichtet. "Insbesondere die RSF zünden in Gebieten, die sie zu unterwerfen trachten, Kornlager an. Außerdem verhindern sie gezielt den Zugang zu humanitärer Hilfe in diesen Gebieten."
Die Rolle internationale Akteure
Hinzu kämen die internationalen Akteure in dem Krieg, sagt Marina Peter. Ägypten etwa unterstütze die regulären Streitkräfte der SAF. "Die Regierung in Kairo steht der friedlichen Revolution und der Aussicht einer zivilen sudanesischen Regierung seit jeher skeptisch gegenüber. Sie wünscht sich eine Herrschaftsform wie im eigenen Land, also eine militärische Führung mit demokratischem Antlitz." Zugleich fürchte man, der Konflikt könne auch auf das eigene Land überspringen. Und aus Sorge um die Wasserversorgung durch den Nil suche die Regierung in Kairo vorzugsweise die Nähe zu den jeweiligen Machthabern. "Und das ist aus ägyptischer Sicht derzeit eben Abdel Fatah Burhan."
Zudem hätten die SAF zuletzt einen neuen Partner gewonnen, so Peter: den Iran. "Sie haben dorthin einige stabile Beziehungen geknüpft. Inzwischen bekommen sie von dort etwa Drohnen geliefert."
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hingegen setzen auf Mohammed Hamdan Dagalo. "Im Sudan befinden sich erhebliche Goldvorräte", so Peter. Deren Verkauf laufe ganz wesentlich über die VAE. "Die RSF haben seit langem Truppen aufgebaut, die den Abbau und Transport des Goldes organisieren." Zudem seien die VAE rigorose Gegner des politischen Islam und wollten unbedingt verhindern, dass wieder ein Islamist wie Omar al-Baschir die Macht in dem Land übernehme. "Das ist natürlich bizarr, denn sowohl Burhan als auch Hemedti sind politische Ziehsöhne des gestürzten Präsidenten Omar al-Baschir, der einen islamistischen Kurs fuhr. Allerdings versuchen die RSF sich als Gegner der alten Kader zu inszenieren - und haben darüber die VAE auf ihre Seite gezogen." Im Gegenzug werden die RSF von den VAE mit Waffen versorgt.
Geliefert werden die unter anderem auch über Libyen. Diese Aufgabe hatte bis zum Sommer vergangenen Jahres die russische Söldnertruppe Wagner übernommen. Doch nach dem Tod ihres Kommandanten Jewgeni Prigoschin im August letzten Jahres nannte sich der Teil der in Afrika aktiven Gruppe um: Nun heißt sie "Afrikakorps" - in Anlehnung an die gleichnamige Armee des deutschen Feldmarschalls Erwin Rommel in Libyen während des Zweiten Weltkrieges. Deren Aufgabe sollte es sein, die britischen und französischen Kolonialreiche in Nordafrika zu erobern. Auch die russischen Söldner wollen den Einfluss ihres Landes in dieser Region offenbar ausweiten: "In Sudan verfolgt Russland bereits seit 2017 Pläne zum Bau eines Marinestützpunkts am Roten Meer - an der zentralen Schlagader des globalen Handels zwischen Europa und Asien", heißt es in einem Bericht der Tageszeitung (TAZ) vom März dieses Jahres.
Ende des Konflikts wenig wahrscheinlich
Dass der Konflikt absehbar ein Ende finden würde, sei wenig wahrscheinlich, schreibt die Politologin Hager Ali vom Hamburger GIGA-Institut in einer Analyse. Die beiden Konfliktparteien seien womöglich gar nicht mehr in der Lage, die Gewalt einzuhegen, da sich ihre jeweiligen Kommandostrukturen teils aufgelöst hätten. Weitere Fraktionen seien bereits dabei, die Autorität von Al-Burhan und Dagalo auf kommunaler Ebene zu verdrängen und den Krieg für ihre eigenen Interessen zu nutzen.
Auch unter internationalen Aspekten sei ein Ende des Krieges derzeit eher unwahrscheinlich, so Ali. Der Sudan sei von großen Waffenschmuggelzentren umgeben. "Treibstoff, Munition, Waffen und andere Güter werden über Libyen, den Tschad, die Zentralafrikanische Republik und über das Rote Meer geschmuggelt. Waffen kommen auch aus Uganda und dem Südsudan. Die Vereinigten Arabischen Emirate und die Wagner-Gruppe arbeiten bei der Versorgung des Krieges über diese Länder eng zusammen."
Die Regierungen Norwegens und anderer westlicher Staaten sowie der EU veröffentlichten anlässlich des ersten Jahrestages des Kriegsausbruchs einen Appell, in dem sie die Kriegsparteien dazu aufriefen, die Kämpfe zu beenden und einen sofortigen Waffenstillstand auszuhandeln.