Syrien-Konflikt überlagert Gipfelthemen
6. September 2013Der italienische Regierungschef Enrico Letta nutzte seinen "Twitter"-Account, um den wartenden Journalisten mitzuteilen, dass sich nichts bewegt hatte. Das Abendessen der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Wirtschafts- und Schwellenländer (G20) habe die "Spaltung" bestätigt, erklärte Letta in der Nacht zu Freitag (06.08.2013). Spaltung bedeutet: hier US-Präsident Barack Obama, der als Reaktion auf den Giftgaseinsatz in Syrien einen Militärschlag erwägt. Auf der anderen Seite Russland, China und viele andere G20-Staaten, die ein solches Vorgehen spekptisch beurteilen.
Nach dem Willen von Russlands Präsident Wladimir Putin sollte es auf dem Gipfel in seiner Heimatstadt St. Petersburg vorrangig um wirtschaftliche Themen gehen: Zum Beispiel um nachhaltige Entwicklung für alle, um einen Aktionsplan der G20 für Wachstum und Beschäftigung oder Maßnahmen gegen Steuerflucht. Doch die dramatische Entwicklung im Syrien-Konflikt verlangt nun nach anderen Antworten: Findet man eine politische Lösung oder bleibt nur ein militärisches Eingreifen? "Es gibt keine militärische Lösung", sagte Ban Ki Moon den Staats- und Regierungschefs. Der UN-Generalsekretär will, dass rasch eine Syrien-Konferenz in Genf einberufen wird. Allerdings sind die Fronten verhärtet, vor allem zwischen Putin und Obama, aber auch die Positionen anderer liegen weit voneinander entfernt.
Die Außenminister der Länder sind mit angereist, was eine Premiere im G20-Kreis ist, und auch der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi, hält sich am Tagungsort auf. Man kann also davon ausgehen, dass in den Hinterzimmern des Konstantin-Palastes, wo die G20 verhandeln, die diplomatischen Drähte glühen.
Nur wenig Hoffnung
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sah nur einen winzigen Hoffnungsschimmer, wie sie nach ihrer Ankunft am Donnerstag sagte. Deutschland werde im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten dazu beitragen, "dass vor allem der politische Prozess eine Chance bekommt, und wenn auch nur eine klitzekleine". Man wolle, dass die Vereinten Nationen eine gewisse Rolle behalten, auch mit Blick auf eine nächste Syrien-Konferenz. "Aber die Dinge sind sehr schwierig." Das Gute sei, dass G20 ein Gesprächsforum biete. "Wer spricht, der versucht auch, sich zu verständigen", so Merkel. Sie wolle aber die Erwartungen auch nicht zu hoch schrauben.
Diese Skepsis scheint angebracht, wie die sehr unterkühlte Begrüßung zwischen Putin und US-Präsident Barack Obama zeigte. Das allein liess die Hoffnung schwinden, dass sich die Positionen der beiden hier in St. Petersburg annähern könnten.
Aktionsplan verabschiedet
Etwas mehr Übereinstimmung gibt es in wirtschaftlichen Fragen. So haben die G20 auf ihrer ersten Arbeitssitzung einen Aktionsplan für dauerhaftes Wachstum und Beschäftigung verabschiedet. Auch sollen die Staatsfinanzen saniert werden, konkreter wurde man allerdings nicht. Steuertricksern will man den Kampf ansagen und Hedgefonds und andere Schattenbanken strenger an die Leine nehmen, Beschlüsse gibt es aber noch nicht.
Aber auch die wirtschaftliche Lage der Schwellenländer rückt ins Blickfeld. Die Ankündigung der US-Notenbank, demnächst die Politik des billigen Geldes zu beenden, hat zu einem massenhaften Abfluss von Kapital geführt. Dazu kommen hausgemachte Probleme der Länder. Kanzlerin Merkel hält die sogenannte Exit-Strategie der Notenbank zwar für geboten, mahnt aber Vorsicht an. Man müsse das so gestalten, "dass daraus keine Brüche in der wirtschaftlichen Entwicklung entstehen". Das G20-Treffen sei im Grunde die Lehre daraus, das jede nationale Aktion internationale Auswirkungen habe. "Und deshalb müssen wir sicher stellen, das die Dinge koordiniert ablaufen." Auf diesem Gipfel werde mit Sicherheit die wirtschaftliche Situation der Schwellenländer sehr viel stärker im Vordergrund stehen als die Eurokrise, so Merkel.
Entwicklungsbilanz eher mager
Auch dem Thema Entwicklung wandten sich die G20 zu. Sie zogen Bilanz, was seit dem Gipfel von Seoul im Jahr 2010 geleistet wurde - und sprachen über zukünftige Strategien ("Development Outlook"). Aus Sicht von Jörn Kalinski von der Nichtregierungsorganisation Oxfam fällt die Bilanz eher mager aus. "Die G20 haben sich viel zu viel damit beschäftigt, Berichte, Studien oder Analysen in Auftrag zu geben, sie entgegen zu nehmen und dann heißt es: Machen wir einen Haken dran." Vielmehr müsse es um die Frage gehen: "Was passiert eigentlich in der Wirklichkeit?" Dass die Erstellung eines Berichts das Ziel sei, könne nicht sein.
Ein wenig optimistischer beurteilt Marvin Meier vom Hilfswerk World Vision die Situation. "Es ist schon so, dass wir in den letzten Jahren Verbesserungen gesehen haben." Auch die Mächtigen der Welt sähen, dass es nur dann Wachstum für alle geben könne, wenn man auch die Schwächsten mitnehme. So gehe die Kindersterblichkeit tatsächlich zurück. "Natürlich nicht so schnell, wie wir das wollen. Aber es bleibt immer die Hoffnung, dass es doch insgesamt zu einer Verbesserung kommt."