Afrika-Südamerika-Gipfel
24. Februar 2013Groß war die Euphorie vor fast vier Jahren beim letzten Afrika-Südamerika-Gipfel in Venezuela: Medienwirksam inszenierten sich der damalige Präsident Libyens Muammar Al Gaddafi gemeinsam mit Venezuelas und Brasiliens Präsidenten Hugo Chavez und Lula da Silva Arm in Arm. Es sollte der Beginn einer breit angelegten Zusammenarbeit zwischen Afrika und Südamerika sein, das Vorbild einer erfolgreichen Süd-Süd-Kooperation.
Von der Aufbruchstimmung der ersten beiden Gipfel 2006 und 2009 scheint aber nicht viel übrig zu sein – angefangen bei den charismatischen Führungsfiguren: Libyens Ex-Präsident Al Gaddafi ist tot, der Venezolaner Hugo Chavez schwer krank und Brasiliens Lula da Silva nicht mehr im Amt. Der ursprüngliche Gipfel-Termin im Mai vergangenen Jahres war von brasilianischer Seite verschoben worden. Inhaltlich ist die Kooperation in den vergangenen drei Jahren nicht voran gekommen: Von der Umsetzung der geplanten Projekte sei man noch weit entfernt, heißt es aus Diplomatenkreisen. Verhakt hätten sich die Delegationen stattdessen in organisatorischen Fragen - etwa zur genauen Struktur und Finanzierung eines ständigen Rats. Noch bis kurz vor Gipfelbeginn hätten die Teilnehmer über die Tagesordnung des hochrangigen Treffens gestritten. Angekündigt hatten sich für Freitag (22.02.2013) unter anderem die Präsidenten Nigerias (Goodluck Jonathan), Südafrikas (Jacob Zuma), Brasiliens (Dilma Rousseff) und Boliviens (Evo Morales).
Gegenentwurf zur traditionellen Entwicklungshilfe
"Der Gipfel ist vor allem politisch: Es geht um die Idee der Süd-Süd-Kooperation – und dafür gibt es in der Tat schon gute Beispiele, etwa Brasiliens Engagement in Afrika", sagt Alex Vines von der renommierten Denkfabrik Chatham House in London. "Aber bei den anderen südamerikanischen Staaten steckt da nicht soviel dahinter. Venezuela etwa geht es vor allem darum, die Ideologie der Süd-Süd-Kooperation zu demonstrieren." Sprich: Das sozialistisch regierte Venezuela sucht vorwiegend Verbündete gegen die USA und Europa. Brasilien dagegen treibt seine Afrika-Strategie der vergangenen zehn Jahre voran. Hinter der sogenannten Süd-Süd-Kooperation steht die Idee, dass Schwellenländer, die selbst noch in der Entwicklungsphase sind, mit Investitionen und Handel zum Wirtschaftsaufbau armer Staaten beitragen.
Afrika profitiert von Brasiliens Lösungen
"Brasilien sieht sich durch seine historische Verbundenheit mit Afrika zusätzlich in besonderer Verantwortung: Als Folge des Sklavenhandels ist der Anteil afro-stämmiger Bürger in dem größten Land Südamerikas sehr hoch. Brasilien hat Strategien entwickelt, um Aids und Armut im eigenen Land zu bekämpfen. Seine Lösungen stellt es nun den Afrikanern zur Verfügung. "Insbesondere bei der Aids-Bekämpfung gibt es Austausch von Knowhow", erklärt der Brasilien-Experte Markus Fraundorfer vom GIGA-Institut in Hamburg. "Brasiliens nationales Aids-Programm hat international einen sehr guten Ruf und gilt bei vielen internationalen Organisationen als Vorbild."
In Mosambik etwa hat Brasilien vor zwei Jahren ein Labor aufgebaut, das Aids-Medikamente herstellt - für Mosambik selbst, aber auch zur Versorgung anderer Subsahara-Staaten.
"Brasiliens Afrika-Offensive hilft vor allem der heimischen Wirtschaft"
Brasiliens Süd-Süd-Kooperation mit Afrika ist aber auch umstritten. Der Vorwurf von Menschenrechts- und Umweltorganisationen: Das Land habe vor allem seine eigenen Wirtschaftsinteressen im Blick. Seine Unternehmen sähen einen vielversprechenden Absatzmarkt für Konsumgüter, denn die afrikanische Mittelschicht wird stärker - dank des stabilen Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre. Außerdem brauchen sie Rohstoffe und wollen Industriegüter verkaufen. Dem autoritär regierten Angola etwa gewährte Brasilien Kredite zum Bau eines großen Staudamms. Ausgeführt wurden die Arbeiten vom brasilianischen Baukonzern Odebrecht.
Außerdem legen die großen brasilianischen Biotreibstoff- Produzenten Zuckerrohrplantagen in Afrika an. Sie brauchen neue Produktionsstätten und Absatzmärkte – oft mit negativen Folgen für die afrikanische Bevölkerung: "Die großen Verlierer sind Kleinbauern und Familienunternehmen", sagt der Politikwissenschaftler Markus Fraundorfer. "Denn die werden von diesen Agrar-Unternehmen durch den Aufbau kompletter Industrieanlagen an den Rand gedrängt, und man entzieht ihnen die Lebensgrundlage." Genau daran entzünde sich die Kritik: Einerseits tritt Brasilien mit dem hehren Ziel an, in Afrika Armut und Hunger zu bekämpfen - aber gleichzeitig verschärft Brasiliens Ethanol-Produktion den Hunger und die Armut in diesen Ländern."
Werben um Stimmen
Das südamerikanische Land bewirbt sich – wie Deutschland auch – um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, und die 54 afrikanischen Staaten haben in der Vollversammlung einen gewichtigen Stimmenanteil.
Bei dem Gipfel nun ging es vor allem darum, dass sich beide Seiten auf gemeinsame Positionen und Strategien zur künftigen Zusammenarbeit einigen. Alex Vines von Chatham House in London warnt aber vor zu großen Hoffnungen: "Wir dürfen nicht vergessen: Afrika ist ein Kontinent mit 54 Staaten, also viel mehr als in Südamerika, und die sind alle völlig unterschiedlich. Es mag sehr allgemeine Zusagen geben, aber darüber hinaus wird es schwierig. Das ist ein sehr langfristiges Projekt."