Blairs Verfallsdatum
16. März 2007Zwölf Jahre lang war er die Nummer Zwei, der ewige Nachfolger. Doch bald wird Gordon Brown genau wissen, wann seine große Stunde kommen wird: Am Dienstag (20.3.) will sich Berichten zufolge das Exekutivkomitee der Labour-Partei auf einen Zeitplan für die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden verständigen. Damit hätte das monatelange Rätselraten um den Abgang von Premierminister Tony Blair ein Ende.
Keine Alternative
Dass Schatzkanzler Brown das Rennen machen wird, gilt als sicher. "Es gibt in der Partei keine Alternative zu ihm", sagt Tim Bale, Parteienforscher an der Universität Sussex. Mit dem 55-Jährigen bekäme die Labour Party einen Vorsitzenden, der sich zwar einerseits zur Transformation der Partei zu "New Labour" bekannt hat, anderseits aber an der traditionalistischen Basis gut ankommt. Bisher haben nur zwei Vertreter der Parteilinken erklärt, dass sie gegen Brown antreten wollen. Beide gelten als chancenlos; es ist sogar zweifelhaft, ob sie die für eine Kandidatur nötigen 44 Abgeordneten-Unterschriften sammeln können.
Allerdings steht Brown vor einem Dilemma: Einerseits muss er sich von seinem Vorgänger distanzieren, dessen Popularität durch den Skandal um käufliche Oberhaussitze und vor allem durch das Irak-Debakel einen Tiefstand erreicht hat. Anderseits kann Brown bei der Abgrenzung nicht zu weit gehen - schließlich war er selbst Teil der Regierung. Zur Außenpolitik etwa hat sich Brown, der den Irak-Krieg unterstützt hatte, bisher kaum geäußert. Von der engen Anbindung an die USA dürfte der Transatlantiker und Euroskeptiker kaum abrücken. Allerdings erklärte er unlängst, die Beziehungen zu Washington müssten sich stärker nach den "nationalen Interessen" Großbritanniens richten.
Im Umfragetief
Als Premierminister müsste er Labour aus einem Umfragetief führen. Doch der Rückstand von derzeit fünf Prozentpunkten gegenüber den Konservativen dürfte sich unter Brown eher noch vergrößern. Insbesondere in Blairs engstem Umfeld bezweifeln viele, dass der introvertierte 55-Jährige bei den Unterhauswahlen 2009 oder 2010 in der Lage sein wird, David Cameron, den jugendlich wirkenden Chef der Konservativen, zu schlagen. Immer wieder wird daher der 41-jährige Umweltminister David Miliband aufgefordert, gegen Brown anzutreten. Wenn Miliband dies unter Verweis auf die Fähigkeiten Browns ablehnt, fügt er allerdings gerne hinzu, dass er sich "geehrt" oder "geschmeichelt" fühle.
Der Politologe Tim Bale hält es keineswegs für ausgemacht, dass der Konservative Cameron bessere Aussichten hat als Brown. "Labour wird ihn als einen ernsten, zuverlässigen Kandidaten präsentieren, der gegen eine substanzlose und fragwürdige Figur antritt", prophezeit er. Und dies könne auch funktionieren. "Cameron hat sich auf dünnes Eis begeben: Er brauchte die Umweltfrage, um zu zeigen, dass sich seine Partei verändert", sagt Bale. "Aber wenn es um konkrete Maßnahmen geht, kann er damit leicht in Schwierigkeiten geraten."
So griff Brown unlängst Camerons Vorschlag einer Besteuerung von Flügen als "schlecht durchdacht, kurzsichtig, undurchführbar und ungerecht" an. Unterdessen präsentierte sich Labour mit einem Gesetzentwurf, der eine 60-prozentige Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes bis 2050 festschreibt, als oberste Öko-Partei - freilich ohne dabei durch konkrete Maßnahmen die britischen Verbraucher zu verärgern.