Turbulente Zeiten für Felipe VI.
19. Juni 2014"Ausverkauft!" Seit Tagen hat Fran Pérez für die Anrufer bei der kleinen Partei "Republikanische Linke" nur diese Antwort, wenn sie fragen: "Habt Ihr noch Fahnen?" Doch nein, Fahnen der Zweiten Spanischen Republik in den Farben Rot, Gelb und Lila sind längst nirgends in Madrid mehr zu haben. Die Leute wollen sie an die Balkone hängen - aus Protest gegen die schnelle Krönung von Prinz Felipe zum neuen König. Fran Pérez sieht sich bestätigt: Prinz Felipe habe keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Tatsächlich gab es in den letzten Tagen im ganzen Land viele Kundgebungen gegen eine Fortführung der Monarchie. Am Tag der Krönung selbst wird nicht demonstriert - die angekündigten Proteste sind verboten worden.
Im Parlament haben vor allem die beiden großen Volksparteien für eine große Mehrheit zugunsten eines Gesetzes gesorgt, das die Abdankung von Juan Carlos und die Krönung seines Sohnes ermöglicht. Ein Referendum über die Staatsform oder eine Abstimmung über den König, wie viele kleinere Parteien es fordern, sieht das Gesetz nicht vor.
Eile bei der Krönung
Dabei ergeben repräsentative Umfragen: Mehr als 60 Prozent der Spanier würden gerne abstimmen. Allerdings würde das Wahlergebnis die Anhänger der Republik enttäuschen. 49 Prozent würden für die Monarchie und Felipe stimmen, nur 36 Prozent für eine Republik. Felipe ist in den Umfragen heute sogar schon beliebter als sein Vater: Auf der Skala von null bis zehn geben ihm die Spanier 7,3 Punkte.
Fran Pérez glaubt hingegen, dass ein Referendum die Debatte um diese Frage erst richtig eröffnen würde. "Juan Carlos wurde 1978 im Verfassungsreferendum vom Volk bestätigt. Felipe VI. wird uns im Eiltempo innerhalb von nur zwei Wochen diktiert", sagt der Sprecher der Anhänger der Republik. Tatsächlich sei nicht einmal genug Zeit, ausländische Staatsgäste einzuladen, begründet ein Palastsprecher die als "sparsam" angekündigte Krönungszeremonie im Parlament.
Felipe soll Stabilität garantieren
Die Eile hat einen Grund: "Wer die gegenwärtige Staatsform verteidigt, macht das weniger aus Zuneigung zur Monarchie, als aus Sorge um die politische Stabilität", meint Fernando Vallespín, Politologe und Direktor des angesehenen politischen Ortega y Gasset-Instituts. Spaniens Gesellschaft sei im Zuge der wirtschaftlichen auch in eine politische Krise gerutscht. Dies zeigten auch die Europawahlen, wo die großen Volksparteien zusammen nicht einmal mehr die Hälfte der Stimmen bekamen. "Eine Debatte um die Monarchie polarisiert das Land noch weiter, als es im Zuge um die Sezessionsforderungen in Katalonien oder wegen der Wirtschaftskrise sowieso schon ist", befürchtet Vallespín und fügt hinzu: "Wenn ich jetzt für Felipe als König bin, möchte ich uns einfach Probleme ersparen."
Denn politisch stabil ist Spanien trotz der absoluten Mehrheit der konservativen Partido Popular von Regierungschef Mariano Rajoy im Parlament längst nicht mehr. Laut Meinungsumfragen käme heute keine der großen Volksparteien mehr zu einer Regierungsmehrheit. Eigentlicher Star auf der politischen Bühne ist die neue linke Formation "Podemos" ("Wir können"). Sie kam bei den Europawahlen auf knapp acht Prozent. Ihre politischen Gründer kommen aus dem Umfeld von Venezuelas verstorbenem Präsidenten Hugo Chávez, für den sie beratend tätig waren. Sie fordern, dass die Staatsschulden, die sie für "illegitim" halten, nicht mehr bezahlt werden sollen. Zählt man die vielen kleinen Parteien im linken Spektrum zusammen, die solche Forderungen teilen, sind das in etwa 25 Prozent.
Felipe soll Verfassungskonsens wiederherstellen
Eine grundlegende Verfassungsreform sei darum auf jeden Fall nötig, glaubt Politologe Vallespín. Anders ließen sich die Krise um Katalonien und das tiefe Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Parteien nicht mehr lösen, ist er sich sicher. Spanien müsse die Verteilung des politischen Gewichts und der Steuern zwischen dem Zentralstaat neu organisieren, die Sitzverteilung im Parlament müsse stärker dem Wahlergebnis entsprechen. Wenn nach den Parlamentswahlen im nächsten Jahr keine der beiden großen Volksparteien regieren könne, sei eine solche Reform unausweichlich. Dafür brauche man einen großen Verfassungskonsens.
Diesen Konsens wiederherzustellen, ist die große Aufgabe von Felipe VI. Er besteigt den Thron in turbulenten Zeiten, in einem Land, in dem es kaum überzeugte Monarchisten gibt und das Misstrauen gegenüber allen demokratischen Institutionen enorm gewachsen ist. 1978 stimmten die Spanier für die Verfassung und Juan Carlos, weil sie damit für die Demokratie stimmten. Dieses Ass hat Felipe VI. heute nicht in der Hand. Für ihn spricht hingegen die Sehnsucht der Spanier nach politischer Stabilität.