Twitternd durchs Museum
22. Februar 2013Auf den ersten Blick ist an der Führung in der Sammlung Falckenberg in Hamburg Harburg alles wie immer. Einer erzählt - in diesem Fall Betreuerin Britta Peters - und eine Besuchergruppe hört zu: Doch die sieben Männer und Frauen im Alter von 20 bis 50 Jahren schauen sie kaum an, sondern jeder tippt ins eigene Smartphone. Unter #falckentweet können und sollen sie ihre Eindrücke hinterlassen.
Der Meinung freien Lauf lassen
Als Britta Peters vor den ersten Werken steht, tippt Anna gleich mit:
"Ich habe das fotografiert und gesagt, dass mir der Ton der Sammlung gefällt, also im Allgemeinen der Eindruck, den ich bekommen habe." Die 22-Jährige wohnt um die Ecke und geht gern in Ausstellungen. Bei dieser fühlt sie sich besonders wohl: "Sonst gucken die Leute oft so komisch, wenn man in sein Handy tippt, aber hier ist das nicht so." Die handlichen Bildschirme sind hier sogar gerne gesehen.
Im Schnelldurchlauf erklärt Britta Peters die großzügig präsentierten Werke der Sammlung, die auf fünf Stockwerken verteilt sind. Als sie das Modell der imaginären Stadt Kandor des Künstlers Mike Kelley vorstellt, landen die Kommentare der Besucher umgehend als Tweets im Internet. "Kandor ist einfach eine meiner Lieblingsarbeiten." Auch Krankenpfleger René hat schnell einen ersten Kommentar abgesetzt. "Alle Bilder auf 1,82 Meter zu hängen, weil der Sammler so groß ist, finde ich etwas befremdlich, aber auch irgendwie cool." Ganz schön unter Druck fühlt René sich heute, weil er weiß, dass seine Freunde "von draußen" mitverfolgen, was er twittert. Also muss er nicht nur zuhören, sondern auch tippen, fotografieren, senden und hochladen. Er wünscht sich mehr Zeit.
Exklusive Führungen
Denn neben den eigenen Tweets aus der Besuchergruppe können sich über eine Twitterwall auch Nutzer oder Follower von außen zuschalten, kommentieren oder Fragen stellen. So wie Christian Gries. Der Kunsthistoriker hat 2012 das Netzwerk "Kulturkonsorten" gegründet. Er bietet Museen besondere Twitterführungen an, denn es sei wichtig, dass diese gut vorbereitet seien. "Man kann zum Beispiel Schwerpunkte bilden oder den Besuchern auch Dinge zeigen, die sie sonst nicht sehen." Es müsse einen exklusiven Mehrwert geben. Gries ist sicher, dass die Museen durch solche interaktiven Führungen neue Zielgruppen erreichen können. Allerdings sollten sie diese nicht nur als Marketingobjekt sehen. Während der Führung in Hamburg schaltet er sich immer wieder aus München dazu.
Dort geht es weiter nach oben. Gezeigt wird fast alles, ein Schwerpunkt fehlt, auch ein kleines "Extra" ist nicht eingebaut. Britta ist extra aus Berlin angereist. Es ist ihr "erstes Mal". Sie findet es lustig und freut sich, später die Tweets der anderen zu lesen. Sie selbst kommt nämlich gerade nicht ins Internet. Ihr Handy ist zu langsam, und im Museum gibt es keinen freien, schnellen Internetzugang. "Der fehlt meistens", wirft Martin wissend ein. Der sei aber wichtig, um Bilder hochzuladen und um die Datenpakete der Nutzer nicht zu belasten. Er selbst ist nach einer Stunde nur noch schwach dabei, denn sein Handy hat nur noch 16 Prozent Akku. "Eine Aufladestation wäre auch gut", findet er.
Mehr Social statt Virtual
Nach anderthalb Stunden sind alle sichtlich erschöpft vom vielen tippen, gucken, senden und konzentrieren. Aber den Pionieren hat es Spaß gemacht, das zeigen auch die Tweets.
Nur ganz langsam haben die Teilnehmer auch direkt einige Worte miteinander gewechselt. Das bedauert Anna. "Mehr Leute, mit denen man sich austauschen kann, das wäre lustiger gewesen und hätte mehr Spaß gemacht". Denn schließlich sei Twitter ein Social Media, und da gehe es auch um soziale Kontakte und den Austausch von Mensch zu Mensch.
Matthias Schönebäumer von den Hamburger Deichtorhallen, zu denen die Sammlung Falckenberg gehört, hat sich Lob und Kritik angehört und mit den Besuchern diskutiert. Mit der Premiere ist er zufrieden, sieht aber Verbesserungsbedarf: "Wir könnten mehr Schwerpunkte setzen, dann hätten alle mehr Zeit, vielleicht auch um mehr miteinander ins Gespräch zu kommen."
Aber er ist sicher: Es wird weitere Tweetups geben. All das sei eben ein Lernprozess. Einer, der in Deutschland gerade erst begonnen hat.