Türkei plant Militärschlag
17. Oktober 2007Unbeeindruckt von Kritik aus Washington und Brüssel hat das türkische Parlament der eigenen Regierung grünes Licht für Militäreinsätze gegen die kurdische Untergrundorganisation PKK im Irak gegeben. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch (17.10.2007) nach Angaben von Parlamentspräsident Köksal Toptan mit großer Mehrheit dem Regierungsantrag zu. Demnach votierten 526 von insgesamt 550 Abgeordneten für die Truppenentsendung, nur 19 stimmten dagegen.
Unklare Bedingungen
"Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren", sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan laut einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Der Beschluss hat nicht automatisch einen Militäreinsatz jenseits der Grenze zur Folge, kann aber von der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dafür genutzt werden.
Erdogan hatte vor der Abstimmung mehrfach erklärt, das politische Mandat für einen Militäreinsatz bedeute nicht, dass eine Offensive unmittelbar bevorstehe. "Ich hoffe aufrichtig, dass dieses Mandat niemals zum Einsatz kommt", sagte Erdogan am Dienstag. "Die Annahme durch das Parlament bedeutet nicht, dass es sofort eine Militäraktion geben wird. Aber wir werden zur angemessenen Zeit und unter den angemessenen Bedingungen handeln." Wie diese Bedingungen aussehen, ist nicht klar. In dem Antrag heißt es, dass die territoriale Integrität des Irak respektiert werde und sich eine mögliche Intervention nur gegen Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) richte.
Warnung aus Washington
US-Präsident George W. Bush mahnte zur Zurückhaltung. "Es gibt für die Türken bessere Wege, mit dem Problem umzugehen, als massiv Truppen zu entsenden", sagte Bush fast zeitgleich mit dem Parlamentsvotum. "Wir machen den Türken sehr klar, dass eine Truppenentsendung in den Irak unserer Einschätzung nach nicht in ihrem Interesse liegt." Die USA würden weiterhin mit der irakischen und der türkischen Führung über eine Lösung für die Anliegen der Türkei beraten, sagte vor Journalisten in Washington.
Zuvor hatte bereits die NATO von ihrem Verbündeten Zurückhaltung gefordert. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer habe in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül "alle Seiten zu größtmöglicher Zurückhaltung gerade in Zeiten großer Spannungen" aufgerufen, sagte sein Chefsprecher. De Hoop Scheffer habe im Gespräch mit Gül auch Verständnis für den "großen Druck" geäußert, unter dem die Türkei nach den "Verlusten" durch "Terrorangriffe" der PKK stehe.
Angebot aus Bagdad
Kurz vor Beginn der Parlamentssitzung bekräftigte der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki in einem Telefonat mit Erdogan die Bereitschaft, gegen militante kurdische Separatisten in seinem Land vorzugehen. Maliki sicherte Erdogan die "absolute Entschlossenheit" seiner Regierung zu, den "Aktivitäten und der Präsenz der Terrororganisation PKK auf irakischem Territorium" ein Ende zu bereiten.
Maliki habe einen neuen Anlauf zur Lösung der Krise auf diplomatischem Wege vorgeschlagen, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete.
Zudem habe er die autonome kurdische Provinzregierung angewiesen, gegen die PKK vorzugehen. Iraks Vize-Präsident Tarek al-Haschemi zeigte sich nach Gesprächen in Ankara optimistisch, eine befriedigende Lösung des Problems zu erreichen. Dem Irak müsse die Chance gegeben werden, selbst grenzüberschreitende Aktionen kurdischer Separatisten zu verhindern, sagte er.
Druck der Armee
Nach Darstellung Ankaras agieren Kämpfer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vom Irak aus und ziehen sich nach jedem Gefecht dorthin zurück. Die Türkei forderte den Irak und auch die dort stationierten US-Streitkräfte wiederholt auf, die Aktionen der PKK im Grenzgebiet zu stoppen.
Die Türkei wirft den Regierungen in Washington und Bagdad vor, nicht entschlossen genug gegen die etwa 3000 kurdischen Rebellen vorzugehen. Erdogan steht unter großem Druck der Armee, die dort immer wieder aufflammenden Kämpfe zu stoppen. Die türkische Regierung stuft die PKK als terroristische Gruppe ein. Dem schlossen sich auch die USA und die Europäische Union (EU) an. Seit Beginn ihres bewaffneten Kampfes im Südosten der Türkei für einen eigenen Staat im Jahr 1984 sei sie für den Tod von mehr als 30.000 Menschen verantwortlich. (stu)