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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Stausee-Pegel für AKW noch nicht kritisch

9. Juni 2023

Die Kühlung der Brennelemente des Atomkraftwerks Saporischschja ist nach Ansicht der IAEA vorerst gewährleistet. Im Kachowka-Stausee sinkt der Pegel weiter. Nachrichten im Überblick.

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Das Atomkraftwerk Saporischschja mit den Reaktorblöcken
Das Atomkraftwerk Saporischschja mit den Reaktorblöcken Bild: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • IAEA: Stausee-Wasser kühlt AKW Saporischschja weiterhin
  • Wasserstand im Kachowka-Stausee sinkt weiter
  • Laut Putin hat die Ukraine die Gegenoffensive gestartet - Kiew schweigt dazu
  • USA sagen Ukraine weitere Milliarden-Militärhilfe zu
  • Island stellt Botschaftsbetrieb in Russland ein

Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja erhält auch nach der Teilzerstörung des Kachowka-Staudamms aus dessen Reservoir weiterhin Wasser für die Kühlung seiner Brennelemente. Das bestätigte die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA). Eine Prüfung habe ergeben, dass der Pumpvorgang "auch dann fortgesetzt werden kann, wenn der Pegel unter die aktuelle Schwelle von 12,7 Metern fällt", die zuvor als kritisch eingestuft worden war. Die Atomenergiebehörde legte als neuen kritischen Wert einen Pegel von "elf Metern oder sogar darunter" fest.

Dies gebe "uns etwas mehr Zeit, bevor wir möglicherweise auf andere Versorgungsquellen umsteigen müssen", erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi, der dem AKW im Süden der Ukraine kommende Woche erneut einen Besuch abstatten will. Falls erforderlich könne das Atomkraftwerk auf "ein großes Auffangbecken in der Nähe sowie auf kleinere Reserven und Brunnen vor Ort zurückgreifen, die mehrere Monate lang Kühlwasser liefern können", erläuterte Grossi. Dennoch bleibe die Lage "sehr unsicher und potenziell gefährlich", betonte der Argentinier.

Wasserstand sinkt weiter im Kachowka-Stausee

Nach der Zerstörung des Kachowka-Damms im Kriegsgebiet Cherson im Süden der Ukraine sinkt der Wasserpegel im Stausee weiter. Seit der Katastrophe am Dienstag sei der Stand um fast fünf Meter auf
11,7 Meter - Stand Freitagmorgen - gesunken, teilte der staatliche Wasserkraftwerksbetreiber Ukrhydroenergo in Kiew mit. Das Wasser sinke um etwa einen Meter innerhalb von 24 Stunden.

Das Staatsunternehmen wies auch darauf hin, dass die bisher nicht komplett eingestürzte Staumauer weiter berste. Ziel sei es nun, in den oberhalb der Kachowka-Station gelegenen Stauseen das Wasser des Dnipro zu stauen, um Reserven für den Sommer zu haben.

In dem von der Ukraine kontrollierten Teil des Gebiets Cherson sank indes das Hochwasser um 20 Zentimeter im Vergleich zum Donnerstag, wie der ukrainische Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, mitteilte. Der Pegel zeige 5,38 Meter an. 32 Ortschaften und mehr als 3600 Häuser stünden unter Wasser. Mehr als 2000 Menschen und Hunderte Tiere seien in Sicherheit gebracht worden. Vier Menschen kamen nach Angaben des Innenministeriums in den Fluten ums Leben. 13 weitere würden noch vermisst.

Ukraine: Russland ist für Staudamm-Zerstörung verantwortlich

Die ukrainischen Behörden wollen über Beweise verfügen, die belegen, dass Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verantwortlich ist. Es sei ein entsprechendes Telefonat russischer Soldaten mitgeschnitten worden, teilte der ukrainische Geheimdienst mit. Aus ihm gehe hervor, dass der Gegner das Wasserkraftwerk und den Staudamm in der südukrainischen Oblast Cherson gesprengt habe. Der Geheimdienst veröffentlichte den mutmaßlichen Mitschnitt eines eineinhalb Minuten dauernden Telefonats.

Blick auf die überfluteten Straßen von Cherson
Blick auf die überfluteten Straßen von Cherson Bild: Libkos/AP Photo/picture alliance

Dagegen behauptet Russland, der Staudamm sei durch ukrainischen Beschuss zerstört worden. Von unabhängiger Seite können die Angaben nicht überprüft werden. 

US-Spionage-Satelliten erfassten Explosion an Staudamm

US-Spionage-Satelliten haben laut einem Zeitungsbericht kurz vor dem Bruch des Kachowka-Staudamms eine Explosion dort festgehalten. Die Satelliten hätten mit Infrarotsensoren eine Wärmesignatur entdeckt, die auf eine größere Explosion hindeutete, sagt ein US-Regierungsvertreter der "New York Times". Zwar gingen Analysten des US-Geheimdienstes davon aus, dass Russland hinter der Zerstörung des Damms stecke. Es lägen jedoch keine belastbaren Beweise vor.

Auch das norwegische seismologische Institut NORSAR hat eine Explosion am Kachowka-Staudamm zum Zeitpunkt seiner Zerstörung festgestellt. "Wir sind sicher, dass es eine Explosion gab", sagte NORSAR-Chef Ben Dando der Nachrichtenagentur AFP.

Laut Putin hat die Ukraine die Gegenoffensive gestartet - Kiew schweigt dazu

Die lang erwartete Gegenoffensive der Ukraine hat nach Darstellung des russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnen. "Wir können mit Sicherheit sagen, dass diese Offensive begonnen hat", sagte Putin der Agentur Interfax zufolge vor Journalisten in Sotschi. Außerdem behauptete er, die Ukrainer hätten an keinem Frontabschnitt ihre Ziele erreicht. Allerdings fällt insbesondere die russische Seite seit Kriegsbeginn immer wieder durch militärische Falschaussagen auf.

Die ukrainische Führung hält sich bedeckt. Allerdings hat Kiew auch immer wieder betont, dass es sich nicht zum Beginn der eigenen Offensive äußern werde. Zuvor hatten beide Seiten schwere Gefechte insbesondere im Osten der Ukraine in den Regionen Donezk und Saporischschja gemeldet. Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar sprach von russischen Angriffen, die abgewehrt würden.

Selenskyj: "Terroristen" attackieren Rettungskräfte

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, die nach der Zerstörung des Staudamms entstandene humanitäre Katastrophe noch zu verschlimmern. "Russische Terroristen" beschössen Rettungskräfte und Evakuierungspunkte, berichtete Selenskyj in einer Videoansprache. Entsprechende Videos waren am Donnerstag in den Medien aufgetaucht.

Ukraine | Krieg | Kahovka Dammbruch
Von Wassermassen eingeschlossen: Bewohnerin von Cherson Bild: Igor Burdyga/DW

Selenskyj ging auch auf das Trinkwasserproblem durch die Leerung des Stausees und die Verschmutzung des Grundwassers ein. Es könne Unbequemlichkeiten geben, aber die Versorgung mit Trinkwasser werde gesichert, versprach der 45-Jährige. "Die Entscheidungen dafür sind da, die Ressourcen sind da, das Geld ist da."

Rotes Kreuz weist Kritik des Präsidenten zurück

Das Rote Kreuz hat den Vorwurf des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj zurückgewiesen, die Hilfsorganisation mache zu wenig für die Menschen in den Überschwemmungsgebieten. "Natürlich sind wir schon da, waren schon da", sagte der Generalsekretär des deutschen Ablegers DRK, Christian Reuter, dem TV-Sender Welt.

"Aktuell versuchen gerade über 70 Freiwillige des ukrainischen Roten Kreuzes, Menschen aus den Flutmassen zu retten." Insgesamt seien mehrere Hundert Kräfte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in der Ukraine im Einsatz. "Also dass wir nichts machen, ist sicherlich definitiv nicht der Fall", betonte Reuter.

An diesem Freitag startete ein erster Hilfstransport aus Deutschland mit Gütern für die Menschen in den von der Flutwelle betroffenen Gebieten, wie eine DRK-Sprecherin mitteilte. Geladen seien 34 Paletten mit etwa 13,3 Tonnen Hilfsgütern wie 5400 Zehn-Liter-Trinkwasserkanistern und 1000 Hygiene-Kits. Weitere Hilfsmaßnahmen für die Region würden vorbereitet. Dafür rief das DRK zu Spenden auf.

USA sagen Ukraine weitere Milliarden-Militärhilfe zu

Das Rüstungspaket hat einem Umfang von 2,1 Milliarden US-Dollar. Darin enthalten ist nach Pentagon-Angaben unter anderem zusätzliche Munition für diverse Waffensysteme, die die USA bereits an die Ukraine geliefert haben, wie das Patriot-Luftabwehrsystem und das Flugabwehrsysteme vom Typ Hawk.

Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion und stellten in den vergangenen Monaten in kurzer Abfolge Pakete mit militärischer Ausrüstung in gewaltigem Umfang bereit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Washington haben die USA seit Kriegsbeginn militärische Hilfe im Umfang von mehr als 39,7 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt oder zugesagt.

Russland droht wieder mit Ende des Getreide-Deals 

Die russische Führung hat ein weiteres Mal mit einem Ende des von den Vereinten Nationen (UN) und der Türkei vermittelten Abkommens gedroht, das trotz des Krieges in der Ukraine Ausfuhren von Getreide und Ölsaaten über das Schwarze Meer ermöglicht. Russland setze zwar die Beratungen mit den UN fort, sagt der russische Botschafter in der Türkei laut der Nachrichtenagentur RIA. Für eine Verlängerung der Vereinbarung gebe es aber keine Grundlage. Wenn der Kreml sich weiter sperren sollte, würde das Abkommen im Juli auslaufen. 

Das britische Verteidigungsministerium berichtet unter Hinweis auf den Geheimdienst, Russland behindere schon jetzt die ukrainischen Getreideexperte durch die absichtliche Verlangsamung der Kontrollen. Derzeit würden nur ein oder zwei Schiffe pro Tag überprüft - im Herbst vergangenen Jahres seien es hingegen zwischen sechs und acht Schiffen gewesen.  

"Russland versucht wahrscheinlich Zugeständnisse zu erreichen hinsichtlich der Wiederöffnung der Toljatti-Odessa-Pipeline, über die Russland Ammoniak durch die Ukraine via Odessa exportiert", heißt es in der Mitteilung der Briten weiter. Dass die Pipeline in den vergangenen Tagen beschädigt worden und derzeit nicht in Betrieb sei, mache die Situation komplizierter. 

Botschafterin Deutschlands verurteilt Luftangriffe

Deutschlands Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, betrachtet die russischen Luftangriffe auf die ukrainische Hauptstadt "definitiv als Terror". Ihrer Ansicht nach brechen die Attacken den ukrainischen Kampfwillen jedoch nicht. "Hier lässt sich trotz manchmal auftauchender Müdigkeit niemand mürbe machen", sagte Feldhusen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Ukraine Kiew | Angriffe | Luftabwehr
Effektiv: Luftabwehr über Kiew (Archivfoto)Bild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/picture alliance

Die Luftabwehr in der ukrainischen Hauptstadt sei sehr wirkungsvoll, berichtete die Diplomatin. "Kiew wird meist von Marschflugkörpern und Drohnen angegriffen, dagegen ist die ukrainische Luftverteidigung schon seit Januar wirklich fast zu 100 Prozent effektiv. Das heißt, die Angst, dass wirklich eine Rakete einschlägt, ist gar nicht so groß." Dennoch würden aber Menschen durch herabfallende Trümmerteile der abgeschossenen Raketen verletzt oder getötet. Deutschland unterstützt die Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffs auch mit Flugabwehrsystemen.

Island stellt Botschaftsbetrieb in Russland ein

Island stellt ab dem 1. August den Betrieb seiner Botschaft in der russischen Hauptstadt Moskau ein. Die Beziehungen zu Russland befänden sich auf einem historischen Tiefstand, teilte Außenministerin Thórdís Kolbrún Gylfadóttir mit. Die Aufrechterhaltung des Botschaftsbetriebs lasse sich daher nicht länger rechtfertigen. Es sei sinnlos, unter den gegenwärtigen Umständen eine isländische Botschaft in Russland zu betreiben. Ihr Ministerium betonte, der Schritt stelle keinen Abbruch der diplomatischen Beziehungen dar. Sobald die Bedingungen es zuließen, werde Island der Wiederaufnahme des Botschaftsbetriebs in Moskau Priorität einräumen. Dies hänge aber von den Entscheidungen ab, die der Kreml treffe. Außerdem forderte Gylfadóttir Russland auf, seinen Botschaftsbetrieb in der isländischen Hauptstadt Reykjavik einzuschränken.

Biden und Sunak setzen auf Hilfe und Abschreckung

Die USA und Großbritannien haben ihre langfristige Unterstützung für die Ukraine bekräftigt. Kremlchef Wladimir Putin glaube, die Allianz würde müde werden und aufgeben, sagte der britische Premierminister Rishi Sunak bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington. "Aber das ist nicht der Fall." Man werde solange für die Ukraine da sein, wie es nötig sei.

US-Präsident Joe Biden erklärte, man setze auch auf langfristige Unterstützung zur "Abschreckung künftiger Aggressionen". Man gebe der von Russland angegriffenen Ukraine, was sie jetzt auf dem Schlachtfeld benötige, und helfe, deren Militär langfristig zu stärken.

Justiz bestätigt Einreiseverbot für Ex-F1-Pilot Masepin

Die Rückkehr des russischen Rennfahrers Nikita Masepin in die Formel 1 wird immer unwahrscheinlicher. Die britische Justiz bestätigte ein Einreiseverbot für den 24-Jährigen, dessen Vertrag beim US-Rennstall Haas kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine aufgelöst worden war. Masepin, einst Teamkollege des Deutschen Mick Schumacher, und sein Vater waren anschließend von der EU auf ihre Sanktionsliste gesetzt worden.

hf/qu/se/AR/wa/fw (dpa, afp, rtr, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.