Umstrittener Retter in der Not
14. Juni 2017Seit sieben Monaten hat Kostas Papadis kein Gehalt mehr bekommen. Trotzdem arbeitet der Politjournalist weiterhin nach Kräften für die Athener Sonntagszeitung To Vima. Seine 400 Kollegen, ebenfalls unbezahlt beschäftigt, haben ihn zum Vertreter und Ansprechpartner für die Gewerkschaften gewählt. In dieser Funktion hat der Politjournalist einiges zu verarbeiten: Das chronisch überschuldete Medienhaus DOL, das unter anderem To Vima herausgibt, wurde in der vergangenen Woche nach einem Auktionsverfahren für knapp 23 Millionen Euro an den Reeder und Fußball-Tycoon Evangelos Marinakis verkauft.
Es war eine Notlösung mit Tücken und arbeitsrechtlichen Risiken. "Im Prinzip geht es hier um eine Liquidation bei laufendem Geschäftsbetrieb, die in dieser Form in Griechenland noch nie stattgefunden hat und vermutlich auch für andere, hoch verschuldete Verlage Modellcharakter hat", erklärt Papadis im Gespräch mit der DW.
Investor bekommt freie Hand
Das umstrittene Insolvenzverfahren trägt die Unterschrift des ehemaligen konservativen Justizministers Nikos Dendias. Es hat immerhin den Vorteil, dass der DOL-Verlag, trotz seiner immensen Schulden, keine ausdrückliche Insolvenz beantragt und daher nicht massiv an Wert verliert. Für die Arbeitnehmer gäbe es allerdings handfeste Nachteile, klagt Papadis. Der neue Eigentümer sei nämlich nicht verpflichtet, die ganze Belegschaft zu übernehmen. Bei Entlassungen müsste er nicht einmal die vorgesehene Abfindung in voller Höhe auszahlen. Mit anderen Worten: "Der Investor übernimmt den Verlag, ohne seine Altlasten tragen zu müssen", sagt der Polit-Reporter.
Zum DOL-Medienhaus gehören, neben To Vima, die auflagenstärkste Athener Zeitung Ta Nea, ein Radiosender, attraktive Immobilien und mehrere Nachrichtenportale. Dazu kommt eine 20-Prozent-Beteiligung am einst führenden griechischen TV-Sender Meg-Channel, der ebenfalls von Schulden erdrückt wird und seit über einem Jahr kein Nachrichtenprogramm mehr sendet.
Eine neue Generation von Business-Tycoons
Dass Reeder Evangelos Marinakis nun den Zuschlag bekommt und den DOL-Verlag übernimmt, ist eine Überraschung. Im Vorfeld hatten Athener Medien berichtet, der griechisch-russische Unternehmer Ivan Savidis sei bereit, über 20 Millionen Euro zu investieren, um diese Medienschlacht für sich zu entscheiden. Schon heute besitzt Savidis ein Minderheits-Aktienpaket des Privatsenders Mega-Channel. Mit dem Einstieg in den DOL-Verlag würde er zu einem mächtigen Spieler im TV-Geschäft. Doch Savidis beschränkte sich auf ein bescheidenes Angebot in Höhe von elf Millionen Euro und ließ seinen Gegenspieler Marinakis gewähren. Möglicherweise war Savidis deshalb zurückhaltend, weil er von der Öffentlichkeit kritisch beobachtet wird - wegen angeblich guter Beziehungen zu Wladimir Putin, aber auch zur linken Regierung in Athen.
Marinakis ist nicht weniger umstritten - allerdings aus ganz anderen Gründen: Gegen den Eigentümer des Dauerfußballmeisters Olympiakos Piräus läuft ein Gerichtsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Erpressung und Bestechung. Seit 2001 ermitteln die Justizbehörden gegen den 49-Jährigen und vermuten, dass er ein Netzwerk aus Schiedsrichtern und Staatsbeamten nutzt, um seine Dominanz im Fußballgeschäft zu sichern. Im September 2016 ließ ein Richter verlauten, er wolle Untersuchungshaft gegen Marinakis anordnen - worauf ihn der Reeder beschuldigte, er führe Befehle aus. Wer diese Befehle erteilt haben soll, wollte er nicht verraten.
Keine Gewinne in Aussicht
Marinakis, der laut Lloyd´s schon längst in die Liga der 100 mächtigsten Reeder der Welt vorgerückt ist und derzeit auf Platz 65 liegt, weist den Verdacht der Einflussnahme auf die Politik weit von sich. In einem seltenen Interview sagte er: "Mit dem Staat mache ich keine Geschäfte und will auch künftig keine Geschäfte machen. Deshalb kann ich nicht der Berlusconi Griechenlands werden und ich will es auch nicht werden".
Ausgerechnet der Wochenzeitung To Vima, die er jetzt kauft, gewährte Marinakis damals das Interview. Was halten die Redakteure dort von ihrem neuen Arbeitgeber, der wohl keinen Gewinn von seiner millionenschweren Investition in den DOL-Verlag erwarten darf? Kostas Papadis sieht die Lage pragmatisch. Die angebliche Verflechtung von Wirtschafts- und Politik-Interessen sei ein Aspekt, den man ernst nehme, sagt er. Doch im Moment sei etwas anderes wichtig: "Dass sich jemand findet, der den Laden wirklich stützen und aufrechterhalten kann. Alles andere werden wir sehen, wir haben ja schon einiges erlebt in diesem Haus."
Sinn für das Geschäftliche
Für den Geschäftsmann Marinakis spricht immerhin, dass er ausgerechnet in der Geldvernichtungsmaschine Fußball kaum Geld verliert. Mit einer raffinierten Transferpolitik schafft er es immer wieder, junge oder anscheinend ausrangierte Spieler billig zu kaufen und teurer weiterzuverkaufen - am liebsten ins Ausland. So holte er beispielsweise 2007 den in Mönchengladbach aufgewachsenen Stürmer Kostas Mitroglou nach Piräus für rund 200.000 Euro. Mitroglou entwickelte sich zum Star und wechselte 2014 für die Rekordsumme von 15 Millionen zum britischen Club Fulham FC. Leider konnte er dort kaum Fuß fassen und kehrte bald nach Piräus zurück - allerdings auf Leihbasis. 2016 hat auch der britische Club mitverdient, als Mitroglou erneut zu Benfica Lissabon wechselte. Typisch Marinakis.