Chinas neue "Wirtschaftskolonie"?
20. April 2015Er selbst beschrieb es im Vorfeld als "Heimkehr": Für zwei Tage reist Chinas Staatspräsident Xi Jinping nach Pakistan - und die Begeisterung darüber im Land ist außergewöhnlich. Riesige Portraits wurden überall in der Hauptstadt Islamabad aufgehängt. Banner, die die ewige chinesisch-pakistanische Freundschaft preisen, zieren die Stadt.
Als Xi am 20. April einflog, begleiteten pakistanische Kampfjets seinen Flieger. Am Flughafen wurde er mit militärischen Ehren empfangen - und von der höchsten politischen Riege des Landes: Premierminister Nawaz Sharif und Präsident Mamnoon Hussain gemeinsam mit Armeechef Raheel Sharif und einer Reihe Minister.
Was aber ist so besonders an Xis Besuch? Experten zufolge benötigt Pakistan dringend wirtschaftliche und geopolitische Hilfe. Beides scheint bitter zu fehlen, seit die US-Truppen aus Afghanistan abgezogen sind und Washington weniger Interesse an der Region zeigt, speziell an Pakistan.
Ein Wirtschafts-Bündnis mit der Supermacht
Und Peking scheint klar gewillt, den Platz der Amerikaner einzunehmen. Es ist geplant, dass Xi während seines Aufenthalts in Pakistan Verträge für Energie- und Infrastrukturprojekte im Wert von 46 Milliarden US-Dollar (knapp 43 Milliarden Euro) unterzeichnet. Diese sollen Pakistans Wirtschaft wieder in Schwung bringen und Arbeitsplätze schaffen. Peking wird außerdem voraussichtlich acht U-Boote an die Regierung in Islamabad verkaufen. Und der Besuch soll den bilateralen Handel weiter antreiben, der bereits von vier Milliarden US-Dollar (3,7 Milliarden Euro) im Jahr 2007 auf rund 10 Milliarden US-Dollar (9,3 Milliarden Euro) angewachsen ist.
Doch das chinesische Investment in Pakistan hat seinen Preis: Peking plant mit dem chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) seinen Einfluss in Pakistan sowie der ganzen zentral- und südasiatischen Region auszubauen, um so den Amerikanern und Indern etwas entgegen zu setzen. CPEC würde den pakistanischen Tiefseehafen Gwadar im Persischen Golf mit der westchinesischen Region Xinjiang verbinden. Damit könnten Öllieferungen aus dem Mittleren Osten China schneller erreichen, und das Land bekäme einen strategischen Zugang zum Indischen Ozean.
"Pakistan weiß, dass China in zehn Jahren die zentrale Supermacht sein wird", sagt Ali Shah, Wissenschaftler im pakistanischen Karachi, der DW. "Islamabad nähert sich deshalb Peking an, während das Bündnis mit Washington langsam und Schritt für Schritt in den Hintergrund rückt."
Ausgeliefert für 46 Milliarden US-Dollar
"Obwohl die Rhetorik, die die Verbindung der beiden Seiten beschreibt, oft übertrieben klingt - 'Freunde bei jedem Wetter', 'tiefer als der tiefste Ozean', 'süßer als Honig' - zeigt sie doch auch die Beschaffenheit dieser Beziehung, die die einzig echte Freundschaft ist, die jede Seite jeweils hat“, urteilt Andrew Small, US-amerikanischer China-Experte und Autor des Buches "The China-Pakistan Axis - Asia's New Geopolitics".
"Gegründet auf der gemeinsamen Feindschaft zu Indien, geht diese Beziehung in mancher Hinsicht tiefer als offizielle Bündnisse - insbesondere wenn es um nukleare Zusammenarbeit geht. Und sie hat sich als bemerkenswert beständig gezeigt angesichts der dramatischen wirtschaftlichen und geopolitischen Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten", sagt Small.
China ist für Pakistan wichtiger als jemals zuvor, meint auch Entwicklungsanalyst Maqsood Ahmad Jan: "Islamabad hat keine andere Möglichkeit, als die Zusammenarbeit mit Peking zu intensivieren und das zu tun, was gefordert wird”, sagt er im Gespräch mit der DW. "Saudi Arabien kann kein so großer Investor sein wie die Chinesen. Die USA sind kein verlässlicher Partner. Und die pakistanische Regierung braucht dringend Geld."
Aus seiner Sicht hat sich Pakistan den Chinesen für 46 Milliarden Dollar ausgeliefert: "Die chinesische Hilfe gibt es nicht umsonst, denke ich. Die pakistanische Wirtschaft ist nicht so groß, so dass Peking jetzt die meisten unserer Sektoren, die Einkommen generieren, übernehmen wird", befürchtet Jan.
Ahsan Iqbal sieht das als pakistanischer Entwicklungsminister naturgemäß anders. Er glaubt, dass sein Land von dem Deal mit China profitieren wird: "Die eigentliche Chance des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors liegt darin, dass es den Kern der Beziehung von der Geopolitik zur Geowirtschaft ändert", sagte Iqbal gegenüber Journalisten und fügte hinzu, dass die geplanten Projekte die pakistanische Wirtschaft maßgeblich verändern würden.
Analyst Jan sieht das ähnlich - und doch ganz anders: "Die Vereinbarung macht uns vielmehr zu einer chinesischen Kolonie."
"Der gefährlichste Ort für einen Chinesen"
Der verzwickteste Teil der chinesisch-pakistanischen Beziehung ist jedoch die Umsetzung der geplanten Wirtschaftsprojekte. Größte Hindernisse sind die islamistischen Milizen und ein langwieriger Konflikt mit Separatisten in Pakistans Unruheprovinz Balutschistan, durch die CPEC führen soll.
"Chinesische Investitionen wurden bislang durch die Instabilität und die Gefährdung von Arbeitern beschränkt. Aus mancher Sicht ist Pakistan sogar der gefährlichste Ort für einen Chinesen", sagt Small. So fürchtet die Regierung in Peking, dass die Taliban und Al-Kaida oder ihnen angegliederte Gruppen Muslime zu Attentaten anstiften.
Mehrmals wurden chinesische Bürger bereits Opfer von Anschlägen der Taliban in Pakistan. 2013 wurden drei chinesische Touristen in der Bergregion von Nanga Parbat getötet - ein großes Problem für die pakistanischen Behörden. Wiederholt haben die Chinesen deshalb die pakistanische Regierung aufgefordert, ihren Einfluss auf die Taliban geltend zu machen, um Unruhen zu unterdrücken. Bislang jedoch ohne großen Erfolg.