Die Bundeswehr soll wieder wachsen
10. Mai 2016Um 14.300 Soldaten soll die Bundeswehr bis 2023 wachsen - das ist die Zielmarke, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) anstrebt. "Die Bundeswehr ist in den vergangenen Monaten gefordert gewesen wie selten zuvor", begründete von der Leyen die geplante Aufstockung, und zwar durch neue Auslandseinsätze, die Rettung von Flüchtlingen auf hoher See und Aufgaben in der Nato.
"Starre Obergrenzen" beim Personal seien da nicht mehr zeitgemäß, sagte von der Leyen, deren Stab sich lange über das Personaltableau gebeugt und gerechnet hat. Neben den 14.300 Soldaten, die zusätzlich gebraucht würden, will die Bundeswehr in den kommenden sieben Jahren 4.400 Zivilangestellte mehr beschäftigen.
"Atmender Personalkörper"
Diese Zahlen sind aber nicht in Stein gemeißelt - der Bedarf soll jährlich durch ein neues "Personalboard" überprüft und angepasst werden. Damit werde die Bundeswehr zum "atmenden Personalkörper", sagte die Ministerin, deren großes Ziel es ist, die Streitkräfte im Ganzen zu modernisieren. Mehr Geld, besseres Material und eine flexiblere Personalpolitik - das sind die Grundpfeiler ihrer Strategie.
Dass die Truppe überhaupt wieder größer werden soll, ist bemerkenswert: Seit einem Vierteljahrhundert schrumpft die Bundeswehr, die kurz nach der Wiedervereinigung noch insgesamt 800.000 Beschäftigte hatte, Soldaten und Zivilangestellte. Seither ging es steil bergab mit dem Personalbestand, bis 2011 die Obergrenze festgeschrieben wurde, die heute noch gilt: Mehr als 185.000 Soldaten brauche die Bundesrepublik Deutschland nicht, lautete der Konsens nach der Abschaffung der Wehrpflicht.
Mangel an Spezialisten
Tatsächlich liegt die Zahl der Soldaten derzeit bei nur 177.000. Damit scheint für das Verteidigungsministerium eine Schmerzgrenze erreicht zu sein. Es fehlen Spezialisten für die Cyber-Abwehr, ebenso Fachärzte, Sanitäter und Luftbildauswerter, um nur einige zu nennen - um sie will sich die Bundeswehr besonders bemühen oder sie selbst ausbilden.
Der Mangel an Spezialisten ist schon länger ein großes Problem für die Bundeswehr, die bei der Suche nach qualifiziertem Nachwuchs mit der Wirtschaft konkurriert und dabei oft den Kürzeren zieht. Daher rechnet von der Leyen auch nicht damit, alle zusätzlich benötigten Soldaten auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen. Vielmehr will sie nur 7.000 Soldaten neu einstellen und 5.000 in der Bundeswehr selbst suchen. Für 2.300 Stellen ist noch nicht klar, wie das Personal dafür gefunden werden soll.
Dabei denkt sie an erfahrene Soldaten, die weiter beschäftigt werden, auch wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Für freiwillig Wehrdienstleistende sollen neue Dienstposten geschaffen werden - viele von ihnen haben bisher keine klar definierte Aufgabe. Und künftig wird zweimal hingeschaut, bevor ein Dienstposten ersatzlos gestrichen wird. Dennoch wird das neue Soll angesichts kleiner werdender Jahrgänge schwer zu erreichen sein, zumindest bei den Soldaten. Bei den Zivilangestellten sieht das Ministerium hingegen kein Problem darin, 4.400 neue Stellen bis 2023 zu besetzen.
"Realitätsferne Planung"
Kann die Aufhebung der Obergrenze die Personalprobleme der Bundeswehr lösen? Nein, meint die Opposition im Bundestag. "Wer mehr deutsche Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik nur blind in mehr Einsätze der Bundeswehr übersetzt, darf sich nicht wundern, wenn die Belastung irgendwann zu groß wird", kritisierte Agnieszka Brugger, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Angesichts des demografischen Wandels und des fehlenden finanziellen Spielraums sei völlig unklar, woher das zusätzliche Personal überhaupt kommen solle. "Das Scheitern dieser realitätsfernen Personalaufstockung ist vorprogrammiert", sagte Brugger.
Ähnlich argumentiert die Linke. Die Bundeswehr brauche nicht mehr Soldaten, sagte Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. "Personal fehlt in der Bundeswehr jetzt deshalb, weil sich Frau von der Leyen bei jeder Gelegenheit nach vorne drängelt, um deutsche Soldaten in Kriegsgebiete oder in Nato-Manöver am östlichen Rand des Bündnisgebiets zu bringen." Das Problem sei nicht die Größe der Armee, betonte Buchholz, sondern ihre grundlegend falsche Ausrichtung.