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Urteil im Fall Ingabire verschoben

Hilke Fischer2. Juli 2012

Über den Fall der ruandischen Oppositionsführerin Victoire Ingabire will der Oberste Gerichtshof nun erst am 7. September entscheiden. Ihr Fall zeigt, dass in Ruanda Kritik an der Regierung unerwünscht ist.

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Victoire Ingabire (Foto: ddp images/AP/Shant Fabricatorian)
Bild: AP

Die Anklage hat es in sich: Leugnung des Genozids, finanzielle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Gefährdung der nationalen Sicherheit, Anstiftung zur Auflehnung gegen den Staat. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb eine lebenslange Haftstrafe für die ruandische Oppositionsführerin Victoire Ingabire gefordert. "Wir haben diese Strafe gefordert, weil das Gesetz sie vorsieht und Frau Ingabire die Beweise, die wir gegen sie vorgebracht haben, nicht widerlegen konnte", sagt Alain Mukuralinda, Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Am Freitag (29.06.2012) kam das Gericht zusammen, um über den Fall zu urteilen. Statt dessen entschied der oberste Gerichtshof jedoch, die Urteilsverkündung auf den 7. September zu vertagen. Die Richter benötigten noch mehr Zeit, sich zu beraten, hieß es zur Erklärung.

Ingabire und ihre Anwälte plädieren auf Freispruch. Eugene Ndahayo, der frühere Vizepräsident ihrer Partei "Vereinte Demokratische Kräfte", kurz FDU-Inkingi, unterstützt die Forderung. "Die Anschuldigungen sind vom Regime frei erfunden. Sie wollten bloß Gründe finden, sie ins Gefängnis stecken zu können", mutmaßt er.

Victoire Ingabire (links) und ihr Anwalt (Foto: Shant Fabricatorian/AP/dapd)
Oppositionsführerin Ingabire vor GerichtBild: dapd

Keine Unabhängigkeit bei politischen Prozessen

Ingabire selbst begreift die Anklage als politisch motiviert. Im April erklärte sie, dass sie und ihre Anwälte von nun an den Prozess boykottieren würden. Sie habe das Vertrauen in das ruandische Rechtssystem verloren, schrieb sie in einer Erklärung. Zeugen seien eingeschüchtert worden, die Medien gegen sie aufgehetzt. Die Exekutive würde sich zu stark in die Befugnisse der Judikative einmischen. Deshalb fürchtet sie, dass sich die Richter nicht trauen, ein unabhängiges Urteil zu fällen.

Auch Carina Tertsakian von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezweifelt die Unabhängigkeit des Gerichts. Sie berichtet, dass die Regierung alle Institutionen im Land stark kontrolliere - inklusive der Judikative. "In weniger politischen Fällen werden einige der Prozesse ganz gut geführt", sagt sie. "Aber bei den brisanten politischen Fällen sieht man wirklich, dass die Regierung ihre Finger mit im Spiel hat."

Keine Chance für Kritiker bei der Präsidentschaftswahl

Ingabire gilt als scharfe Kritikerin des ruandischen Präsidenten Paul Kagame. Anfang 2010 kehrte sie nach 16 Jahren im Exil in den Niederlanden zurück in ihr Heimatland, um bei den Präsidentschaftswahlen gegen Kagame anzutreten. Ihre Partei wurde jedoch nie zur Wahl zugelassen. Stattdessen wurde Ingabire verhaftet.

Die harte Hand des Regimes traf nicht nur Ingabires FDU-Inkingi: Keine der drei wichtigsten Oppositionsparteien konnte an der Wahl teilnehmen. Präsident Kagame gewann die Wahl mit 93 Prozent der Stimmen. Neben der FDU-Inkingi verwehrten die Behörden auch der “Democratic Green Party“ die Registrierung. Wenige Monate vor der Wahl wurde deren Partei-Vize ermordet, der Partei-Vorsitzende floh daraufhin ins Exil.

Ruandas Präsident Paul Kagame
Präsident Kagame: Kritik an der Regierung ist tabuBild: picture-alliance/dpa

Der ehemalige Führer der dritten einflussreichen Oppositionspartei, Bernard Ntaganda, sitzt seit dem Wahljahr 2010 im Gefängnis. Ihn hatte das Gericht wegen "genozidaler Ideologie" verurteilt - auch einer der Anklagepunkte gegen Ingabire. Sie hatte nach ihrer Rückkehr aus dem Exil gefordert, dass auch der Massaker an der Hutu-Bevölkerung gedacht werden soll und diese Verbrechen juristisch aufgearbeitet werden müssten. Seit 2008 gibt es ein umstrittenes Genozid-Gesetz. Der Gesetzestext ist jedoch sehr vage formuliert, kritisiert Menschenrechtlerin Tertsakian. "Im Grunde kann man für jegliche Bemerkung, die als Anstiftung zu ethnischer Spaltung interpretiert werden könnte, der genozidalen Ideologie angeklagt werden."

Auf internationalen Druck hin wird das Gesetz gerade überarbeitet. Die Änderungen sind jedoch noch nicht in Kraft getreten.

Vorwurf der Unterstützung von Rebellen

Im Fall von Ingabire geht es, anders als bei anderen Oppositionellen, jedoch nicht nur um den Vorwurf, den Genozid geleugnet und die Regierung kritisiert zu haben. Mukuralinda, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, sieht es darüber hinaus als erwiesen an, dass sie die Hutu-Rebellengruppe "Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas", kurz FDLR, finanziell unterstützt hat: "Es gibt Dokumente, die in unterschiedlichen Banken beschlagnahmt wurden und die beweisen, dass ein Geldstransfer stattgefunden hat."

Gegenüber der deutschen Tageszeitung "taz" gab Ingabire zu, sich mit Ignace Murwanashyaka, dem Anführer der in der Demokratischen Republik Kongo operierenden Rebellenorganisation, getroffen zu haben. Murwanashyaka habe ihr gesagt, dass man die Probleme in Ruanda nicht ohne Kampf lösen könne. Sie selbst widerspricht jedoch dem Vorwurf, terroristische Aktivitäten geplant zu haben.

Bewaffnetes Rebellenmitglied (Foto: EPA/LUCAS DOLEGA dpa)
Vorwurf: Unterstützung der FDLR-RebellenBild: picture-alliance/dpa

Schuldspruch bereits vor dem Urteil

Carina Tertsakian von Human Rights Watch setzt bezüglich des anstehenden Urteils gegen Ingabire wenig Hoffnung in das ruandische Rechtssystem. "Es würde mich sehr wundern, wenn sie nicht schuldig gesprochen wird", so Tertsakian. Die Annahme, dass sie schuldig sei, habe von Seiten der Regierung von Anfang an im Raum gestanden. Nicht nur Offizielle der Staatsanwaltschaft hätten sich sehr kritisch ihr gegenüber geäußert. "Es ist so, als wäre sie bereits schuldig gesprochen worden, noch bevor ihr Verfahren überhaupt begonnen hat."