Venezuela Gold
20. August 2011Venezolanische Goldbarren im Wert von 7,8 Milliarden Euro (elf Milliarden US-Dollar), die in Banken in den USA und in Europa eingelagert sind, sollen nach Chávez' Willen teilweise in "verbündete Staaten" wie China, Brasilien und Russland verbracht werden. Ein anderer Teil des Edelmetalls soll nach Venezuela zurückgebracht werden. Mit dieser Maßnahme will der Präsident nach eigenem Bekunden die Reserven vor den Auswirkungen der globalen Finanzkrise schützen.
"Wir werden unser Gold in die Zentralbank zurückbringen", so Chávez in einem Telefonat mit Kabinettsmitgliedern in dieser Woche. Doch hinter der Entscheidung des venezolanischen Staatschefs, die auch die Verstaatlichung der Goldproduktion beinhaltet, stecken allem Anschein nach vor allem innenpolitische Gründe.
"Chávez merkt, dass seine internationale Ölpolitik und die Suche nach weiteren Verbündeten in letzter Zeit kaum noch Erfolge erzielt haben. Außerdem steht der Wahlkampf 2012 bevor, und dafür wird er viel Geld benötigen", so Klaus Bodemer vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Was also bedeutet dieser neue Schachzug des einst so charismatischen, heute gesundheitlich schwer angeschlagenen Präsidenten?
Geopolitische Strategie
Das Gold aus "dem Norden" zurückzuholen, sei eine "vernünftige Maßnahme", rechtfertigt Präsident Chávez seine Entscheidung und verweist auf die Wirtschafts- und Finanzkrise in den USA und in Europa. Hingegen seien Verbündete wie China, Russland und Brasilien sichere Häfen. Die venezolanischen Goldreserven im Ausland belaufen sich auf einen Gesamtwert von 7,8 Milliarden Euro. Allein in Großbritannien lagern 99,21 Tonnen Gold im Wert von 3,2 Milliarden Euro. Geringere Mengen im Wert von jeweils mehreren hundert Millionen Euro hat Venezuela seit den achtziger Jahren in Kanada, den USA und Frankreich eingelagert.
Chávez "verfolgt geopolitische Interessen gegenüber seinen Verbündeten", so Klaus Bodemer gegenüber DW-WORLD.DE. "Und aus seiner Logik heraus ist das auch verständlich." Die Eurokrise und die drohende Rezession in den USA werte er als Beweis für die Instabilität dieser Regionen. Aber mit seiner Rückholaktion löse Chávez keine strukturellen Wirtschaftsprobleme. "Mit seiner Strategie will er vielmehr die Aufmerksamkeit von den Problemen in Venezuela weglenken", urteilt der Hamburger Lateinamerika-Experte.
Präsidentschaftskandidatur hat Vorrang
Nach zwei Krisenjahren beginnt die venezolanische Wirtschaft nun, sich erst langsam wieder zu erholen. Dennoch verzeichnet das Land mit 27 Prozent die höchste Inflationsrate in ganz Lateinamerika. Vor allem die explodierenden Lebensmittelpreise schwächen die Kaufkraft der armen Bevölkerungsschichten. Im Gegenzug wird daher alle paar Monate der staatlich garantierte Mindestlohn angehoben.
Chávez geht, trotz des hohen Ölpreises, langsam das Geld aus. Die Produktion des schwarzen Goldes schrumpft seit Jahren. Lag die Tagesproduktion der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA 1999, als Chávez an die Macht gekommen ist, bei rund drei Millionen Barrel, so ist sie in den vergangenen zwölf Jahren auf knapp 1,8 Millionen Barrel zurückgegangen.
Kritik an der Ausgabenpolitik der Regierung kommt inzwischen nicht nur aus den Reihen der Opposition und aus der Wirtschaft, die den Investitionsstau und den stockenden Ausbau der Infrastruktur beklagt. Auch in den eigenen Reihen mehren sich die unzufriedenen Stimmen.
Nicht nur die Sozialausgaben verschlingen immer größere Summen. Chávez wird für den anstehenden Wahlkampf im kommenden Jahr ebenfalls Geld aus der Staatskasse benötigen, so Klaus Bodemer. "Das ist ein weiterer Grund für die Rückführung der internationalen Goldreserven, um sie in Landeswährung umzuwandeln und nach Belieben im Wahlkampf einzusetzen."
Venezuela flüchtet ins Gold
Nicht genug mit der Rückholaktion, für die Chávez bislang jedoch noch keinen konkreten Termin genannt hat, der Präsident will die Goldindustrie auch verstaatlichen, um so die nationalen Goldreserven zu erhöhen. "Die Gesetze zur Verstaatlichung der Goldproduktion sind fertig ausgearbeitet. Wir werden das Gold teilweise als Reserve anlegen, denn der Goldpreis wird weiter steigen", verkündete Chávez jüngst seine Pläne.
Venezuela verfügt über umfangreiche Goldvorkommen im Südosten des Landes, wo auch weitere Rohstoffe wie Eisen, Bauxit und Diamanten abgebaut werden. Die größten bisher nicht erschlossenen Goldlagerstätten liegen in der südlichen Region Guyana.
Befeuert von der Euro-Krise und den wirtschaftlichen Turbulenzen in den USA, befindet sich der Goldpreis derzeit auf einem Höhenflug. Zuletzt hat er die Marke von 1200 Euro pro Feinunze, dem Maß für Edelmetalle, überschritten. Eine Feinunze sind etwa 31 Gramm. "Die Verstaatlichung des Goldes erhöht die venezolanischen Reserven. Das ist jedoch nicht unproblematisch", gibt Lateinamerika-Experte Klaus Bodemer zu bedenken. "Zurzeit haben wir einen sehr hohen Goldpreis, aber das wird nicht immer so bleiben. Wenn der Preis fällt, wird Venezuela herbe Verluste erleiden."
Schadenfreude in Caracas?
Und Bodemer sieht noch ein weiteres Motiv, die internationalen venezolanischen Goldreserven umzulagern. "Chávez will damit eine Botschaft an die Länder des Nordens senden. Er beobachtet mit einer gewissen Schadenfreude, wie Europa und die USA darum ringen, die Krise in den Griff zu bekommen. Deshalb will er die Reserven jetzt abziehen und sie anderen Ländern anvertrauen."
Ein Schritt, den Bodemer jedoch für kurzsichtig hält. Denn auch wenn die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) ein wachsendes Gewicht in der Weltwirtschaft spielen, "sind sie nach wie vor von den Industrienationen des Nordens abhängig. Das trifft vor allem auf China zu. Diese Länder bieten keine dauerhaften Garantien." Die Goldtransaktionen von Hugo Chávez seien vor allem, so Bodemers Fazit, ein weiteres Puzzelstück in seiner "antiimperialistischen Doktrin".
Autorin: Cristina Mendoza Weber
Redaktion: Mirjam Gehrke