Verbotene Demo in Hongkong eskaliert
27. Juli 2019Mehrere Tausend Anhänger der Demokratiebewegung hatten in Yuen Long im Nordwesten von Hongkong gegen Schlägertrupps protestiert, die am vergangenen Wochenende Demonstranten und Passanten attackiert hatten. Sie widersetzten sich damit einem Verbot, das die Behörden aus Sicherheitsgründen verhängt hatten.
Die Polizei setzte schließlich Tränengas und Gummigeschosse ein, um Angreifer auseinanderzutreiben und die Kundgebung aufzulösen. Viele der Protestierenden hatten sich mit Wanderstöcken bewaffnet und aus Holzbrettern, Surfbrettern und Pappkartons Schilde improvisiert. Nach Krankenhausangaben wurden neun Menschen verletzt, fünf davon schwer.
Nach Anbruch der Nacht kam es im örtlichen Bahnhof zu weiteren schweren Zusammenstößen mehrerer Hundert Demonstranten mit der Polizei. Blutspritzer waren anschließend auf dem Boden des Bahnhofs zu sehen.
Am vergangenen Sonntag hatten etwa 100 weiß gekleidete Männer den Yuen-Long-Bahnhof gestürmt, als Demonstranten von einer Großkundgebung zurückkehrten, bei der das chinesische Verbindungsbüro in der ehemaligen britischen Kolonie Ziel von Schmierereien wurde. Bei den Schlägertrupps soll es sich um Bandenmitglieder der chinesischen Mafia gehandelt haben. Sie griffen schwarz gekleidete Demonstranten aber auch Passanten, Journalisten und Abgeordnete mit Eisenstangen und Knüppeln an. Dabei wurden mindestens 45 Menschen verletzt. Der Hongkonger Polizei wurde später vorgeworfen, nicht schnell genug eingegriffen zu haben.
Weil sie Vergeltungsangriffe auf Bewohner von Yuen Long befürchtete, hatte die Polizei die Demo an diesem Samstag verboten. In Online-Netzwerken wurde aber dazu aufgerufen, trotzdem auf die Straße zu gehen. Einige Aktivisten schlugen vor, in Yuen Long einen "Einkaufsbummel" zu machen. Andere forderten Spieler des beliebten Smartphone-Suchspiels Pokémon Go auf, sich scharenweise vor Ort zu treffen.
Anders als bei früheren Protestkundgebungen waren die Träger von Schilden oder Transparenten deutlich in der Minderheit. Viele von ihnen waren wieder in Schwarz gekleidet, trugen Gesichtsmasken, Schutzbrillen oder Helme und brachten Regenschirme mit. Diese Aufmachung hilft den Demonstranten einerseits, ihre Identität vor der Polizei zu verbergen, schützt sie aber auch vor Tränengas.
Die überwiegend friedlichen Massenproteste gegen Hongkongs pekingtreue Regierung dauern bereits seit sieben Wochen an. Der Unmut der Bevölkerung hatte sich an einem inzwischen auf Eis gelegten Auslieferungsgesetz entzündet, das erstmals Überstellungen beschuldigter Personen an Festland-China ermöglicht hätte. Mittlerweile haben sich die Proteste ausgeweitet: Die Demonstranten fordern demokratische Reformen, ein allgemeines Stimmrecht und den Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam. Außerdem protestieren sie gegen die Polizei, die zum Teil mit Gummigeschossen, Tränengas und Knüppeln gegen Demonstranten vorgegangen war.
Drei Tage in Folge mit Aktionen
Am Freitag hatten sich Hunderte zu einer Protestaktion am Hongkonger Flughafen versammelt, um insbesondere Besucher vom chinesischen Festland über die regierungskritischen Proteste in der Sonderverwaltungszone zu informieren.
Eine weitere Kundgebung ist für Sonntag geplant. Sie soll in der Nähe der chinesischen Vertretung enden. Diese war bei jüngsten Protesten mit Eiern beworfen und mit Graffiti besprüht worden. China kritisierte den Vorfall scharf.
Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China als eigenes Territorium autonom regiert. Viele der sieben Millionen Hongkonger befürchten zunehmend, dass ihre Freiheiten beschnitten werden könnten.
ust/uh/jj (afp, dpa, ap)