Vergleich der Ungleichen: Nordkorea und der Iran
14. August 2005Nordkorea und der Iran widersetzen sich dem von den USA betriebenen internationalen Druck - so die oberflächliche Gemeinsamkeit der beiden Staaten. Aber der Vergleich ist problematisch: Schon allein deswegen, weil Nordkorea das atomare Nichtverbreitungsabkommen (NPT) verlassen hat, während der Iran weiter daran festhält. Außerdem hat Pjöngjang letztes Jahr behauptet, das Land habe bereits eine Atombombe, Teheran hingegen beteuert immer wieder, eine solche nicht zu entwickeln. Selbst amerikanischen Enschätzungen zufolge ist der Iran noch Jahre davon entfernt, eine Atombombe herstellen zu können.
Jeweils gefährliche Nachbarschaft
Beide Länder haben allerdings Raketen entwickelt, die weit über die für die Selbstverteidigung vorstellbaren und notwendigen Distanzen reichen. Deswegen liegt der Verdacht nahe, dass solche Raketen zusammen mit Atomwaffen zu einer ernsten Gefahr für die jeweilige Region werden könnten.
Beide Länder sind aber nicht die einzigen in ihrer Gegend, die sich zu einer Atommacht entwickelt haben oder entwickeln könnten. Nordkorea hat die Atommacht China in der Nähe und die Amerikaner in direkter Nachbarschaft – in Südkorea. Der Iran ist von noch mehr Atommächten umgeben: Pakistan und Indien im Osten, Israel im Westen. Lediglich die Gefahr eines atomar aufgerüsteten Irak ist auf absehbare Zeit gebannt. Dafür ist der Iran förmlich umzingelt von US-Truppen, die in allen Nachbarländern stationiert sind.
Nordkorea scheint mit seiner Politik bisher erfolgreicher gewesen zu sein als der Iran: Insgeheim wünscht sich wahrscheinlich so mancher iranischer Politiker, er hätte auch behauptet, dass man eine Atombombe habe. Denn dies allein ist offenbar schon Abschreckung genug für die Amerikaner, das Land anzugreifen.
Nordkorea hat nichts zu bieten
Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Staaten aber liegt wohl in der Tatsache, dass der Iran über reiche Erdölverkommen verfügt. Sein Öl und Gas lassen so manchen in der Welt daran zweifeln, dass der Iran Atomforschung zur Energiegewinnung betreibt. Gleichzeitig sind alle – die Amerikaner inklusive – erpicht darauf, mit dem Iran ins Geschäft zu kommen: Das Land ist wie schon zu Zeiten des Schahs die mit Abstand wichtigste Macht in der Region. Und zwar in politischer, wirtschaftlicher und auch militärischer Hinsicht. Nordkorea hingegen hat außer bitterer Armut und Hunger nichts zu bieten. Damit aber kann man die Nachbarländer nicht beeindrucken oder gar beeinflussen.
Eigenmächtiger Iran
Der Iran hingegen hat viele Möglichkeiten, solches zu tun: Er ist weiterhin in Afghanistan aktiv, er setzt sich über amerikanische Vorbehalte hinweg und schließt umfangreiche Abkommen mit Pakistan, Indien und den Anrainern des Kaspischen Meeres. Und ihren letzten "Coup" landeten die Politiker in Teheran zweifellos, als sie mit Bagdad vereinbarten, der dortigen Regierung beim Auf- und Ausbau der Sicherheitskräfte zu helfen.
Den USA sind solche Aktivitäten gar nicht recht, aber sie können auch nicht so recht etwas dagegen unternehmen. So hat man sich auf die Atomfrage versteift. Nicht, weil eine mögliche iranische Atombombe in ferner Zukunft eine Gefahr für die USA darstellen könnte. Sondern weil – inzwischen sagt man es offen – eine solche Bombe Israel gefährden könnte: einen Staat, der selbst, unkontrolliert vom Ausland und internationalen Behörden, über Atombomben verfügt.
Liegt es an Israel?
Amerikas enge Allianz mit Israel lässt Washington die Jerusalemer These von der iranischen Atomgefahr fast unüberprüft übernehmen. Und die Europäer scheinen inzwischen auf diese Linie eingeschwenkt zu sein, obwohl sie mit ihren Iran-Verhandlungen doch zunächst den USA beweisen wollten, dass man mit solchen "gefühlten" Gefahren anders umgehen kann als Washington es im Fall des Iraks getan hat.
Dass man sich nicht annähernd so viel Mühe gibt mit Nordkorea und demzufolge die Sechsergespräche dort vorerst zum Stillstand gekommen sind, liegt wohl daran, dass Nordkorea in jeder Hinsicht weit weniger zu bieten hat als der Iran. Europa hat sich ohnehin nicht sonderlich um Nordkorea gekümmert. Nach dem Fehlschlag in den aktuellen Iran-Verhandlungen wird sich daran wohl auch nichts ändern.