Sri Lankas Polizeichef muss gehen
24. April 2019Staatspräsident Maithripala Sirisena wies den Polizeichef des Inselstaates und einen hochrangigen Beamten im Verteidigungsministerium an, ihre Kündigungen einzureichen, wie sein Büro mitteilte. Als Folge einer Geheimdienstpanne kündigte Sirisena zudem eine umfassende Reform von Polizei, Armee und Geheimdiensten an. Noch in dieser Woche werde er Führungspositionen innerhalb der Sicherheitskräfte neu besetzen und im Laufe einer Woche den gesamten Sicherheitsapparat neu strukturieren, hieß es.
Bereits vor den Angriffen hatte es Hinweise auf Anschlagspläne gegeben, wie Kabinettssprecher Rajitha Senaratne erklärte. Ausländische Geheimdienste hätten bereits am 4. April über mögliche Selbstmordanschläge auf Kirchen und Touristenziele in Sri Lanka informiert- die Informationen stammten aus Indien, wie Premierminister Wickremesinghe bekanntgab.
Die Hinweise auf Anschlagspläne seien aber nicht an die Regierung weitergegeben worden, kritisierte Staatspräsident Maithripala Sirisena. Er berief ein dreiköpfiges Team ein, das die Anschlagsserie untersuchen und in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen soll. Die internationale Polizeiorganisation Interpol kündigte an, Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung zu entsenden.
Zahl der Todesopfer steigt weiter
Die Zahl der Todesopfer nach den Selbstmordanschlägen vom Ostersonntag in Sri Lanka ist unterdessen auf 359 gestiegen. Darunter sind 38 Menschen, die in der Nacht zum Mittwoch in Krankenhäusern ihren Verletzungen erlagen, wie die Polizei mittelte. Mehr als 400 würden noch behandelt - manche seien in kritischem Zustand. Der Polizeisprecher Ruwan Gunasekera gab die erhöhte Opferzahl bekannt, ohne genauer anzugeben, bei welchen der sieben Anschläge sie ums Leben kamen. Unter den 359 Toten waren laut Außenministerium 34 Ausländer, 14 werden noch vermisst. Auch ein Deutsch-Amerikaner wurde getötet, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Laut dem Un-Kinderhilfswerk UNICEF kamen auch 45 Kinder ums Leben.
Sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hatten sich am Ostersonntag nahezu zeitgleich in drei Kirchen in mehreren Städten und drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo in die Luft gesprengt. Einige Stunden später gab es zwei weitere Explosionen in einem kleinen Hotel und einer Wohngegend in Vororten Colombos. Die meisten Opfer hatte es bei den Anschlägen in den Kirchen gegeben, als gerade Ostergottesdienste stattfanden.
Weitere Festnahmen
Am Dienstagabend soll es 18 neue Festnahmen gegeben haben - deren Zahl stieg damit auf 60. Premierminister Ranil Wickremesinghe hatte zuvor erklärt, es seien noch Verdächtige auf der Flucht, von denen manche im Besitz von Sprengstoff seien. Angaben dazu, ob diese unter den jüngst Festgenommenen waren, gab es zunächst nicht.
Mehrere Minister hatten kritisiert, Premierminister Wickremesinghe sei zuletzt nicht zu Sitzungen des Sicherheitsrates der Regierung eingeladen worden. Hintergrund sind Spannungen zwischen den in einer Koalition regierenden Parteien von Wickremesinghe und Sirisena. Dieser hatte Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen und ersetzt. Wickremesinghe gewann aber den Machtkampf und blieb im Amt. Sirisena sitzt gleichzeitig auch als Verteidigungsminister in der Regierung.
"Es gab ein internationales Netzwerk"
Zu Tätern und Hintergründen werden unterdessen mehr Informationen bekannt. Einer der Attentäter war nach Angaben eines Ministers vor wenigen Monaten wegen der Beschädigung von Buddha-Statuen festgenommen worden. Bei neun Festgenommenen handelt es sich um Mitarbeiter einer Fabrik, die einem der anderen Täter gehörte. Mehrere Häuser seien durchsucht worden, teilte die Polizei mit.
Vize-Verteidungsminister Wijewardene sagte, die meisten der Attentäter vom Ostersonntag seien gebildet gewesen und hätten der oberen Mittelschicht angehört. Sie hätten im Ausland studiert - einer von ihnen vermutlich in Großbritannien und Australien. Insgesamt seien neun Selbstmordattentäter an den Anschlägen beteiligt gewesen, darunter eine Frau. Acht von ihnen seien bislang identifiziert worden.
Die Dschihadistenmiliz IS bekannte sich zu den Anschlägen. "Diejenigen, die den Angriff ausgeübt haben, der vorgestern Mitglieder der US-geführten Koalition und Christen in Sri Lanka zum Ziel hatte, sind Kämpfer des 'Islamischen Staates', heißt es in einer vom IS-Propaganda-Sprachrohr Amak veröffentlichten Mitteilung. Belege für die Behauptung gibt es allerdings keine.
Die Regierung schreibt die Anschlagsserie dagegen der einheimischen Islamistengruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) zu. Die Behörden prüfen, ob es Unterstützung aus dem Ausland gab. "Wir glauben nicht, dass diese Angriffe von einer Gruppe von Menschen verübt wurden, die auf dieses Land begrenzt waren", sagte Kabinettssprecher Senaratne. "Es gab ein internationales Netzwerk, ohne das diese Angriffe nicht gelungen wären." Über einen Ableger des "Islamischen Staates" in Sri Lanka ist bisher nichts bekannt
Premierminister Wickremesinghe sagte bei einer Pressekonferenz, es habe schon zuvor der Verdacht bestanden, dass die Attentäter Verbindungen zum IS gehabt haben könnten. Einige der Angreifer seien im Ausland gewesen, erklärte Wickremesinghe, ohne die Verbindungen zum IS zu bestätigen.
Die USA hatten nach Angaben ihrer Botschafterin in Sri Lanka keine vorherige Kenntnis von der tödlichen Anschlagserie in Sri Lanka. "Wir wussten nichts von diese Anschlägen", sagte Alaina Teplitz. Ein Minister Sri Lankas hatte Anfang der Woche gesagt, Indien und die USA hätten seiner Regierung vor den Anschlägen Informationen zukommen lassen. Das bestreitet Teplitz. "Ich weiß nicht, welche anderen Informationsquellen die Regierung Sri Lankas hat. Ich kann ihnen nur sagen, dass wir keine vorherige Kenntnis hatten", sagte sie CNN. Die Regierung von Sri Lanka habe Fehler beim Sammeln und Weitergeben von Geheimdienstinformationen zugegeben, fügte sie hinzu.
Erste Ermittlungsergebnisse deuten derweil darauf hin, dass die Taten eine Vergeltung für den Angriff auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch vor gut einem Monat gewesen sein könnten. Es gebe entsprechende Hinweise, erklärte Vize-Verteidigungsminister Wijewardene im Parlament. Bei dem Anschlag eines Rechtsextremisten waren 50 Menschen ums Leben gekommen. Ein Sprecher von Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern sagte allerdings, der Regierung des Pazifikstaats seien keine derartigen Geheimdienstinformationen bekannt.
lh/ww/kle (dpa, rtr, afp)