Verschwundene Bilder: Hartwig Ebersbach
1. Oktober 2010Der Leipziger Maler Hartwig Ebersbach passt in keine Schublade. "Mit mir war es immer etwas kompliziert für die Gesellschaft. In der Hochschule oder in der Kulturpolitik wussten sie nie so recht, was sie mit mir machen oder wie sie mich einschätzen sollten", sagt Hartwig Ebersbach. Der heute 70-Jährige war in Leipzig Kunststudent der ersten Stunde - im wahrsten Sinne des Wortes.
Unter dem damaligen Rektor Bernhard Heisig wurde auf Druck der Studenten, einer von ihnen war Ebersbach, 1961 erstmalig eine Malklasse an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst eingeführt. Der Grundstein für mehrere Generationen von talentierten Malern, deren Werke unter dem Namen "Leipziger Schule" und später "Neue Leipziger Schule" weit über die Grenzen Ostdeutschlands bekannt wurden. Einer von ihnen war und ist Hartwig Ebersbach.
Gegen die Spielregeln der DDR-Kulturpolitik
Er hatte von Anfang an seinen eigenen Stil, der allerdings nicht zu den Spielregeln der offiziellen DDR-Kulturpolitik passte. In seinen wilden und expressiven Bildern, wie beispielsweise Ebersbachs "Brennender Mann I" von 1966, war von der propagierten Abbildung eines glücklichen und produktiven Lebens in der DDR nichts zu erkennen. Kein Wunder, dass Ebersbach keine Aufträge von Kulturfunktionären bekam, sie aber auch nicht suchte. Der Maler verdiente stattdessen sein Geld eine zeitlang im Messebau.
Hin und wieder reizte es ihn aber doch, seine Bilder in der Öffentlichkeit unterzubringen. So zum Beispiel 1976. Der Rat des Bezirks Leipzig rief anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der SED, der Einheitspartei der DDR, einen Wettbewerb aus. "In der Auftragsvergabe hatten die einen Schwerpunkt vergessen und das war die Solidarität", erinnert sich Ebersbach. "Und da habe ich gedacht: Den zeige ich es! Und reichte einen Entwurf zum Thema Solidarität ein." Damit wollte er nicht nur "eine lange Nase machen", sondern auch "einen richtigen Hammer" liefern, um die Funktionäre "zu erschüttern".
Der Rat des Bezirkes kaufte tatsächlich das Werk mit dem Titel "Antiimperialistische Solidarität", eine Gemälde-Installation aus 15 Teilen - so etwas hatte es in der DDR bis dahin noch nicht gegeben. Der Rat schenkte das Kunstwerk wiederum der Universität, dort hing es bis 2004 im Hörsaaltrakt.
Im Zuge von Umbauarbeiten ereilte die Installation, die von Studierenden aufgrund ihrer Form auch "Fledermaus" genannt wurde, das gleiche Schicksal wie so vieler Kunstwerke der DDR: Sie verschwand im Depot. Pläne sie wiederaufzuhängen, gibt es bislang nicht. "Ich muss mich für das Bild nicht genieren. Es gehört zu meiner Lauterkeit, dass ich nichts verstecke", sagt Ebersbach. "Es war ja auch nicht angedient, sondern ein ehrlicher und ernsthafter Versuch einer Auseinandersetzung. Wir haben in der Generation ja tatsächlich geglaubt, dass wir eine ganze Gesellschaft verändern oder beeinflussen könnten."
"Falsche Biografie"
Hartwig Ebersbach wurde nie nachgesagt, ein Staatskünstler zu sein. Im Gegenteil: Während die DDR seine Kunstwerke lieber nicht offiziell zeigen wollte, wurden sie im Westen hoch geschätzt. Der legendäre westdeutsche Sammler Peter Ludwig kaufte zahlreiche Gemälde über den staatlichen Kunsthandel der DDR, eine Galerie in Frankfurt am Main nahm Ebersbach sogar lange vor der Wende exklusiv unter Vertrag.
"Ursprünglich wollte mich niemand in der DDR so richtig. Das habe ich schon zu spüren bekommen. Ich war nie ein Vorzeigekünstler der DDR", sagt Ebersbach. "Nach der Wende galt ich dann aber auch nicht als Westkünstler. Stattdessen werde ich jetzt im Nachhinein zum Ostkünstler gemacht, was ich nie sein wollte." Diese Entwicklung sei "irgendwie ganz putzig", sagt Ebersbach, fügt aber zugleich hinzu, er habe einfach "die falsche Biografie".
Der Maler Hartwig Ebersbach steht zu seinen Bildern, die er in der DDR gemalt hat, anders als beispielsweise Gerhard Richter oder Neo Rauch. In der deutsch-deutschen Kunstdebatte würde sich Ebersbach wünschen, dass die Kunstwerke selbst befragt würden - und nicht die Biografien der Maler.
Autorin: Nadine Wojcik
Redaktion: Sabine Oelze