Vertrauensentzug mit Folgen
3. März 2019Die Maske, die sein Gesicht während des intensiven Spiels gegen Düsseldorf schützen sollte, trug Benjamin Stambouli auch in der Medienzone nach dem Abpfiff noch. Behutsam schoben ihn die Schalker Presse-Offiziellen von Interview zu Interview. Trotz Gesichtsschutz war dem Franzosen anzusehen, wie schwer es ihm fiel, die richtigen Worte in die Journalisten-Mikrofone zu sprechen. "Wir sind kleine Spieler", sagte er mit Tränen in den Augen und ergänzte: "Schalke ist ein großer Verein." Neben der unterirdischen Leistung, welche die Schalker an diesem Tag mal wieder gezeigt hatten, machte Vize-Kapitän Stambouli noch eine andere Szene schwer zu schaffen.
Tränen in den Augen
Nach dem Schlusspfiff war es vor der Nordkurve - dem Ort, wo die Schalker Ultras schon Mitte der zweiten Halbzeit ihren Support komplett eingestellt hatten - zu einer in der Bundesliga wohl einmaligen Szene gekommen. Zunächst trat Trainer Domenico Tedesco alleine vor die schimpfenden Fans und versuchte mit entschuldigenden Gesten die aufgeheizte Situation etwas zu beruhigen. Die Mannschaft hielt ausreichend Abstand.
Zwei Ultravertreter der Gruppierung UGE, Ultras Gelsenkirchen, betraten dann aber den Innenraum und hielten im Kreise der Mannschaft eine deutliche Ansprache. "Die haben mir die Kapitänsbinde abgenommen. Das war sehr schwer für mich", erklärte Stambouli später.
Eine Aktion mit Symbolwirkung. Denn zu Beginn der laufenden Saison hatten die Ultras der Schalker Mannschaft diese extra angefertigte Kapitänsbinde mit der Aufschrift "Nordkurve Gelsenkirchen" überreicht, um "ein gemeinsames Zeichen zu setzen und den Zusammenhalt zwischen Kurve und Mannschaft weiter zu stärken."
Die Mannschaft habe über weite Strecken den gewünschten Einsatz und die Leidenschaft für unseren Verein und das königsblaue Wappen auf ihrer Brust gezeigt, hieß es damals weiter in der Stellungnahme der UGE. Diese Unterstützung ist nun (erstmal) Geschichte.
Tedesco: "Die Mannschaft war tot"
Eine Aktion, die Folgen haben dürfte. Das ohnehin komplett verunsicherte Schalker Team steckt in einem tiefen Leistungsloch, aus dem sie - wenn man den Worten Tedescos Glauben schenken darf - so schnell nicht rauskommen dürfte. "Die Mannschaft war vor dem Spiel lebendig, aber im Spiel eher tot." Die Königsblauen belegen aktuell den 14. Tabellenrang, der Abstand zum Relegationsplatz beträgt derzeit nur noch vier Punkte. Eine schlechtere Bilanz hatte der Klub bisher nur einmal vorzuweisen. Damals, in der Saison 1982/83, stiegen sie ab.
In dieser schweren Situation wird das Team nun auch noch auf die Unterstützung der eigenen Fans verzichten müssen. Im ohnehin nicht ganz leichten Schalker Umfeld ein großer Nachteil. Ob es weitere Aktionen der Schalker Nordkurve geben wird, ist derzeit noch offen.
Kapitän Ralf Fährmann, der seit zwölf Jahren das Schalker Trikot trägt, zeigte nach dem Spiel Verständnis für die eigenen Anhänger: "Bei so einem Verein, bei dem so viel Emotionen und Geschichte dahinter steht, ist das nachvollziehbar." Jetzt liegt es an der Mannschaft, das verloren gegangene Vertrauen zurückzuerobern. Und das geht nur mit Kampf, Einsatz und Leidenschaft. Gelingt dem Team dies nicht, dürfte der Entzug der Kapitänsbinde nicht die letzte Aktion der Schalker Nordkurve gewesen sein.