Peking sagt große Neujahrsfeiern ab
23. Januar 2020Zum Neujahrsfest dürfen keine großen öffentlichen Feiern in Wuhan stattfinden. Ein Mitarbeiter eines Einkaufszentrums der Stadt äußerte Verständnis für die Vorsichtsmaßnahmen: "Selbst, wenn wir dieses Jahr nicht Neujahr feiern können, gibt es immer ein nächstes Jahr."
Damit müssen sich auch viele Menschen in der Hauptstadt Peking trösten. Die Stadtverwaltung sagte Großveranstaltungen zum chinesischen Neujahrsfest ab. Auch einige touristische Attraktionen, darunter die Verbotene Stadt, werden bis auf Weiteres geschlossen. Die gestrichenen Feierlichkeiten in Tempeln hatten in den vergangenen Jahren riesige Touristenmassen angelockt.
Der Beginn eines neuen chinesischen Mondjahres wird in China üblicherweise groß im Kreise der Familie gefeiert. Wegen des Jahreswechsels in der Nacht zu Samstag waren in den vergangenen Tagen hunderte Millionen Menschen in der Volksrepublik unterwegs. Die Reisen erhöhen das Risiko einer Ausbreitung des neuen Coronavirus, das auch von Mensch zu Mensch übertragen wird.
China im Ausnahmezustand
Das neuartige Coronavirus hat die Volksrepublik in einen Ausnahmezustand versetzt. Angesichts von fast 600 Infektionen landesweit stellten die Behörden nach Wuhan inzwischen auch die Millionen-Stadt Huanggang unter Quarantäne. Ein Bewohner in Wuhan sagte, die erzwungene Isolierung fühle sich an wie der "Weltuntergang".
In der Elf-Millionen-Einwohner-Stadt Wuhan in der zentralen Provinz Hubei waren am Donnerstag nur wenige Menschen auf den Straßen und in den Einkaufszentren unterwegs. Wie von der Polizei angeordnet trugen sie zum Schutz vor Infektionen Atemmasken. Die Behörden hatten die Einwohner zuvor aufgerufen, die Stadt "nicht ohne besonderen Grund" zu verlassen. Sämtliche Flüge und Zugfahrten aus Wuhan wurden am Donnerstag eingestellt, Mautstationen der Ausfahrtstraßen waren geschlossen. Die Maßnahmen nährten Befürchtungen, dass Panik unter Wuhans Bevölkerung ausbrechen könnte.
Auch Huanggang 70 Kilometer östlich von Wuhan wurde am Donnerstag unter Quarantäne gestellt. Öffentliche Verkehrsverbindungen würden ab Mitternacht ausgesetzt, teilte die Verwaltung ihren 7,5 Millionen Einwohnern mit. Außerdem würden alle Kinos, Internetcafés und der zentrale Markt geschlossen. In der 1,1-Millionen-Einwohner-Stadt Ezhou wurde der Hauptbahnhof vorerst geschlossen.
Bislang haben sich nach Behördenangaben bereits mehr als 630 Menschen in China infiziert, etwa 5000 weitere stehen unter Beobachtung. Forscher des Londoner Imperial College gehen allerdings von etwa 4000 Infizierten aus.
Nach Angaben der chinesischen Behörden starben bislang 17 Infizierte im Alter von 48 bis 89 Jahren. Sie alle hätten bereits zuvor unter gesundheitlichen Problemen gelitten. Außerhalb Chinas wurden einzelne Fälle aus Thailand, Japan, Südkorea, Taiwan und den USA gemeldet. Auf Flughäfen in vielen Ländern wurden Sicherheitsvorkehrungen wie Temperaturscans bei Passagieren getroffen.
In Rom mehr als 200 Flugreisende auf Coronavirus überprüft
In Rom wurden 202 Flugpassagiere und Besatzungsmitglieder, die aus Wuhan gekommen sind, nach Angaben eines Flughafensprechers auf Anzeichen einer Erkrankung mit dem Coronavirus überprüft. Sie seien an Bord einer Maschine der China Southern Airlines in die italienische Hauptstadt gekommen. Es sei das erste Mal, dass eine derartige Überprüfung vorgenommen werde, seit die italienischen Gesundheitsbehörden diese Woche Sonderkontrollmaßnahmen anordneten, um eine Übertragung des Virus zu verhindern. Informationen über mögliche Verdachtsfälle liegen bislang nicht vor.
Die Infektion weckt Erinnerung an die Sars-Epidemie 2002/2003. An der ebenfalls durch ein Coronavirus ausgelösten Atemwegserkrankung starben damals 774 Menschen, die meisten in Festland-China und Hongkong. Den chinesischen Behörden wurde damals vorgeworfen, nicht schnell genug reagiert zu haben.
Virus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen
Das neue Coronavirus soll zunächst von Tieren auf einem Markt in Wuhan übertragen worden sein, der mittlerweile geschlossen ist. Zwei neuen Studien zufolge könnten Schlangen und Fledermäuse die Überträger sein. Weitere Zwischenwirte schlossen die Studienautoren aber nicht aus.
Angenommen wird, dass das Virus durch Tröpfcheninfektion etwa beim Husten übertragen wird. "Eine Ansteckung über kontaminierte Gegenstände gibt es eher nicht", sagte Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). Vermutet wird demnach derzeit, dass das Virus sich vor allem in den unteren Lungenbereichen ansiedelt und weniger ausgeprägt in den oberen Atemwegen. Das würde ein geringeres Ansteckungspotenzial bedeuten, da es von Lunge zu Lunge weiter ist als etwa von Nase zu Nase.
Das Coronavirus ist nach Einschätzung von Experten weiterhin ein kaum ansteckender Erreger. Die meisten Fälle beträfen nach wie vor die Millionen-Metropole Wuhan, das Virus habe sich nicht sehr stark ausgebreitet, sagte Schmidt-Chanasit. Zudem habe sich kaum Krankenhauspersonal angesteckt, und auch bei den Fällen in anderen Ländern habe es bisher keine Übertragung auf weitere Menschen gegeben.
hf/rb (rtr, afp, dpa)