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Was ist von der Corona-Bescheidenheit im Fußball geblieben?

25. September 2023

Während der Corona-Pandemie war oft von neuer Demut und Bescheidenheit in der Bundesliga die Rede. Davon ist angesichts immer noch astronomischer Ablösesummen und Gehälter nicht viel geblieben.

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Harry Kane jubelt im Bayern-Trikot
Harry Kane war den Bayern 100 Millionen Euro wert - keine Spur von BescheidenheitBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Die Corona-Pandemie hat die Verwundbarkeit des deutschen Profifußballs offenbart - auch und vor allem in der Bundesliga. Geisterspiele in leeren Stadien rissen unvorhersehbare Lücken in die sowieso schon klammen Kassen der Vereine. So mancher Klub bangte gar um seine Existenz. Vertreter der deutschen Profifußballvereine erklärten, sollte die geplante Wiederaufnahme des Spielbetriebs scheitern, könnte die Bundesliga ein weiteres Opfer der Corona-Krise werden.

Und so hörte man von diversen Funktionären in dieser Zeit viel von "Bescheidenheit" und "Sparkurs" - allen voran von der DFL-Spitze. Nicht nur Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß sprach damals sogar von Demut. "Ich denke schon, dass in den vergangenen Monaten Demut zu erkennen war. Es wird sehr wahrscheinlich eine neue Fußballwelt geben."

Bundesliga-Transferausgaben so hoch wie vor Corona

Die Corona-Krise war noch nicht vorbei, da offenbarte sich die neue Bescheidenheit bereits als Strohfeuer. Der FC Bayern München kaufte Konkurrent RB Leipzig für 25 Millionen Euro dessen Trainer Julian Nagelsmann aus dem Vertrag- um diesen zwei Jahre später vorzeitig zu entlassen. Das kostete wieder viel, viel Geld, das der Verein nun einspart, weil Nagelsmann angeblich für den Bundestrainerjob auf einen Teil seiner noch ausstehenden Zahlungen verzichtet hat. 

Zur neuen Saison scheint nun endgültig alles beim Alten zu sein: Die 18 Erstligisten investierten über 700 Millionen Euro auf dem Transfermarkt - ein Betrag, der zuletzt im Rekordsommer 2019 vor der Corona-Krise erreicht wurde. Königstransfer war dabei Harry Kane. Der englische Nationalspieler kam für satte 100 Millionen Euro zum FC Bayern München.

Allerdings verbuchten die Bundesliga-Vereine auf der anderen Seite auch Einnahmen von über 800 Millionen Euro, und damit ein Plus - zum vierten Mal in Folge. Noch nie zuvor haben die deutschen Vereine in einer Transferperiode so hohe Erlöse erzielt.

Bundesliga-Spielergehälter auf Rekordniveau

Zu den Rekordtransfersummen gesellen sich mittlerweile Rekordgehälter für die Spieler. Durften Bundesliga-Profis in der ersten Saison vor 60 Jahren noch, inklusive Leistungsprämien, mit maximal 14.400 Mark (7362 Euro) pro Jahr entlohnt werden, sind die Gehälter in der höchsten deutschen Spielklassen inzwischen nach Expertenschätzungen auf durchschnittlich 1,5 bis zwei Millionen Euro gestiegen. 

Heutzutage ein angemessenes Honorar, heißt es in der Branche. Spielerberater Stefan Backs verteidigte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa die immer weiter steigenden Fußballgehälter: "Wie Hollywood-Stars verdienen auch Fußballer Millionen. Sie unterhalten Millionen Menschen weltweit." Der Fußball sei heute Teil einer durchgetakteten Unterhaltungsindustrie, nicht mehr nur Schweiß und Stollen, sagte Backs. Spielerberater beschleunigten das System, hätten es aber nicht verursacht.

400.000 Euro pro Monat als Bundestrainer

Und nicht nur die Spielergehälter klettern weiter, auch die der Bundesligatrainer. Die Gesamtpersonalkosten für Profis und Trainer sind in den vergangenen sechs Jahren von 1,05 auf 1,46 Milliarden Euro gestiegen.

Nun entfachte EM-Turnierorganisator Philipp Lahm eine weitere Gehaltsdebatte: Der Weltmeister von 2014 kritisierte in der "Bild"-Zeitung, dass ein Jahresgehalt von vier Millionen bis sechs Millionen Euro für den Bundestrainer-Job zu hoch sei und dass die Position des Bundestrainers als eine Ehre angesehen werden sollte. Lahm schlug sogar vor, die Prämien für Nationalspieler zu reduzieren und das beim Trainer und den Spielern eingesparte Geld in Nachwuchs, Frauenfußball, Ehrenamt, Schiedsrichterwesen und Amateurfußball zu investieren.

Julian Nagelsmann (m.) posiert mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf (l.) und Sportdirektor Rudi Völler (r.)
Bundestrainer Julian Nagelsmann soll 400.000 Euro pro Monat verdienen - und dabei sogar noch auf Geld verzichtet habenBild: Michael Probst/AP Photo/picture alliance

Ein nobles Anliegen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Nagelsmann bei den kolportierten 400.000 Euro Gehalt im Monat sogar noch auf viele Hunderttausende Euro verzichten soll, die er sonst aus dem noch bis 2026 laufenden Vertrag mit den Bayern erhalten hätte. 

International keine Spur von Bescheidenheit

Guckt man allerdings über den Tellerrand der Bundesliga hinweg auf den internationalen Fußballmarkt, haben sich die Grenzen von Demut und Bescheidenheit längst verschoben - durch den Einsatz massiver finanzieller Ressourcen. In Europa werden etwa Paris Saint-Germain von Katar und Manchester City von Abu Dhabi unterstützt und können mit dem Riesenkapital aus den Golfstaaten im Rücken astronomisch hohe Transfersummen und Gehälter zahlen.

Doch selbst das wird von saudi-arabischen Klubs wie Al-Attihad, Al-Nasr, Al-Hilal und Al-Ahli übertroffen, die zu drei Vierteln dem staatlichen Fonds Public Investment Fund gehören. Diese bieten Spielern und Spielerinnen exorbitante Verträge an, die sämtliche Grenzen sprengen. Die Fußballstars Neymar, Karim Benzema sowie der ehemalige Bayern-Spieler Sadio Mané sind nun in der Saudi Pro League aktiv und verdienen dort ihr Geld - wie schon länger der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo.

Diese unmoralischen Angebote aus dem Nahen und Mittleren Osten verdeutlichen: Im Profifußball herrscht weiterhin bedingungsloser Kapitalismus, wo der Finanzstärkere das Sagen hat. Das merkt auch die Bundesliga. Die einstige Bescheidenheit ist längst vergessen.