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Wahlkampf ohne Leidenschaft

Jeanette Seiffert6. September 2013

Ein Wahlkampf, in dem sich anscheinend alle einig sind und kaum gestritten wird: Eine Gefahr für die Demokratie - oder ein Zeichen für stabile Verhältnisse?

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SPD- und CDU-Parteifähnchen vor dem Reichstag in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wer sich so zurücknimmt, so bescheiden und uneitel auftritt, der ist persönlich nicht angreifbar." So beschreibt Politikberater Michael Spreng während einer Veranstaltung der Deutschen Welle die CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf - und fasst damit das Problem für den Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) in einem Satz zusammen. "Frau Merkel erweckt den Eindruck: Es ist alles wunderbar, ihr müsst mich nur wählen. Ich verlange von euch weder geistige noch materielle Anstrengung, es geht einfach so ruhig weiter."

Spreng hat im Bundestagswahlkampf 2002 den CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber beraten - doch im Moment fällt ihm nichts ein, was Merkel besser machen könnte. Sie tritt nicht nur sehr präsidial auf, sie gibt der politischen Konkurrenz auch inhaltlich kaum eine Angriffsfläche - bei der Opposition hat sie gleich mehrere Themen "geklaut", sei es der Ausstieg aus der Atomkraft oder die Forderung nach Lohnuntergrenzen.

Lustloser Wahlkampf ohne Kontroversen

Claudia Roth, Fritz Kuhn, Reinhard Bütikofer und Steffi Lemke von Bündnis 90/Die Grünen präsentieren in Berlin Wahlplakate für die vorgezogene Bundestagswahl am 18. September 2005 (Foto: Michael Hanschke/dpa)
Von gestern? Begeisterte grüne Spitzenpolitiker im Wahlkampf 2005Bild: picture-alliance/dpa

Die Umfragen sind für die Oppositionsparteien entmutigend. Denn demnach scheint der Ausgang schon längst klar zu sein: Die jetzige Regierung aus CDU/CSU und FDP kann weitermachen, im Notfall gibt es eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD. Wofür also sollen sich die Wahlkämpfer noch anstrengen? "Ich habe noch nie so viele Politiker erlebt, die keine Lust haben zu diesem Wahlkampf, die völlig leidenschaftslos in Wahlveranstaltungen gehen", beklagt auch Jens Thurau, Hauptstadtkorrespondent der Deutschen Welle.

Er vermisst im Wahlkampf wichtige Zukunftsfragen, die viele Menschen bewegen: Wie kann das Gesundheitssystem gerechter werden, wie geht man mit immer mehr Alten und Pflegebedürftigen um? Wie steht Deutschland zur Syrien-Krise, was passiert in der Europapolitik? All das tauche höchstens am Rande auf.

Wir haben Demokratie, aber keiner macht mit?

Doch was heißt das eigentlich, wenn sich ein Wahlkampf nur so dahinschleppt, keine Leidenschaft aufkommt bei politischen Debatten? Fehlt da nicht ein wesentlicher Teil der Demokratie? "Wir haben ein Duell zwischen einer Kandidatin, die keinen Wahlkampf machen will, und einem Kandidaten, der keinen Wahlkampf machen kann", konstatiert der Politikberater Michael Spreng. "Und zwischen diesen beiden Polen sollen die Wähler dann leidenschaftlich sein - wie soll das denn gehen?" Er glaubt aber, dass sich das spätestens bei der nächsten Wahl wieder ändern wird.

Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der Universität Mainz, ist nicht ganz so optimistisch: Er erinnert daran, wie gering die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl 2009 war: Nur gut 70 Prozent der Deutschen gaben ihre Stimme ab, so wenig wie nie zuvor: "Wenn wir diesmal wieder in diesem Bereich liegen, bin ich mir nicht sicher, dass das bei der nächsten Wahl einfach wieder anders wird."

Protest von Nichtwählern vor dem Bundestag (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
Rechnung ohne den Wähler? Protest von Nichtwählern vor dem BundestagBild: picture-alliance/dpa

Mythos zufriedene Nichtwähler

Kinder spielen vor der Hochhaussiedlung "Rosenpark" in Dietzenbach im Kreis Offenbach am 14.10.1998 (Foto: k.A.)
Nichtwähler unter sich? Hochhaussiedlung in OffenbachBild: picture-alliance/dpa

Der Politologe glaubt auch nicht, dass sich viele nicht für Politik interessieren, weil es den Deutschen im Vergleich zu anderen Ländern in Europa sehr gut geht. Denn es sei vor allem eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen, die nicht wählen geht: Arbeitslose oder Menschen mit kleinem Einkommen, die in schlechten Wohngegenden leben. "Diese These, dass Nichtwählen ein Zeichen für große Zufriedenheit ist: Das ist ein Mythos. Und hat mit der Realität nichts zu tun."