TV-Spots zum Wohlfühlen
23. Mai 2014Denkt man an die EU, bekommt man die Krise: Bankenkrise, Eurokrise, Wirtschaftskrise. Menschen in dieser Zeit für Europa zu begeistern, ist eine große Herausforderung. Dazu entfachen Populisten und rechte Parteien die EU-Skepsis einiger Bürger. So müssen vor den EU-Wahlen Parteien, Kandidaten und das Europäische Parlament Möglichkeiten finden, ihre Bürger für das Projekt Europa zu begeistern. Die Aufstellung eines europäischen Spitzenkandidaten sollte dabei für einen spannenden Wahlkampf sorgen. Wer macht das Rennen - Martin Schulz oder Jean-Claude Juncker?
Die Sozialdemokraten in Deutschland setzen alles auf ihren Spitzenmann, auch in ihren TV-Spots: Martin Schulz lächelt im Vorabendprogramm den Zuschauer an und bringt die sozialdemokratische Botschaft in deutsche Wohnzimmer: "Aus Deutschland. Für Europa." Dazwischen werden zentrale Botschaften der SPD eingeblendet: "Ein Europa der Demokratie. Nicht der Bevormundung." oder "Ein Europa der Chancen. Nicht der Arbeitslosigkeit." Der ganz auf Martin Schulz fokussierte Wahlwerbespot wirkt nüchtern. Der sonst so bürgernahe Europapolitiker präsentiert sich alleine inmitten einer kühlen Architektur. "Ich hätte der SPD geraten, Martin Schulz menschlicher zu präsentieren. Auf dem Marktplatz im Gespräch mit Menschen zum Beispiel, in der Natur oder ein Buch lesend", meint der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann, Politikwissenschaftler an der Universität Düsseldorf.
Durch Wohlfühl-Werbung Begeisterung für Europa wecken
"Das ist Wohlfühl-Werbung. Sie vermittelt, dass wir uns gut fühlen und Europa gut finden sollen. Das ist eine Positivwerbung, die häufig im deutschen Fernsehen gemacht wird", sagt von Alemann. Wie erfolgreich die SPD mit dieser Strategie der Werbemacher sein wird, wird sich am Sonntagabend zeigen.
Ein positives und wohliges Gefühl soll auch der Wahlwerbe-Spot der CDU hinterlassen. Sympathische Bürger verkünden ihre persönliche Europabotschaft. Die sogenannten Testimonials von Menschen verschiedener Altersklassen haben nur einen Makel: Ihnen fehle der authentische Ausdruck, so der Politikwissenschaftler. Ihre Sätze klängen wie abgelesen. "Die CDU-Wahlwerber wollen auf die Stimme des Volkes setzen, auf den Mann und die Frau von nebenan. Ich bezweifle nur, dass das die beste Strategie ist", meint Ulrich von Alemann. Inhaltlich seinen ihre Aussagen relativ unpolitisch. Das seien Aussagen, die für fast jede Partei, außer für die extremen, zutreffen würden. "Ich glaube nicht, dass das überzeugt."
Doch, das soll überzeugen. Denn am Ende kommt die Überraschung: Angela Merkel ruft persönlich auf, die CDU zu wählen. Dabei setzt die CDU auf eine bislang erfolgreiche Strategie. Frau Merkel, die nicht nur die Geschicke Deutschlands, sondern die Geschicke Europas steuert. Doch dahinter verberge sich, laut Alemann, eine Art Wahlbetrug: Die CDU verstecke sowohl ihren deutschen Spitzenkandidaten McAllister als auch ihren europäischen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker.
"Wenn die CDU das Optimale herausbekommen wollte, dann würde sie besser mit einer Europarede der Kanzlerin dastehen", so das Urteil des Politikwissenschaftlers.
Weichgespülte Werbesprache
Probleme, sich darzustellen, haben beide großen Parteien. Während der Werbepausen des Fernsehprogramms wird Wahlwerbung nur selten gezeigt. Hinzu kommt ein weiteres Problem: "In ganz wenigen demokratischen Ländern ist die Fernsehwerbung der Parteien so strikt reglementiert wie in Deutschland", meint Ulrich von Alemann. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten seien durch ihren Grundversorgungsauftrag gezwungen, diese Werbespots zu senden. Vor und nach der Parteienwerbung würden Sprüche eingeblendet, die verdeutlichen, dass sich der Sender von dem Inhalt der Werbung distanziert. "Der Zuschauer sieht förmlich, wie die sich versuchen dagegen zu wehren", meint der Politikwissenschaftler.
"Jeder 50. Nachrichtenbeitrag geht über EU-Themen"
Die Parteien kommen aber ohne die Medien nicht aus. "Wenn die Medien keine besondere Plattform für entsprechende Kommunikation bieten, heißt es auch für die Parteien, dass sie sich nicht besonders engagieren müssen", meint Jens Tenscher. Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler hat sich in verschiedenen Studien auf Europawahlkämpfe spezialisiert. Schon bei den Europawahlen 2009 zeigte sich für ihn ein ernüchterndes Bild: "In Deutschland bezog sich jeder 50. Beitrag in einer Nachrichtensendung von ARD, ZDF und RTL auf die EU-Wahl vier Wochen vor dem Wahltermin. Das ist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle."
Warum also sollten sie besonders viel Geld investieren, wenn es auf Seiten der Medien und der Bevölkerung ein geringes Interesse gibt? Um ein Bewusstsein der Bevölkerung für die Europawahlen zu wecken, sieht der Wahlforscher eine Lösung: In erster Linie müssten die öffentlich-rechtlichen Sender an ihre Verantwortung und ihren Grundversorgungsauftrag, den sie teilweise nicht erfüllten, erinnert werden. Immerhin gibt es wenigstens Sondersendungen und TV-Duelle. Inwieweit dadurch die Lethargie in der Bevölkerung gegenüber der EU durchbrochen werden kann, wird die Wahlbeteiligung am Sonntag zeigen.