Waldschutz gleich Klimaschutz
17. November 2015Alle zwei Sekunden verschwindet eine Urwaldfläche so groß wie ein Fußballfeld. Das trägt mehr zum globalen Klimawandel bei als aller Verkehr der Welt zusammen - zu Land, zu Wasser und in der Luft. Denn: Der in Bäumen und Waldboden gespeicherte Kohlenstoff wird durch Raubbau oder Brandrodung zuhauf als klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre freigesetzt.
"Ohne Wälder ist es nicht möglich, den Klimawandel einzudämmen", sagt Gustavo Silva-Chávez von der internationalen Interessenorganisation Forest Trends. Sie bringt Vertreter von Waldwirtschaft, Umweltgruppen, Wissenschaft, Entwicklungsbanken und Privatinvestoren unter ein Dach. Für Silva-Chávez gehört der REDD+-Mechanismus der Vereinten Nationen zu den Kernpunkten des Klimagipfels in Paris. "REDD+ wird ausdrücklich im Verhandlungstext erwähnt. Und höchstwahrscheinlich wird das Programm auch bei den Verhandlungen eine große Rolle spielen", so der Wald- und Klima-Experte.
Wälder als Klimaretter
"Vor allem die tropischen Regenwälder haben als drittgrößter CO2-Speicher nach den Ozeanen und Böden ein enormes Potenzial", sagt der Ökologie-Professor Doug Boucher von der "Union of Concerned Scientists", eine Wissenschaftlervereinigung in Washington, D.C.
"Die Wälder bieten die einzige praktikable Möglichkeit, mehr CO2 zu speichern als wir ausstoßen. Deshalb werden sie eine wichtige Rolle spielen, wenn wir die rückgängige Emissionen erreichen wollen, die der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) fordert", sagt Boucher, der in einem neuen Bericht die nationalen Emissionsziele der UN-Mitgliedstaaten - die sogenannten INDCs (Intended Nationally Determined Contribution) - analysiert hat.
Schatzkammer Regenwald
In Entwicklungsländern sprechen bisher jedoch viele Gründe für die Waldrodung: Etwa der Ausbau der Landwirtschaft, die Öl-Vorkommen, der Rohstoffabbau - oder legales und illegales Abholzen kostbarer Tropenhölzer. Ein einziger Baum kann unter Umständen zehn Jahreseinkommen eines Tagelöhners einbringen.
Um diese Ressourcen nicht zu nutzen, sondern den Wald zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften, soll das REDD+-Programm der Vereinten Nationen Kompensationszahlungen für die Entwicklungsländer regeln, die ihre Wälder im Gegenzug als globale CO2-Speicher stehen lassen.
Die Abkürzung REDD+ steht für eine Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung und Förderung von Waldschutz in Entwicklungsländern ("Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation and the role of conservation, sustainable management of forests and enhancement for forest carbon stocks in developing countries").
REDD+-Programm noch in der Vorbereitungsphase
Bisher gibt es nur Pilotprojekte, die von internationalen Fonds oder durch bilaterale Abkommen finanziert werden. Eine spätere Finanzierung durch internationalen Handel mit CO2-Zertifikaten ist vorgesehen, den globalen Markt dafür gibt es jedoch noch nicht. Greenpeace-Waldexperte Christoph Thies hält wenig davon:
"Das jetzt zu finanzieren, indem man Waldzertifikate auf den Markt schmeißt, womit dann die Industrieländer weiter ihre fossilen Brennstoffe verfeuern können, ist sicherlich die falsche Lösung", meint der Greenpeace-Experte.
Auch die geeigneten Instrumente, um den Waldschutz in Entwicklungsländern zu dokumentieren, verwalten und finanziell umzusetzen, befinden sich in den meisten Ländern noch in der Aufbauphase.
Brasilien als Vorzeigeland
Bis heute hat es nur ein Land geschafft, die notwendigen Instrumente aufzubauen:
"Brasilien hat seit den 1970ern die Entwaldung mit Satellitenaufnahmen dokumentiert. Es gibt dort eine Raumfahrtbehörde. Auch vor REDD+ waren sie im Stande, ziemlich genaue Daten über die Wälder zu sammeln und auszuwerten", erzählt Silva-Chavez von Forest Trends. "Sie wussten genau, wo und wie viel Wald abgeholzt wurde."
In den vergangenen zehn Jahren hat Brasilien rund eine Milliarde Tonnen Treibhausgase durch konsequente Abholzverbote eingespart, verglichen mit früheren Emissionen aus Waldrodung. Das Land hat vor allem den Amazonas unter Schutz gestellt. Das macht sich in der globalen Klimabilanz bemerkbar und wurde auch bereits honoriert.
Milliarden in der Warteschlange
Kurz vor dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen hatten mehrere Industrieländer - allen voran Norwegen und Deutschland - als Zeichen ihres Wohlwollens etliche Mittel für eine bilaterale Zusammenarbeit über das REDD-Programm versprochen.
"Norwegen hat sowohl Brasilien als auch Indonesien eine Milliarde US-Dollar in Aussicht gestellt, wenn sie ihre Emissionen von Waldvernichtung erfolgreich reduzieren würden", erzählt Doug Boucher von der Wissenschaftlervereinigung "Union of Concerned Scientists".
"Brasilien hat es geschafft und die versprochene Milliarde auch bekommen. Indonesien hat es bisher nicht geschafft und damit auch nicht das Geld bekommen", stellt er fest und fügt hinzu: "Das ist eben erst fällig, wenn Indonesien tatsächlich die Entwaldung gestoppt hat."
Komplexe Umsetzung
Ganz konkret durchgeplant ist REDD+ noch nicht. In Paris wird es nicht nur um Finanzierungsfragen gehen, sondern auch darum, wie und wann die Entwicklungsländer die technische, juristische und finanziellen Umsetzung vorantreiben, um die Emissionen aus Entwaldung zu reduzieren.
Das kann dauern, meint Gustavo Silva-Chavéz von Forest Trends: "2005, als REDD auf die Tagesordnung kam, dachten viele - ich auch - dass der REDD-Mechanismus schnell umgesetzt werden könnte. Mit der Ausnahme Brasilien müssen wir zehn Jahre später zugeben, dass es noch viel länger dauern wird".