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"Warten, dass die Demokratie liefert"

Gaby Reucher
4. November 2020

Die Wahl ist noch nicht entschieden, die Verunsicherung in den USA ist groß. Das spiegeln auch Reaktionen von Künstlern und Usern im Netz.

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Cartoon US Wahl 2020
Bild: Bernd Pohlenz 2020

Zwei Kandidaten, die auf ein Ergebnis warten und miteinander nichts zu tun haben wollen: Donald Trump und Joe Biden. Der Karikaturist Bernd Pohlenz hat seine erste Reaktion auf die noch unentschiedene US-Wahl für die DW auf den Punkt gebracht: Ein Riss spaltet nicht nur die Kandidaten, er spaltet das ganze Land. Seine Karikatur hat Pohlenz nach der Vorlage von Edward Hoppers Bild "Sunday" von 1926 gestaltet. Hopper, der oft die Leere des modernen Lebens dargestellt hat, gilt als Chronist der US-amerikanischen Zivilisation.

Die Straße des Siegs - so nennt Pohlenz seine Karikatur - ist leer. Die US-amerikanische Gesellschaft ist gespalten. Es gibt den klassischen Riss zwischen Schwarzen und Weißen, ein anderer zeigt sich beim Thema Corona: Die einen wollen die Pandemie in den Griff bekommen, die anderen leugnen das Virus und verbreiten Verschwörungstheorien. Darüber hinaus haben rassistische Gewalt und die Angst um vermeintliche Sicherheit viele Wähler in den letzten Wochen und Monaten verunsichert.

Die Wahl ist noch nicht entschieden

Jetzt helfe es nur noch abzuwarten, sagte der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden in einer ersten Stellungnahme. Genau das zeigt die Karikatur von Bernd Pohlenz, wobei sich Trump bereits entschlossen hat, die Wartehaltung aufzugeben und sich vor Auszählung aller Stimmen der Öffentlichkeit als Sieger zu präsentieren. Trump möge für sich beanspruchen, dass er gewonnen hat, aber, so twittert die Schauspielerin Alyssa Milano, Politiker würden viel sagen und es sei noch lange nicht wahr.

Zahlreiche Prominente haben auf Trumps vorzeitige Siegeserklärung und seine Ankündigung, die Stimmauszählung vorzeitig zu beenden, entrüstet reagiert. "Wir müssen auf die Auszählung von Millionen Briefwahlstimmen warten", forderte Oscar-Preisträgerin Charlize Theron. Schließlich beruhe die Demokratie auf dem Recht zu wählen und darauf, dass jede Stimme zähle. Ähnlich reagierten die Schauspielerin Bette Midler, sowie der Komiker und Moderator James Cordon.

Viele Musiker hatten bei der letzten Trumpwahl abgelehnt, für Trump aufzutreten. Stars wie die Rolling Stones oder auch die Erben von Tom Petty schickten dem Wahlkampfteam Unterlassungserklärungen, um sicherzustellen, dass ihre Musik im Wahlkampf für Donald Trump nicht verwendet wird. Anders Schauspielerin Kirstie Alley. Sie twittert: "Ich muss jetzt endlich schlafen und hoffe, dass ich mit einem Präsidenten namens Donald aufwache, der das Steuer wieder übernimmt."

Manche Stars vertrauen lieber gleich ganz auf sich. Dass Kanye West sich selbst als Präsidentschaftskandidat aufgestellt hatte, ist durch die Medien hinlänglich bekannt. Auch, dass er das erste Mal gewählt hat, hat der Rapper und Modedesigner groß in Szene gesetzt. In der Wahlnacht verbreitete er ein Post, in dem er zeigt, dass er für sich selbst gestimmt hat. Einfach Name auf den Wahlzettel schreiben, Kreuz davor und fertig. In Deutschland wäre der Stimmzettel ungültig, in den USA wird die Stimme gezählt.

"Ich wähle das erste Mal in meinem Leben den Präsidenten der Vereinigten Staaten und gebe meine Stimme jemandem dem ich wirklich vertraue … mir", twittert West.

Mittlerweile hat Kanye West bereits seine Kandidatur für 2024 angekündigt. Seine Frau hingegen - Model, Schauspielerin und Influenzerin Kim Kardashian - hat Tweets von Bidens potentieller Vizepräsidentin Kamala Harris retweetet.

Auch die Sängerin Beyoncé outet sich bei Instagram mit beschriftetem Mundschutz - der ebenso ihre Haltung zu Corona zeigt - für Biden und Harris. "Ich habe gewählt" steht darunter. 

Corona und die US-Wahl

Was die Auswirkungen der Corona-Pandemie anbelangt, so sind Berufsgruppen wie Musiker und Veranstalter derzeit am stärksten betroffen, weil sie nicht oder nur eingeschränkt öffentlich auftreten können. Mit dieser Sorge schaut auch der amerikanische Dirigent und Wahlberliner Garrett Keast auf die US-Wahl. Eine seiner Aufgaben sieht er darin, amerikanisches klassisches Musikrepertoire in Europa zu verbreiten.

USA | Dirigent Garrett Keast
Dirigent Garrett Keast dirigiert in Europa und den USA Bild: ZUMA PressImago Images

In den USA sei man stark auf Kooperationspartner und Sponsoren angewiesen, erklärte er im Interview mit der deutschen Welle, da müsse man vorsichtig sein, was man sage. "Ich denke aber, dass eine Biden-Präsidentschaft für die Künste stärker wäre. Sein vorsichtiger, kluger Ansatz würde der Wirtschaft helfen."

Doch egal wer an die Macht kommt, Garrett Keast will sich seinen Optimismus nicht nehmen lassen. "Ich denke, dieser Nationalismus und die fremdenfeindlichen Einstellungen, das wird nicht immer so weitergehen." Es sei ein hässlicher Moment für Amerika, und Trump zeige das Land nicht von seiner besten Seite. "Er bringt eher viele unserer schlimmsten Tendenzen zum Vorschein, aber ich bleibe optimistisch, was die Zukunft und unser Volk anbelangt".

Warten mit Humor

Bis die letzten Stimmen - inbesondere die per Briefwahl - ausgezählt sind, kann es noch eine Weile dauern. Die Wartezeit vertreiben sich nicht nur Stars mit mehr oder weniger lustigen Posts im Netz. Da guckt jemand im Katzenvideo seinem Haustier beim Trinken zu, ein anderer zählt Schäfchen. Auch das scheint mindestens so schwierig zu sein wie die Auszählung der Stimmzettel. 

Und diesen Tweet hat die Sängerin Pink weitergeleitet. Warum nicht in der Wartezeit ein Brot aus Sauerteig backen? Schließlich hätten die Amerikaner schon öfter in harten Zeiten gewählt, jetzt eben in einer Pandemie. "Wir haben unseren Teil getan, jetzt ist es an der Zeit, zu warten, dass die Demokratie liefert", schreibt Pink dazu. Die Sängerin hatte sich am Aufruf vieler Künstler beteiligt, wählen zu gehen, unter dem Hashtag: # EveryVoteCounts.

Ein bisschen Galgenhumor steckt aber auch in den Reaktionen. So fragt User Tobi Schäfer in Bezug auf die ausgezählten Stimmen für die Kandidaten: "Warum wird da ständig das Alter der Kandidaten eingeblendet"?

Die Sorge um die Demokratie

Hinter dem Humor von so manch einem steckt aber auch die Sorge um die Gesellschaft, die Sorge um die Kultur des Miteinanders, um Mitgefühl, Toleranz und letztendlich die Sorge um die Demokratie in den USA.

Schon am 28. Oktober hat der Musiker Bruce Springsteen ein 6 Minuten langes mit Klängen unterlegtes Selbstgespräch geteilt. "Wohin geht dieses Land? Wo sind all der Spaß, die Fröhlichkeit und der Ausdruck von Liebe und Glück geblieben?" All das sei, so ist das Video überschrieben, in so kurzer Zeit verloren gegangen. Gleichzeitig rief er dazu auf, all dem bei der Wahl ein Ende zu bereiten.

Ähnlich lethargisch begleitet der Schriftsteller T.C. Boyle die Wahlnacht mit Bildern von seinem Kamin und dem Mond. "Ich fühle mich so trostlos und entkernt wie eine lange tote Kreatur, die aus einem alten Meer an Land gespült wurde", schreibt er. Ob er den kalt gestellten Champagner genießen kann, weiß er noch nicht: "Gieße ich ihn in den Abfluss? Begeht mein Land Selbstmord?"

Namhafte amerikanische Autoren haben sich bereits im Vorfeld der Wahl der Gruppe "Writers against Trump", Autoren gegen Trump, angeschlossen. Mitbegründer Paul Auster sieht den Beginn vom "Ende einer Demokratie wie wir sie kannten" und seine Frau Siri Hustvedt sagt im DW Film "Tief gespalten: Amerika vor der Wahl": "Ich glaube wir laufen Gefahr, unsere demokratische Republik zu verlieren." Am 5. November werden einige Autoren der Gruppe eine Debatte im Netz mit Diskussionsrunde starten.