Warum "Village People" für Trump spielt
17. Januar 2025Die Liste war lang: Noch während der US-Präsidentschaftswahlen 2016, 2020 und 2024 gab es viele Musiker, die nicht wollten, dass Donald Trump ihre Songs verwendet. Sie reichte von ABBA über die White Stripes - bis zu der Band "Village People".
Erst im Juni 2020 wandte sich der Frontmann der Band, Victor Willis, öffentlich gegen das Abspielen von Village-People-Songs bei Trump-Kundgebungen. Er kritisierte damit Trumps Drohung, mit militärischer Gewalt gegen Black-Lives-Matter-Demonstrierende vorzugehen. Auf Facebook schrieb er: "Sorry, aber ich kann nicht länger wegschauen."
Wenn Geld spricht
Doch Willis änderte seine Meinung. Er musste feststellen, dass der Song "Y.M.C.A." erneut alle Rekorde brach, nachdem die Trump-Kampagne den Kulthit immer wieder bei Kundgebungen eingesetzt hatte. Wie durch ein Wunder sprang der 46 Jahre alte Titel für mehrere Wochen an die Spitze der Billboard-Charts der meistverkauften Tanzsongs.
"Es zahlte sich auch finanziell aus", räumte Willis in einem Facebook-Post im Dezember 2024 ein. "'Y.M.C.A.' hat mehrere Millionen Dollar eingebracht, seit der designierte Präsident den Song verwendet."
Nun geht Village People noch einen Schritt weiter. Die Gruppe hat eine Einladung des Trump-Teams angenommen, bei Veranstaltungen zur Amtseinführung aufzutreten, zumindest bei einer, an der Trump selbst teilnimmt.
"Wir wissen, dass dies einige von euch nicht glücklich machen wird", schrieb die Band in einer Erklärung auf ihrer offiziellen Facebook-Seite, "aber wir glauben, dass Musik ohne Rücksicht auf die Politik gespielt werden sollte." Der Song "Y.M.C.A." sei eine globale Hymne, "die hoffentlich dazu beiträgt, das Land nach einem turbulenten und spaltenden Wahlkampf, in dem unser bevorzugter Kandidat verloren hat, zusammenzubringen". Es sei an der Zeit, das Land mit Musik zu vereinen.
In den Sozialen Netzwerken schlug die Ankündigung hohe Wellen: Allein auf den offiziellen Facebook-Seiten von Village People und Willis gab es Tausende von Kommentaren. Trump-Unterstützer lobten die Entscheidung. Viele LGBTQ+-Aktivisten hingegen zeigten sich schockiert und wiesen auf die Ursprünge der Disco-Gruppe als Ikone der Schwulen-Community in den 1970er Jahren hin. Trumps MAGA-Bewegung ("Make America Great Again") jedoch sei offen homophob und wende sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.
"Man kann die Politik nicht beiseiteschieben, wenn sie darauf abzielt, der LGBTQ-Community, Frauen und anderen ihre Rechte zu entziehen. Ihr singt nicht auf einer Feier, sondern auf einer Beerdigung amerikanischer Werte", schrieb etwa Aundaray Guess, Geschäftsführer von GRIOT Circle, einer New Yorker Non-Profit-Organisation, die sich gegen die Unterdrückung von Minderheiten einsetzt.
Von der Schwulenikone zum Mainstream
Village People wurde 1977 von Jacques Morali und Henri Belolo gegründet, französischen Musikproduzenten, die in den USA einen Hit landen wollten. Obwohl nur Morali offen schwul war, kamen sie durch den Besuch von Schwulendisko-Partys in Greenwich Village auf die Idee, eine Gruppe von Sängern und Tänzern zusammenzustellen, die in Kostümen maskuline Stereotype verkörperten - einen Polizisten, einen Indianerhäuptling, einen Cowboy, einen Bauarbeiter, einen in Leder gekleideten Biker und einen Seemann.
Village People war sozusagen eine produzierte Boyband wie viele andere, aber sie war speziell auf die schwule Gemeinschaft zugeschnitten. Und sie entstand zu einer Zeit, in der die Befreiung der Queers und der politische Aktivismus an Bedeutung gewannen, eng verbunden mit der Disco-Kultur der 1970er Jahre.
Morali setzte sich dafür ein, "die kulturelle Unsichtbarkeit schwuler Männer zu beenden", schreibt die Musikhistorikerin Alice Echols in ihrem Buch "Hot Stuff: Disco and the Remaking of American Culture" (2010) und zitiert ein Interview, das der französische Musikproduzent 1978 dem Magazin Rolling Stone gab: "Ich denke mir, dass schwule Menschen keine Gruppe haben", sagte Morali, nachdem er sich als schwul geoutet hatte, "niemanden, der die schwulen Menschen verkörpert, verstehen Sie?"
Der Gruppe gelang es zwar, schwule Kultur sichtbar zu machen. Doch hätten Heterosexuelle den Stil der Musiker Künstler nicht unbedingt als schwulen "Macho-Drag" interpretiert, glaubt Kennerin Alice Echols. Wie auch immer, die Songs der Village People, die auf die besonderen männlichen Bindungen in Militärregimentern ("In the Navy") oder in den Herbergen der Young Men's Christian Association ("Y.M.C.A.") anspielen, wurden schnell vom Mainstream übernommen.
"I gotta be a macho man" - Ich muss ein Macho sein
Donald Trump und seine MAGA-Agenda kommen häufig bei Männern gut an, die den Feminismus und die LGBTQ+-Bewegung als bedrohlich empfinden und versuchen, ihre Rolle durch Hypermaskulinität neu zu definieren - indem sie den Macho durch und durch verkörpern.
Bei der Analyse, warum Donald Trump und die Village People unerwartet gut zusammenpassen, beziehen sich viele Autoren auf den Essay "Notes on 'Camp'" der US-amerikanischen Kritikerin Susan Sontag aus dem Jahr 1964. Darin versucht sie den Begriff "Camp" von "Kitsch" abzugrenzen. Sontag erklärt, Camp sei ein Konzept, das äußerst schwer zu definieren ist. "Es ist vielmehr etwas, das man erkennt, wenn man es sieht, das die Reaktion 'es ist gut, weil es schrecklich ist' auslöst."
Camp neutralisiere die moralische Empörung durch Verspieltheit, argumentierte Sontag. Die LGBTQ+-Gemeinschaft hat sich Camp als schützende Ästhetik zu eigen gemacht, um ihren Lebensstil und ihre Werte zu fördern, doch sei Camp, wie Sontag bereits 1964 feststellte, nicht geschlechts- oder sexualitätsspezifisch.
In ähnlicher Weise spielt Trump mit Camp, wobei sein spöttisches Getöse ihn vor Rückschlägen schützt - niemand weiß genau, wann er scherzt und wann nicht. Wie Dan Brooks in einem Artikel im New York Times Magazine hervorhebt, macht eine Mischung von "undefinierter, aber allgegenwärtiger Ironie es praktisch unmöglich, Trump zu verspotten".
Disco-Fehden
Als Leadsänger von Village People schrieb Willis zusammen mit Morali einige der bekanntesten Hits der Band, darunter "Macho Man", "Y.M.C.A", "In the Navy" und "Go West". Allerdings verließ er die Band 1979 in der Hoffnung auf eine Solokarriere.
In den 2010er Jahren führte Willis jahrelange Rechtsstreitigkeiten und erwarb 50 Prozent der Urheberrechte an vielen Songs der Gruppe. Nach dem gerichtlichen Vergleich, der ihn als einzigen überlebenden Inhaber der Rechte an den Liedern auswies (Morali starb 1991 an den Folgen von Aids), schloss sich Willis der Gruppe wieder an und ersetzte alle Mitglieder. Er ist nun Eigentümer der Band und arbeitet an einem Rebranding seiner Songs.
Zudem droht er damit, alle Medien zu verklagen, die "Y.M.C.A." als Schwulenhymne bezeichneten. Für ihn sei der Song nie als politische oder kulturelle Aussage gedacht gewesen: "Wenn ich sage 'hang out with all the boys', war das einfach ein schwarzer Slang der 1970er Jahre für schwarze Jungs, die zusammen Sport treiben, spielen oder was auch immer", schrieb Willis im Dezember 2024 auf Facebook. "Da ist nichts Schwules dran."
Adaption aus dem Englischen: Stefan Dege