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Neue Hoffnung für Einheitsregierung in Libyen

Andreas Gorzewski11. Dezember 2015

Libyens Konfliktparteien wollen eine Einheitsregierung. Eine Konferenz in Rom soll zudem internationale Hilfe für das Land mobilisieren. Die Zeit drängt, da der IS in Libyen immer stärker wird.

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Der UN-Sondergesantde für Libyen, Martin Kobler (l), bei einer Konferenz am 22. November 2015 in Tripolis (Foto: dpa)
Seit knapp vier Wochen sucht der UN-Sondergesandte Kobler (l). das Gespräch mit den libyschen KonfliktparteienBild: picture alliance / dpa

Italiens Regierungschef Matteo Renzi mahnt eindringlich. Europa solle sich mehr um seine südlichen Nachbarn kümmern - vor allem um Libyen. Für Sonntag lädt Renzi Vertreter libyscher Gruppen, der UNO, der USA und anderer Staaten nach Rom ein. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird kommen. Eine zentrale Rolle spielt der deutsche UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler. Er hat die rivalisierenden Parteien am Freitag offenbar zu einer Einigung gebracht. Dabei geht es der internationalen Staatengemeinschaft nicht nur um eine stabile Regierung in Tripolis. Sie will zugleich verhindern, dass sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in dem nordafrikanischen Krisenland immer mehr ausbreitet.

Der ölreiche Wüstenstaat versinkt seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in Chaos und Gewalt. Milizen, Stämme und politische Gruppen beherrschen jeweils eigene Gebiete. Mittlerweile hat das Land, das mehr als fünfmal so groß wie Deutschland ist, zwei Regierungen. Die eine ist international anerkannt und residiert in Tobruk ganz im Osten. Die andere kontrolliert die Hauptstadt Tripolis im Westen. Dort sind Islamisten-Parteien an der Macht. Immer wieder flammen Kämpfe zwischen schwer bewaffneten Gruppen auf.

Vorrang für Kampf gegen IS

Vom Machtvakuum profitieren vor allem lokale IS-Ableger. In mehreren Städten haben IS-Anhänger die schwarze Flagge des selbst erklärten Kalifats gehisst und drohen Europa mit Anschlägen. Premier Renzi betont deshalb: Die Vernichtung des IS habe absolute Priorität.

Doch in Libyen ist bislang keine Gruppe stark genug dafür gewesen. Die UN versucht seit etwa einem Jahr, die wichtigsten Parteien wieder zusammenzubringen. Ziel ist eine Einheits- und Übergangsregierung, erläutert Merin Abbass. Er leitet die Libyen-Projekte der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Die Übergangsregierung soll ermöglichen, dass Wahlen organisiert, eine Verfassung verabschiedet und innerhalb von zwei Jahren eine neue Regierung vorbereitet wird", sagt Abbass im DW-Gespräch.

Anhänger einer mit dem IS-verbündeten Gruppe schwenken im Oktober 2014 in Bengasi die Fahne der Terrormiliz. (Foto: Mohammad Hannon, AP)
In mehreren libyschen Städten schworen Islamistengruppen der IS-Führung die TruppeBild: picture-alliance/AP Photo/M. Hannon

Der Vize-Präsident des Parlaments in Tripolis verkündete nun, dass die beiden Regierungen am 16. Dezember ein Kompromisspapier unterzeichnen würden. Ein Vertreter des Parlaments in Tobruk rief alle Gruppen auf, sich der Vereinbarung anzuschließen. Um die Rivalen aus Tobruk und Tripolis noch einmal auf die Einheit einzuschwören, hatte Kobler am Donnerstag nach Tunis eingeladen. Alle Seiten hätten noch Vorbehalte, er selbst auch, hatte der Diplomat eingeräumt. Der Text liege nun aber auf dem Tisch und werde nicht mehr diskutiert. "Das hieße, die Büchse der Pandora wieder zu öffnen", warnte der Leiter der UN-Mission für Libyen (UNSMIL).

Gegen separate Regelungen

Die Widerstände gegen eine Vereinbarung waren groß. Noch am vergangenen Wochenende unterzeichneten einige libysche Vertreter ein eigenes Papier. Es sah die Wahl eines Regierungschefs binnen 15 Tagen vor. Doch Kobler sprach sich gegen separate Regelungen aus. Libyens Führer sollten das nationale Interesse höher stellen als Parteiinteressen, forderte er.

Ein Hindernis für einen Kompromiss war bislang die Angst, plötzlich ohne Mittel und Einfluss dazustehen. Alle Beteiligten stellen sich Abbass zufolge Fragen wie: "Was passiert, wenn ich nicht mehr die Macht über Ölfelder habe, nicht mehr das Finanzministerium innehabe oder wenn ich meine Waffen abliefere?" Abbass zufolge fehlen Garantien, die sich die Konfliktparteien im Gegenzug für Zugeständnisse gegenseitig geben müssten. Was es heißt, plötzlich ohne Einfluss und Amt zu sein, erlebten zahlreiche libysche Politiker im Mai 2013. Damals wurden alle, die irgendwann einmal eine Funktion unter dem Gaddafi-Regime innehatten, für immer von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Betroffen waren auch viele erfahrene Politiker und Bürokraten, die sich schon lange vor dem Sturz des Diktators vom Regime abgewandt hatten.

Äußere Einmischung

Wichtig für eine dauerhafte Regelung ist aber auch die Rolle anderer Staaten - ähnlich wie im Syrien-Krieg. "Es gibt zahlreiche regionale Mächte, die in Libyen Einfluss haben und auch das politische Geschehen mitbestimmen", sagt FES-Experte Abbass. So stünden Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate auf der Seite der Führung in Tobruk. Die Islamisten in Tripolis könnten dagegen auf Rückendeckung aus Katar und der Türkei zählen.

Ein weiteres Problem für die Gespräche war der Vertrauensverlust der UN. Koblers Vorgänger als UN-Sondergesandter, der Spanier Bernardino Leon, habe die gebotene Unparteilichkeit verletzt, kritisiert der libysche Journalist Mustafa Fetouri im Onlineportal "Al-Monitor". So soll Leon den Emiraten, die auf der Seite der Regierung in Tobruk stehen, wichtige Informationen zugespielt haben. Die Emirate sollen ihrerseits dem Spanier einen hoch dotierten Job angeboten haben.

Der frühere UN-Sondergesandte für Libyen, Bernardino Leon (M.), am 5.03.2015 bei Verhandlungen mit Libyern in Marokko. PHOTO /FADEL SENNA
Der frühere UN-Sondergesandte Leon (M.) hatte keinen Erfolg bei seinen GesprächenBild: Fadel Senna/AFP/Getty Images

Ob die angekündigte Zustimmung zum UN-Papier auch erfolgt und von Dauer ist, bleibt abzuwarten. Schon mehrfach schien eine Einigung zum Greifen nah. Außerdem muss am Sonntag in Rom noch die internationale Hilfe für das Land verhandelt werden. Zunächst überwiegt jedoch die Hoffnung. "Das ist ein Freudentag", sagte der Vize-Präsident des Abgeordnetenhauses in Tripolis.