Das UN-Quartier im Rhein
31. Januar 2014Die Prioritäten des Protokolls sind klar: In Berlin trifft UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf die deutschen Regierungsvertreter. In München nimmt er an der Sicherheitskonferenz teil. Am Rande vermelden die Nachrichtenagenturen dann noch einen "Abstecher nach Bonn" (31.01.2014). Normalerweise steht Bonn stets im Mittelpunkt, wenn es in Deutschland um die Vereinten Nationen geht. 18 UN-Organisationen haben sich in der 300.000 Einwohner-Stadt am Rhein angesiedelt. Darunter zum Beispiel das Klimareferat (UNFCCC), das Sekretariat der Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) oder das Sekretariat des Abkommens zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulation (UNEP/EUROBATS).
Auch das Internationale Zentrum für Berufsbildung der UNESCO hat seinen Sitz in Bonn. Ihr Leiter ist Shyamal Majumdar - zusätzlich hat er zur Zeit den Vorsitz aller UN-Büros in Bonn inne. Seit 2004 kam nahezu jährlich eine neue UN-Organisation nach Deutschland. Majumdar erklärt das vor allem mit dem Engagement der Deutschen in Sachen Nachhaltigkeit, das als vorbildlich gesehen werde: "Viele Länder interessiert es, wie erneuerbare Energien genutzt werden, Solarkraft, Windkraft, Geothermik." Außerdem hält Majumdar "die deutsche Idee ganzheitlicher Nachhaltigkeit" für besonders überzeugend - also die gleichzeitige Sicht auf wirtschaftliche oder soziale Aspekte.
Internationales Flair im "Langen Eugen"
Grundsätzlich entscheiden Kommissionen mit Repräsentanten der UN-Mitgliedsländer, wo eine Organisation der Vereinten Nationen angesiedelt wird. Dass sich die deutsche Bundesregierung ab den 1990er Jahren verstärkt mit dem Standort Bonn um den Sitz von UN-Organisationen bewarb, liegt am so genannten Berlin/Bonn-Gesetz. 1991, nach der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland, besiegelte dieses Gesetz die Verlegung des deutschen Regierungssitzes von Bonn nach Berlin - inklusive einiger Bundesministerien und zahlreicher Arbeitsplätze.
Zum Ausgleich sollte die alte Hauptstadt Bonn unter anderem als Standort für Entwicklungspolitik sowie für internationale und supranationale Einrichtungen gestärkt werden. Dafür erhielt sie Millionen an staatlicher Förderung. Ein Großteil der UN-Organisationen ist in den ehemaligen deutschen Regierungsgebäuden untergebracht - etwa im dem Hochhaus, in dem früher die Bundestagsabgeordneten arbeiteten und das im Volksmund "Langer Eugen" heißt: benannt nach dem ehemaligen Parlamentarier Eugen Gerstenmaier.
"Bereicherung für Bonn"
"Es sind mittlerweile fast 1000 Mitarbeiter dort beschäftigt, die in der Stadt leben, einkaufen und die das internationale Stadtbild bereichern", sagt Stefan Wagner, Leiter des Amtes für Internationales und globale Nachhaltigkeit der Stadt Bonn. Und auch die Schwerpunkte der UN-Organisationen machten sich mittlerweile im städtischen Leben bemerkbar: So gebe es wohl kaum eine deutsche Stadt, die ein Amt für globale Nachhaltigkeit - also für seinen eigenen Verantwortungsbereich - eingerichtet habe, merkt Wagner lachend an. Außerdem verweist er auf eine Reihe von Klimaprojekten, die Bonn mit seinen Partnerstädten angestoßen hat.
Der Status als UN-Standort hatte für Bonn in den vergangenen Jahren aber auch seinen Preis. Weil die Vereinten Nationen zur Bedingung machten, dass eine ausreichende Infrastruktur vorhanden ist, sollte ein neues Kongresszentrum gebaut werden. Damit nahm ein Bauskandal seinen Lauf, der die Stadt bis 2013 in Atem hielt: Die Bonner Stadtverwaltung ging einem zwielichtigen Investor für ihr geplantes "World Conference Center" auf den Leim. Das brachte der Stadt schließlich einen Schaden in Millionenhöhe ein - außerdem deutschlandweit den Spott, das Streben nach einem internationalen Image sei für das beschauliche Bonn eine Nummer zu groß.
Ein "Wissenskraftwerk" am Rhein
Wenn man Shyamal Majumdar auf den beschaulichen Charakter seiner Wahlheimat Bonn anspricht, dann betont er vor allem die Vorzüge: "Die Lage am Rhein ist wunderschön, sehr grün, es ist eine sehr familienfreundliche Stadt. Internationale Schulen, Museen, die Oper - alles ist auf kurzen Wegen erreichbar, zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln." In unmittelbarer Nachbarschaft des UN-Campus liegen auch Institutionen wie das Bundesentwicklungsministerium, verschiedene Nichtregierungsorganisationen und wissenschaftliche Institute, die sich mit Umweltthemen und Klimaschutz beschäftigen. "Zu vielen dieser Institutionen haben wir Verbindungen", sagt Majumdar, "da entsteht ein regelrechtes Kraftwerk des Wissens".