UN-Einsatz mitten im Bürgerkrieg
1. Oktober 2013Es ist das erste Mal, dass die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in einem Bürgerkriegsland beauftragt wird, Chemiewaffen unbrauchbar zu machen. Der Einsatz gilt als eine der ehrgeizigsten und gefährlichsten Operationen dieser Art. Die Experten reisen unbewaffnet und sind zunächst auf den Schutz der syrischen Regierung angewiesen.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad sicherte diesen Schutz zwar zu. Es sei aber nicht auszuschließen, dass Terroristen – wie Assad bewaffnete Oppositionelle bezeichnet – versuchen würden, die Arbeit der Experten zu torpedieren, erklärte der Staatschef in Damaskus.
Zuerst Anlagen zur Herstellung von Giftgas zerstören
Grundlage der Arbeit der OPCW-Mitarbeiter ist die Resolution 2118 des UN-Sicherheitsrats vom Freitag. Damit soll die Vernichtung der Chemiewaffen bis Ende 2014 durchgesetzt werden. Sie ermöglicht Strafmaßnahmen, sollte Damaskus nicht wie von Assad zugesagt kooperieren. Allerdings gibt es auf Druck Russlands keinen Automatismus.
Den Inspekteuren liegt eine Liste mit Produktions- und Lagerstätten vor, welche die Führung in Damaskus am 19. September der in Den Haag ansässigen Organisation übermittelt hatte. Bis spätestens Ende Oktober müssen die internationalen Inspekteure alle Anlagen erstmals besichtigt haben. Auf tausend Tonnen chemische Kampfstoffe wird der syrische Bestand geschätzt, darunter Sarin, Senfgas und das Nervengas VX. Die Giftstoffe sollen landesweit auf 45 Standorte verteilt lagern. Erstes Ziel der Experten ist, die Produktionsanlagen für chemische Waffen bis zum 1. November zu zerstören.
Opposition empört
Führende Vertreter der syrischen Opposition kritisierten die Vereinbarung zur Vernichtung der Chemiewaffen als Aufwertung Assads. Der Oberkommandierende der Freien syrischen Armee (FSA), Kassem Saadeddin, sprach von einer Schande für die UN. Andere werfen den Vereinten Nationen vor, Assad dadurch wieder "respektabel, legitim" gemacht zu haben. Vor allem Russland habe den verhassten Machthaber quasi wieder an der Verhandlungstisch zurückgeholt.
Nur gemäßigte Oppositionelle am Tisch?
Gerade darauf setzt Moskau auch mit seiner Forderung nach einer schnellstmöglichen Syrien-Konferenz. Außenminister Sergej Lawrow wollte zwar nicht ausschließen, dass daran auch Vertreter der bewaffneten syrischen Opposition teilnehmen könnten, allerdings "weder Extremisten noch Terroristen". Dies sei auch der Standpunkt Assads.
Lawrow bezweifelte jedoch angesichts der zunehmenden Zersplitterung der Opposition, dass der Westen die Oppositionellen rechtzeitig von einer Teilnahme überzeugen könne. Die Konferenz müsse aber möglichst bald stattfinden, weil in dem Bürgerkriegsland die "Radikalen und Dschihadisten ihre Positionen festigen." Zuvor hatte bereits der Syrien-Gesandte der UN und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahmi, erklärt, der November-Termin sei keinesfalls sicher.
Erster Bericht steht noch aus
In Syrien war bereits in den vergangenen Tagen eine Gruppe von UN-Inspekteuren im Einsatz, die mutmaßliche Giftgaseinsätze im Bürgerkrieg untersucht hat. Das Team hatte vor einigen Wochen schon den Einsatz von Sarin-Gas im Umland von Damaskus festgestellt. In Ghuta, einem Vorort der syrischen Hauptstadt, waren dabei am 21. August nach US-Angaben mehr als 1400 Menschen ums Leben gekommen. Wer die Chemiewaffen einsetzte, ließen die Inspekteure zunächst offen. Das Ergebnis der Gesamtuntersuchung soll UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Ende Oktober vorgelegt werden.
gmf/SC (afp, ap, dpa, epd, rtr)