Wie grün ist die EU-Agrarreform?
21. März 2013Es ist ein großes Vorhaben und es geht um viel Geld: Mit 60 Milliarden Euro werden die Landwirte in der Europäischen Union zurzeit pro Jahr subventioniert. Bislang kassieren viele Bauern pro Hektar Land, das sie bewirtschaften - und zwar unabhängig davon, was und wie sie dort anbauen. Das soll sich ändern. Künftig werden die Landwirte, so der Plan der Agrarminister, das Geld nur noch in voller Höhe bekommen, wenn sie auf ihren Feldern etwas für den Umweltschutz tun. Die EU-Agrarpolitik soll grüner werden.
Mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen sollen an diese Umweltleistungen gebunden werden. Das haben die 27 EU-Landwirtschaftsminister nach gut 36 Stunden harter Verhandlungen vereinbart. Reine Monokulturen, die beispielsweise ganze Landstriche in ein Meer aus Maisfeldern verwandeln, soll es künftig nicht mehr geben. Um weiterhin die vollen Subventionen zu erhalten, müssen Betriebe zwei oder drei unterschiedliche Dinge anbauen. Zudem müssen die Bauern fünf Prozent ihrer Flächen extensiv, also umweltschonender, bewirtschaften.
"Wirkungslose Worthülsen"
Was nach einem Credo für den Öko-Landbau klingt, ist aus Sicht von Umweltschützern nur ein Lippenbekenntnis. Der Begriff des "Greening", der in der Vereinbarung der Minister für die Ökologisierung der Landwirtschaft steht, sei dort "eher eine Worthülse", sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Umweltauflagen, die in dem Vorschlag formuliert wurden, seien "so inhaltsleer, dass weder Arten noch Klima dadurch geschützt werden", so Benning im DW-Interview. Der Effekt werde gleich Null sein.
Laut einem früheren Vorschlag der EU-Kommission hätten die Bauern verpflichtet werden sollen, sieben Prozent ihrer Flächen für den Artenschutz bereitzustellen, etwa Blumenwiesen für Bienen anzulegen oder Hecken als Nistplätze für Vögel. "Jetzt sind es nur noch fünf Prozent - und auf diesen fünf Prozent kann im Grunde auch noch ganz normal weiter angebaut werden", sagt Benning. Die Vereinbarung werde demnach auch nicht dazu beitragen, "leere, ausgeräumte Agrarsteppen" wieder mit Leben zu füllen, wie es sie auch in einigen Regionen Deutschlands gebe.
Bauernverband hat mit Greening "kein Problem"
Einen ganz anderen Eindruck hat Helmut Born, wenn er durch Deutschland fährt. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes sieht weniger Agrarsteppen als vielmehr viele "Hecken, kleine Büsche und grüne Flecken". Er findet: Deutsche Landwirte tun schon viel für den Umweltschutz und beachten zahlreiche Richtlinien zum Naturschutz. Das müssen sie sich seiner Meinung nach auch anrechnen lassen können. Tatsächlich sehen die Minister in ihrem Entwurf das auch so. Wenn die schon erfüllten Umweltleistungen berücksichtigt werden, "dann haben wir mit dem Greening-Aspekt überhaupt kein Problem", so Born im DW-Gespräch.
Dass die Agrarminister den ursprünglich geplanten Anteil der Schutzflächen von sieben auf fünf Prozent reduziert haben, und dass zumindest extensive Landwirtschaft, die also die Umwelt weniger stark belastet, dort jetzt ebenfalls erlaubt sein soll, erklärt sich Born so: "Wir haben im Moment, nicht nur in Europa, eine große Nahrungsmittel- und Energieknappheit. Wir brauchen jeden Hektar für die Produktion." Doch es geht auch um das Auskommen der Bauern: Wäre es bei dem ursprünglichen Vorschlag geblieben - auf sieben Prozent des Ackerlandes darf gar keine Landwirtschaft mehr betrieben werden - hätte das für die Landwirte spürbare Verluste bedeutet. Dadurch hätte ein Bauer zehn, zwölf Prozent seines Einkommens verloren, schätzt Born.
Problemfall Zuckerrübe
Ganz anders als der BUND zeigt sich der Deutsche Bauernverband mit dem Kompromiss also durchaus zufrieden. Kritisch sieht der Verband indes die aktuellen Brüsseler Änderungen an der Zuckermarktordnung, die bislang Europas Landwirte vor preiswerten Importen beispielsweise aus Südamerika schützt. Laut dem Entwurf soll sie spätestens in vier Jahren auslaufen. Der Deutsche Bauernverband sei nicht gegen ein Auslaufen der Zuckermarktordnung, sagt Generalsekretär Born. Das schnelle Ende des Schutzes würde aber nicht nur Landwirte, sondern auch die Zuckerwirtschaft überfordern. Deswegen solle die Zuckermarktordnung noch einmal bis 2020 verlängert werden.
Wie die EU-Agrarreform letztlich aussehen wird, die den Kurs der europäischen Landwirtschaftspolitik bis zum Ende des Jahrzehnts festlegen soll, hängt nun von weiteren Verhandlungen ab. Denn sowohl das Europaparlament als auch die Mitgliedsstaaten müssen der Neuregelung noch zustimmen. Es wird also weitere Kompromisse geben. Dennoch gibt sich Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) optimistisch: Im Herbst könnten die entsprechenden Gesetze formell beschlossen werden. Die Reform könnte dann 2015 in Kraft treten.