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Politik ohne Doktortitel?

Ole Kämper16. Oktober 2012

Bildungsministerin Annette Schavan ist bei weitem nicht die erste Politikerin, deren Dissertation in die Kritik gerät. Wie wichtig ist so ein Titel in der Politik, und wie ginge es weiter, falls der Titel aberkannt wird?

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Doktorhut mit Diplom (Foto: Fotolia/Gina Sanders)
Bild: Fotolia/Gina Sanders

Jung, erfolgreich, beliebt. Karl-Theodor zu Guttenberg galt als der Hoffnungsträger der CSU. Nicht wenige sahen in ihm einen aussichtsreichen Kandidaten für eine zukünftige Kanzlerkandidatur der Christsozialen. Doch dann wurde ihm seine fehlerhafte Doktorarbeit zum Verhängnis. Es folgte der politische Absturz.

Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist der wohl bekannteste Fall, bei dem ein Politiker über Plagiatsvorwürfe und einen aberkannten Doktortitel gestolpert ist. Zu Guttenberg gab der öffentlichen Empörung nach und trat im März 2011 von seinen politischen Ämtern zurück. Bis heute ist er der politischen Bühne in Deutschland ferngeblieben.

Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: dapd)
Prominentester Schummler: Karl-Theodor zu GuttenbergBild: dapd

Seit zu Guttenberg musste eine ganze Reihe von Politikern ihren Doktortitel aufgrund unsauberer Dissertationen abgeben. "Wenn der Doktortitel aberkannt wird, kann auch leicht die Karriere zu Ende sein", sagt Politikwissenschaftler Gerd Langguth im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Wenn man den Doktortitel hat, dann fällt auch die Politik leichter. Man wird ehrfürchtiger angehört und angeschaut." Gerade im bürgerlichen Lager werde jemandem, der einen Doktortitel trage, einfach mehr Respekt entgegengebracht.

Titel futsch, na und?

Doch längst nicht alle Politiker gaben mit dem Titel auch ihre politische Karriere auf. Die FDP-Europapolitiker Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis sitzen weiterhin im Europäischen Parlament. Nicht nur im fernen Brüssel haben es deutsche Politiker geschafft, trotz Plagiatsvorwurfs in der Politik zu bleiben. So hielt der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai auch nach Aberkennung seines Doktortitels an seinem Mandat fest. Der Berliner CDU-Fraktionschef Florian Graf legte seinen Doktortitel freiwillig ab, nachdem Betrugsvorwürfe laut wurden. Fraktionschef blieb er nach einer von ihm gestellten Vertrauensfrage dennoch. Dieser Fall deute auf einen Wandel hin, sagt Uwe Kamenz, Plagiatsforscher aus Münster im DW-Interview. "Der hat vor der Publikation seiner Arbeit schon den Doktortitel zurückgegeben, weil er genau wusste, dass jetzt aufgrund dieser Plagiatsjäger seine Arbeit auch jemand analysiert hätte", sagt Kamenz. Die meisten Politiker reagierten aber immer noch grundsätzlich falsch. "Zu sagen, da wäre nichts, geht natürlich nicht, weil es ja jeder nachlesen kann im Internet."

JSilvana Koch-Mehrin (Foto: dpa)
Auch ohne Titel weiter aktiv: Silvana Koch-MehrinBild: picture-alliance/dpa

Der Vorwurf gegen Schavan sei aber nicht mit dem Fall zu Guttenbergs vergleichbar, sagt Kamenz. Denn der habe seitenweise abgeschrieben, ohne es kenntlich zu machen. Die Bundesministerin hingegen habe lediglich unsauber zitiert. Allerdings mache ihre besondere Stellung als Ministerin für Bildung und Wissenschaft den Umgang mit ihrer Dissertation schwierig.

Rettet sich Schavan über die Zeit?

Auf Länderebene sahen sich bereits zwei CDU-Kultusminister mit einem ähnlichen Vorwurf konfrontiert. Roland Wöller (Sachsen) und Bernd Althusmann (Niedersachsen) mussten sich vor einem Promotionsausschuss zu Betrugsvorwürfen äußern. Sie kamen mit einem blauen Auge davon, durften ihre Doktortitel behalten und blieben im Amt. Wöller trat später aus anderen Gründen zurück.

Gerd Langguth (Foto: dpa)
Glaubt an wenig Konsequenzen für Schavan: Gerd LangguthBild: picture-alliance/dpa

Auch wenn Schavan tatsächlich der Doktortitel aberkannt wird, glaubt der Politikwissenschaftler Gerd Langguth, dass es für ihre politische Karriere kaum noch von Bedeutung sei: "Sie hat ja schon erklärt, dass sie nach der nächsten Bundestagswahl nicht mehr als Ministerin zur Verfügung stehen wird." Dennoch wolle sie rechtlich gegen eine Aberkennung vorgehen. Der Gang durch die Instanzen werde sie dann wohl über die Zeit - bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 - retten. Verlöre sie, blieben ihr noch vier Dr. h.c. Diese Titel hat sie ehrenhalber verliehen bekommen.

Wie auch immer: Nach der Schwemme der aberkannten Doktortitel seit zu Guttenberg müsse nun erstmal einige Zeit vergehen, glaubt Plagiatsforscher Uwe Kamenz. Erst dann könne man genau bewerten, welchen Einfluss ein aberkannter Doktortitel langfristig auf eine Politikerkarriere habe.