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Wir sind das Volk!

Vanessa Fischer13. Juli 2003

Bald wird es eine europäische Verfassung geben. Aber wer wird sie legitimieren? Werden die europäischen Bürger abstimmen können? In vielen EU-Mitgliedsländern wird darüber diskutiert. Deutschland hält sich eher bedeckt.

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Werben für Volksabstimmungen vor dem Berliner ReichstagBild: AP

Der Entwurf liegt jetzt auf dem Tisch. Damit die europäische Verfassung in Kraft treten kann, müssen allerdings noch zwei Hürden genommen werden. Als nächstes muss der Entwurf von der Regierungskonferenz - sie besteht aus den Regierungen der Mitgliedstaaten - beschlossen werden. Im letzten und entscheidenden Schritt geht es dann um die demokratische Legitimation der Verfassung durch die Mitgliedsstaaten. Und hierbei stellt sich die Frage: Können die Bürger noch ein Wort mitreden oder dürfen nur die Volksvertreter, also die Parlamente der EU-Staaten darüber abstimmen?

Einige Länder haben sich schon festgelegt. Frankreich, Spanien, Portugal und Luxemburg wollen ihre Bürger über die EU-Verfassung abstimmen lassen. In Dänemark und Irland ist der Volksentscheid in diesem Fall ohnehin von der jeweiligen nationalen Verfassung vorgegeben.

Deutschland hat noch nie abgestimmt

Und in Deutschland? Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die Deutschen sich auf demokratischem Weg zu Europa bekennen. "In Deutschland gibt es einen großen Frust darüber, dass nicht, wie etwa in Frankreich, über den Euro abgestimmt wurde", sagt Ralph Kampwirth vom parteiunabhängigen Verein "Mehr Demokratie" im Gespräch mit DW-WORLD. Ein Referendum zur EU-Verfassung sei auf lange Zeit die letzte Chance, die deutschen Bürger einzubinden, meint Kampwirth.

Doch Volksabstimmungen auf Bundesebene haben hierzulande keine Tradition. Um diese einzuführen, wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig und dafür wiederum bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag sowie in der Länderkammer, dem Bundesrat.

Als der EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen vorschlug, der Osterweiterung der Europäischen Union in Deutschland mit einem Referendum Legitimität zu verschaffen, löste das innenpolitisch heftige Kritik aus.

Dabei hatte sich die Rot-Grüne-Regierung den Ausbau der direkten Demokratie eigentlich auf die Fahne geschrieben. In der letzten Legislaturperiode legte die Koalition ein Gesetz zur Einführung von Volksabstimmungen. Damals scheiterte das Vorhaben an der Union, die schon im Bundestag mehrheitlich dagegen stimmte.

Jetzt ist die Chance

Jetzt scheinen sich die Vorzeichen etwas gedreht zu haben. In der Union mehren sich die Stimmen für ein Plebiszit. Allen voran macht sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber dafür stark, die Deutschen über die EU-Verfassung abstimmen zu lassen. "Wenn sich Rot-Grün Mühe gibt, stehen die Chancen für eine Mehrheit gar nicht schlecht, aber es gibt zur Zeit keinen Akteur, der sich reinhängen will", meint Kampwirth.

Tatsächlich lässt der Großteil der Koalition wenig Position erkennen. Ablehnend äußerten sich bereits Außenminister Joschka Fischer und Justizministerin Brigitte Zypries. Der Volksentscheid sei eine Einladung für Europagegner Stimmung zu machen, so die Argumentation.

Kampwirth nennt das ein Totschlagargument. Schließlich gehe es darum, die Bürger ins Boot zu holen und klar zu machen: "Das ist euer Europa und nicht das einiger Köpfe in Brüssel." Kampwirth hofft, dass der Druck auf die Bundesregierung wachsen wird, je mehr Staaten sich für ein Referendum entscheiden.

"Volk ist kein Orakel"

Einige Politiker sehen die Bürgerbefragung als eine Alternative zum Referendum. Die Bürgerumfrage bedarf nur einer einfachen Mehrheit im Parlament, ist allerdings auch nicht verbindlich. Kampwirth hält diese Variante für problematisch: "Das Volk ist schließlich kein Orakel, dass man mal befragen kann und dann macht man aber doch was man will."

EU Verfassung EU-Gipfel in Thessaloniki
Auf dem Tisch: Der Entwurf für die europäische Verfassung.Bild: AP

Völlig unklar ist allerdings, was passiert, sollten sich die Bürger einiger Mitgliedsstaaten nicht zum Entwurf des EU-Konvents bekennen. Treten diese Länder dann aus der EU aus? Gilt dann noch der alte Vertrag von Nizza? Ist die EU dann für die nächsten Jahre blockiert? Ein Risiko besteht jedenfalls und genau das fürchten die Gegner des Volksentscheids. Andererseits wäre ein paneuropäisches Ja zur neuen Verfassung auch eine überragende Legitimation. Dem Bürger wäre sie damit vielleicht ein Stückchen näher.