Weise mit Zuckerbrot und Peitsche
13. November 2013Die neue Regierung ist noch nicht im Amt und schon hagelt es Kritik: In seinem Gutachten warnt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vor einer "rückwärtsgewandten Wirtschaftspolitik". Die gute Position Deutschlands im Vergleich zu den Krisenländern des Euroraums "scheint vielfach den Blick auf die großen zukünftigen Herausforderungen verstellt zu haben", kritisierten sie bei der Vorlage ihres Herbstgutachtens in Berlin.
Derzeit in den Koalitionsverhandlungen diskutierte Maßnahmen wie die Mütterrente, eine Aufstockung niedriger Renten sowie Ausnahmen von der Rente mit 67 gingen überwiegend zu Lasten der kommenden Generationen. Die Reformen der Agenda 2010 dürften daher nicht verwässert oder teilweise zurückgenommen werden, heißt es im Gutachten. Die Forscher kritisierten auch den Mindestlohn oder Steuererhöhungen. Der eingeschlagene Reformkurs müsse fortgesetzt werden. "Die Bundesregierung sollte nicht den Eindruck erwecken, von anderen Ländern schmerzhafte Anpassungsprozesse zu erwarten oder gar zu fordern, aber vor unpopulären Maßnahmen im Inland zurückzuschrecken."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die massive Kritik der fünf Wirtschaftsweisen an den Plänen von Union und SPD in den weiteren Koalitionsverhandlungen berücksichtigen. Die Hinweise der Regierungsberater würden ernst genommen, sagte Merkel bei der Annahme des Gutachtens. Dieses komme zum richtigen Zeitpunkt. Aber nicht alle Forderungen könnten eins zu eins umgesetzt werden. Mit Blick auf Konjunktur und Beschäftigungsentwicklung sagte die Kanzlerin: "Die Lage kann uns mit Freude erfüllen." Aber die Herausforderungen der Zukunft seien groß.
Positive Signale
Doch es gibt nicht nur Kritik. Die fünf Wirtschaftsweisen rechnen im kommenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent. Grund für die konjunkturelle Aufhellung sei die Beschleunigung der weltweiten Produktion, heißt es in dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates. In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach nur bei 0,4 Prozent liegen.
Geleitet wird das Gremium vom Präsidenten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph Schmidt. Zum Sachverständigenrat gehören außerdem die Wissenschaftler Peter Bofinger, Claudia Buch, Lars Feld und Volker Wieland. Der Rat wurde 1963 ins Leben gerufen, um die Regierung wirtschaftspolitisch zu beraten.
rbr/sti (dpa, rtr)