Woran Frankreich krankt
18. November 2014Die Kritik an Frankreichs Wirtschaftspolitik wächst. Frankreichs Regierung habe noch immer nicht den Ernst der eigenen wirtschaftlichen Lage erkannt, sagt Katharina Pijnenburg vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Deutschen Welle.
Im Euroraum herrsche noch große Verunsicherung, angetrieben durch geopolitische Krisen wie in der Ukraine. Aber auch Frankreichs negativer Staatshaushalt als zweitgrößte Wirtschaftsmacht im Euroraum habe seine Schuldenkrise nicht ausgestanden. Es bestehe weiterhin das Risiko, dass sie dort außer Kontrolle geraten könne, so die Expertin für Makroökonomie.
Tatsache ist: In Frankreich gibt es seit zwei Jahren kein wirtschaftliches Wachstum. Trotzdem betreibt Präsident François Hollande eine expansive Fiskalpolitik. Die französische Regierung glaubt, mehr Staatsinterventionen könnten die Krise bewältigen. Doch Katharina Pijnenburg sieht diese Strategie skeptisch: Frankreich könne die Krise nur durch Strukturreformen - vor allem der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes - und eine gleichzeitige Stärkung von Unternehmen und Märkten hinter sich lassen.
Aufschwung statt Schuldenabbau
Doch Reformwillen beweist Paris bisher nicht. Zu groß ist der Widerstand in der eigenen Sozialistischen Partei (PS) von François Hollande. Die Sanierung des Staatshaushalts kommt nicht voran: Das Haushaltsdefizit wächst seit 2008 stetig an und liegt über der von der Europäischen Union festgelegten Drei-Prozent-Marke. Im Jahr 2013 lag die Defizitquote mit 4,3 Prozent deutlich darüber. Für das Jahr 2015 rechnen Experten mit einem Anstieg auf 4,7 Prozent. Nach Einschätzungen von Katharina Pijnenburg werden die Maastrichter-Kriterien zur Neuverschuldung erst ab 2017 eingehalten. Damit steigt die öffentliche Neuverschuldung zunächst weiter - zum Ärgernis der Brüsseler Beamten.
Die tiefe Krise lässt auch den Euroraum schwanken. Es seien gerade reformmüde EU-Staaten wie Frankreich und Italien, die den wirtschaftlichen Aufschwung der Euro-Zone bremsen - und das, obwohl sie zusammen mit Deutschland zu den drei größten Volkswirtschaften der EU zählen. "Es muss was geschehen, sonst riskiert Frankreich durch die nicht nachhaltige Schuldenentwicklung wie damals Portugal und Spanien abzurutschen", warnt die DIW-Ökonomin.
Frankreich und Italien - die kränkelnden EU-Nationen
Die Finanzkrise von 2008 führte im Bankensektor in den beiden Ländern zu einem großen Anstieg der Staatsschulden. Wertverluste wiederum haben bei Staatsanleihen wegen einer nicht nachhaltigen Schuldenentwicklung Krisen bei den Banken verursacht. Die Schuldenkonsolidierung und die aufgelegten Sparprogramme belasten seitdem die Realwirtschaft. Langfristig führt das zu Steuerausfällen und steigenden Sozialausgaben und letztendlich zu höheren Defiziten.
In Bezug auf Frankreich bestände angesichts der großen Haushaltsdefizite noch immer Gefahr, dass sich die Krisenspirale weiterdreht, so Wirtschaftsexpertin Pijnenburg. Doch der Schuldenabbau gerät in den Hintergrund, der Aufschwung des Landes hat Priorität - und den wollen Hollande und seine Regierung aus eigener Kraft schaffen. "Dafür müssen diese rigiden Strukturen aufgebrochen werden, um mehr Wachstum zu generieren. Das weiß Frankreich, aber der Widerstand aus den eigenen Reihen ist groß und hemmt den Umbau des Sozialsystems und Arbeitsmarktes", meint Pjnenburg. Französische Ökonomen sehen die Verantwortung für den dauerhaften wirtschaftlichen Abschwung allerdings bei Deutschland und der Sparpolitik der Euro-Länder.
Gefahr für die gesamte Eurozone
Doch der Druck auf die französische Regierung wächst, denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt: Im Juni lag die Arbeitslosenquote bei 10,2 Prozent und damit doppelt so hoch wie in Deutschland. Diese hohe Arbeitslosigkeit bremst vor allem den Konsum und die Konjunktur. Dabei ist der Konsum für Frankreich eine sehr wichtige Wachstumsstütze und auch der überraschende Wirtschaftsaufschwung von 0,3 Prozent des letzten Quartals wurde hauptsächlich durch den Konsum getragen. "Wenn die Arbeitslosigkeit steigt ist das besonders verheerend", so Pijnenburg.
Um der Abwärtsspirale zu entkommen, würde Frankreich vor allen Dingen ein vereinfachtes Steuersystem brauchen, um Betrieben mehr finanziellen Spielraum für Investitionen zu geben, meint die Wirtschaftsexpertin. Dafür sei eine ausgewogene Wettbewerbspolitik wichtig. Eine hohe Wettbewerbsintensität fördert mehr Innovationen. Die Unternehmen sind dann gezwungen, mit Investitionen in neue Entwicklungen dem Konkurrenzdruck zu entgehen. Dadurch würde mehr Wachstum produziert. Pijnenburg ist es wichtig, "dass bessere Rahmenbedingungen für mehr Innovationen und Wachstum geschaffen werden, damit die Eurozone insgesamt besser aus diesem Tief herauskommt."