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Yukos-Affäre überschattet EU-Russland-Gipfel

6. November 2003

Die Yukos-Affäre trübt das Verhältnis zwischen Brüssel und Moskau. Auf dem Gipfel in Rom stellt sich für die EU die Frage nach der Verlässlichkeit Russlands als Wirtschaftspartner.

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Demonstrative Harmonie: <br>Putin und Berlusconi in RomBild: AP

Michail Chodorkowski sitzt zwar im Gefängnis, doch der Schatten des ehemaligen Komsomol-Funktionärs reicht bis nach Rom zum europäisch-russischen Gipfeltreffen (06.11.03). Wie alle anderen Partner Russlands im Westen, ist auch die Europäische Union irritiert über das rigorose Vorgehen des russischen Präsidenten gegen den Öl-Magnaten.

Wenn Mitglieder der russischen Regierung, wie Innenminister Gryslow, öffentlich die Privatisierung der russischen Rohstoffbranche geißeln, dann fragen sich auch die Europäer, welche Spielregeln künftig auf dem russischen Markt gelten sollen. "Die Bodenschätze gehören allen Bürgern Russlands", hatte Gryslow in der vergangenen Woche den Fall Chodorkowski kommentiert. "Und wenn sich irgendeine Firma mit der Ausbeutung der Bodenschätze befasst, heißt das nicht, dass diese Firma unsere Profite auch privatisieren darf." Der russische Minister für Bodenschätze, Witali Artjuchow, hatte in einem Zeitungsinterview damit gedroht, Yukos die bereits erteilten Förderlizenzen zu entziehen.

Erklärungsbedarf für Putin

Wladimir Putin sprach sich daraufhin gegen den Entzug der Lizenzen aus – doch mehr sagte er nicht. EU-Handelskommissar Pascal Lamy fordert Antworten, wie es wirtschaftlich in Russland weiter gehen soll. Ein Kommissionssprecher hatte zwar erklärt, die EU werde sich nicht in interne Angelegenheiten Russlands einmischen. Die EU-Delegation habe aber vor, das Thema auf dem Gipfeltreffen in Rom nicht unter den Teppich zu kehren. Denn die Yukos-Affäre, so ließ Kommissionschef Romano Prodi über seinen Sprecher andeuten, wirke sich negativ auf die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Das Vorgehen Putins sei nicht akzeptabel und gefährde die Pläne einer gemeinsamen Handels- und Wirtschaftszone.

Die Reaktion der Europäer über die Entmachtung Chodorkowskis brachte die Pariser Tageszeitung "Le Monde" auf den Punkt: "In Russland ist das Gesetz traditionell nicht dazu da, um respektiert, sondern um interpretiert, also verletzt zu werden, sei es durch die Bürger, sei es durch die Staatsmacht, die so ihren Einfluss auf die Gesellschaft behauptet. Putin demonstriert das aufs Neue. Das ist es, was Russland ... von den westlichen Demokratien trennt", so der bissige Kommentar der französischen Tageszeitung "Le Monde" (05.11.03).

Entsprechend schlecht fallen die Noten aus, die die Kommission in Brüssel ihren russischen Partnern sechs Monate nach dem Gipfel in Sankt Petersburg ausstell: Damals hatten sich die Europäer Hoffnungen gemacht, die Russen würden sich in den Schlüssel-Bereichen Wirtschaft, Freiheit, Sicherheit und Justiz ein Stück weit auf Europa zubewegen. Inzwischen sieht die Lage weniger rosig aus.

Öl und Gas für Europa

Dass die Zusammenarbeit der EU mit Russland dauerhaft zurückgefahren wird, ist unwahrscheinlich. Denn die Europäer brauchen Russland als Erdöl- und Gaslieferant. Besonders die rohstoffarmen Benelux-Staaten drängen Deutschland zum Bau einer neuen Pipeline für russisches Gas durch die Ostsee. Und Russland braucht ausländische Investoren, weil das einheimische Kapital fehlt, um die gewaltigen Rohstoffreserven Russlands zugänglich zu machen. Erst kürzlich rechnete die Internationale Energie-Agentur, eine Organisation der großen Verbraucherländer, vor, dass Russland jedes Jahr rund vier Prozent seines Bruttoinlandprodukts für Investitionen im Öl- und Gassektor benötigen würde, um seine Stellung als Energielieferant weiter auszubauen. Dieses Geld ist aber schlicht nicht vorhanden. Sondern - unter anderem - geparkt auf Nummernkonten im Ausland. (tko)