Zehntausende demonstrieren vor Amerika-Gipfel gegen Bush
4. November 2005Wenige Stunden vor Beginn des Amerika-Gipfels haben am Freitag (4.11.2005) im argentinischen Badeort Mar del Plata rund 50.000 Menschen gegen US-Präsident George W. Bush demonstriert. Auf Transparenten wandten sich Menschenrechtler, Gewerkschafter und Vertreter von Arbeitslosen-Initiativen insbesondere gegen die von Washington geplante gesamtamerikanische Freihandelszone (FTAA). Unter der Losung "Nein zu FTAA - Nein zu Bush" zogen die Demonstranten von der Innenstadt zum Stadion.
"Bush, Faschist, Sie sind der Terrorist", skandierten die Demonstranten. An der Spitze marschierte der bolivianische Oppositionsführer Evo Morales und der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel. "Viele Menschen in Lateinamerika haben eine große Wut auf den US-amerikanischen Präsidenten", sagte Esquivel. Die geplante Freihandelszone sei ein "neokoloniales Projekt".
Jubel für Maradona
Ex-Fußballstar Diego Maradona, der sich gegen Bushs Anwesenheit ausgesprochen hatte, wurde am Bahnhof mit Jubelrufen begrüßt. Maradona war am Morgen zusammen mit dem Regisseur Emir Kusturica, dem Liedermacher Manu Chao und dem bolivianischen Bauernführer Evo Morales in Mar del Plata eingetroffen. Venezuelas Präsident Hugo Chavez kündigte an, er werde dafür sorgen, dass Bushs Freihandelsinitiative "beerdigt" werde.
Neben 8000 argentinischen Sicherheitskräften waren 420 US-Sicherheitsbeamte im Einsatz. Die Demonstranten sollten einen Sicherheitsabstand von fünf Kilometern zu den Gipfelberatungen eingehalten werden. Für den Nachmittag (Ortszeit) rechneten die Sicherheitskräfte mit tätlichen Auseinandersetzungen, weil mehrere Organisationen von Arbeitslosen dazu aufriefen, zu den drei Meter hohen Absperrungszäunen vorzudringen. In den Küstengewässern kreuzten mehrere Kriegsschiffe.
Erzfeinde treffen sich
Bush war am Donnerstagabend in Mar del Plata eingetroffen. Sein Zusammentreffen mit dem linksgerichteten Staatschef von Venezuela, Hugo Chavez, wird mit Spannung erwartet. Der venezolanische Präsident hatte Bush in den vergangenen Monaten wiederholt scharf kritisiert. "Das nordamerikansiche Imperium ist die größte Gefahr für das Leben auf dem Planeten", hatte er Mitte Oktober bei einem Besuch in Rom gesagt. Zuvor hatte er angekündigt, er wolle Bush auf dem Amerika-Gipfel einen Schrecken einjagen. Dabei bezeichnete Chavez Bush als "Mister Danger" (Mister Gefahr). Der venezolanische Staatschef macht den US-Präsidenten für einen Putsch im April 2002 in Caracas verantwortlich, bei dem Chavez beinahe gestürzt worden wäre.
Werben für die FTAA
Bush will den Plan seiner Regierung für eine panamerikanische Freihandelszone (FTAA) voranbringen. Im Mittelpunkt des zweitägigen Gipfels soll nach dem Willen der Organisatoren die Reduzierung der Arbeitslosigkeit und die Bekämpfung der Armut in Nord- und Südamerika stehen. In den vergangenen Tagen konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer jedoch auf die FTAA. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zeigte sich enttäuscht von dieser Entwicklung. "Dies ist kein Gipfel über die FTAA", erklärte Jose Miguel Insulza. Aus brasilianischen Regierungskreisen verlautete, 28 der 34 Teilnehmer des Gipfels seien bereit, die Verhandlungen über eine Freihandelszone wieder aufzunehmen. Kubas kommunistischer Staats- und Parteichef Fidel Castro ist nicht dabei. Die Mitgliedschaft Kubas in der Organisation Amerikanischer Staaten ist suspendiert.
Gipfel der Völker
Bush und seine Außenministerin Condoleezza Rice kamen zunächst mit den Staatschefs von Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und der Dominikanischen Republik zu einem Vorgespräch zusammen. Die US-Delegation war im Sheraton-Hotel untergebracht, dessen 191 Zimmer sie vollzählig okkupierte.
Mit Kritik an den US-Plänen für eine Freihandelszone von Alaska bis Feuerland war am Donnerstagabend auch ein "Gipfel der Völker Amerikas" zu Ende gegangen. Auf dem Gegengipfel forderten mehrere tausend Menschen, alle Vereinbarungen zwischen amerikanischen Ländern sollten die Menschenrechte und die Souveränität der Völker respektieren. "Illegitime Auslandsschulden" sollten gestrichen werden. (stu)