Zittern um Athen
16. Juni 2012Klare Worte von Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker: am Tag vor der Parlamentswahl warnte er die Griechen nochmals eindringlich vor einem Austritt aus der Eurozone. Sollte die radikale Linke gewinnen – was nicht auszuschließen sei – seien die Folgen für die Währungsunion nicht absehbar, sagte Juncker der österreichischen Zeitung "Kurier". "Ich kann jeden nur davor warnen, sich von der Währungsunion zu verabschieden. Der innere Zusammenhalt der Eurozone wäre gefährdet."
Eine Neuverhandlung der mit den internationalen Kreditgebern vereinbarten Sparauflagen komme nicht in Frage, betonte Juncker im Magazin "Focus". "Über die Substanz des Sparprogrammes für Griechenland kann nicht verhandelt werden." Allerdings hatte Juncker am Donnerstag eine Verlängerung der Fristen für die Umsetzung des Programms in Aussicht gestellt.
Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger signalisierte in der "Welt am Sonntag" die Bereitschaft zu einem Entgegenkommen: "Die Griechen müssen ihre Zusagen einhalten. Was den Inhalt angeht, gibt es keine Flexibilität, in Hinsicht auf die Umsetzung aber schon."
Bundesregierung bleibt eisern
Dagegen ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Bereitschaft zu neuen Kompromissen erkennen. Europa könne nur funktionieren, wenn alle Mitgliedsstaaten sich an Haushaltsdisziplin hielten, sagte sie beim Landesparteitag der hessischen CDU in Darmstadt. Mit der bisherigen Praxis "Versprochen - gebrochen - nichts passiert" müsse Schluss sein. "So geht das in Europa unter keinen Umständen weiter." Ausdrücklich verlangte sie von den Griechen ein Bekenntnis zu den getroffenen Vereinbarungen. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die sich nicht an Abmachungen hielten, jeden anderen "am Nasenring durch die Manege führen".
Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler warnte Griechenland davor, das Reform- und Sparprogramm aufzugeben. Ohne Reformen könne es kein weiteres Geld geben.
Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet
Die Wahl in Griechenland am Sonntag wird mit Spannung beobachtet. Angesichts einer drohenden Staatspleite stehen die knapp 9,7 Millionen Wahlberechtigten vor einer Richtungsentscheidung. Nach letzten Umfragen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der konservativen Nea Dimokratia (ND) und dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza) ab. Während der Vorsitzende der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, die Sparauflagen der internationalen Geldgeber nur nachverhandeln will, verspricht der Syriza-Chef Alexis Tsipras den Griechen, die Vereinbarungen komplett aufzukündigen. Auch er will jedoch an der Gemeinschaftswährung festhalten.
Das neu zu wählende Parlament muss über Einsparungen in Höhe von knapp 11,5 Milliarden Euro entscheiden. Für die internationalen Geldgeber ist dies die Voraussetzung für weitere Unterstützung und den Verbleib Griechenlands im Euroland.
Die Abstimmung beginnt um 7.00 Uhr MESZ. Die Wahllokale sollen um 18.00 Uhr MESZ schließen. Mit ersten Hochrechnungen wird gegen 19.30 MESZ gerechnet.
pg/qu/kle (dpa, dapd, afp, rtr)