Zusammenstöße bei Corona-Protesten
26. September 2020Zehn Menschen seien festgenommen und vier Polizisten verletzt worden, teilte die Polizei mit. Zwei der Polizisten mussten demnach im Krankenhaus behandelt werden. Fotografien von Nachrichtenagenturen zeigen auch Demonstranten mit blutigen Verletzungen.
Auf dem Trafalgar Square im Londoner Stadtzentrum hatten sich am Samstag tausende Menschen versammelt, um unter dem Motto "Wir sind nicht einverstanden" stundenlang gegen die Corona-Politik der britischen Regierung zu demonstrieren. Einige Teilnehmer riefen "Freiheit" und führten Plakate mit der Aufschrift "COVID 1984" mit sich – eine Anspielung auf den dystopischen Roman "1984" von George Orwell. Andere Demonstranten sagten in Fernsehkameras, dass sie die Pandemie für eine Falschmeldung hielten, die von der Regierung geschaffen worden sei, um die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Zu den Teilnehmern gehörten auch Menschen, die eine Zwangsimpfung gegen das Coronavirus ablehnen.
Rangeleien und Schlagstöcke
Als die Polizei die Demonstration auflösen wollte, weil sich die Teilnehmer nicht an die Auflagen zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus hielten, kam es zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Beamten. Auf Videos ist zu sehen, dass die Polizisten dabei auch Schlagstöcke einsetzten.
Bereits am vergangenen Wochenende hatte es in London eine ähnliche Kundgebung gegeben. Dabei waren 32 Menschen festgenommen worden, weil sie unter anderem Mitarbeiter von Notfalldiensten angegriffen haben sollen. Zwei Beamte wurden leicht verletzt.
Großbritannien ist mit fast 42.000 Toten das am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land Europas. Trotz wieder stark steigender Infektionszahlen will die Regierung einen zweiten landesweiten Lockdown möglichst vermeiden. Die Reproduktionsrate - die Zahl der Menschen, die ein Infizierter ansteckt - steigt aber und lag am Freitag landesweit zwischen 1,2 und 1,5. Die Regierung setzt auf regionale Maßnahmen wie etwa in England, wo seit Donnerstag alle Restaurants und Pubs um 22.00 Uhr schließen müssen.
London vor "Kipppunkt"
Die britische Hauptstadt London wurde am Freitag von der Regierung auf die Liste der unter strenger Beobachtung stehenden Gebiete gesetzt. Bürgermeister Sadiq Khan warnte, die Stadt stehe an einem "sehr beunruhigenden Kipppunkt". Der Mangel an Testkapazitäten sei "völlig inakzeptabel", kritisierte er.
Für große Teile von Nord- und Mittelengland gelten bereits strengere Corona-Maßnahmen als im Rest des Landes. Behördenvertreter in Leeds sagten am Freitag, neue Regeln seien sehr wahrscheinlich, darunter auch ein Verbot von Treffen von Mitgliedern unterschiedlicher Haushalte in Privatwohnungen.
Johnson will globale Kooperation
Der britische Premierminister Boris Johnson forderte derweil die Mitgliedstaaten der Vereinten Naitonen zum Zusammenhalt im Kampf gegen künftige Pandemien auf. "Wenn wir uns nicht vereinen und unser Feuer gegen unseren gemeinsamen Feind richten, wissen wir, dass alle verlieren werden", sagte er Premier in einer Videobotschaft für die Generaldebatte der UN-Vollversammlung. Dazu gehöre auch, Ursprung und Ausbreitung des neuartigen Coronavirus genau zu untersuchen.
Die Pandemie habe die Menschheit zwar "geeint wie nie zuvor", sagte Johnson. Aber das Virus habe auch eine "außergewöhnliche Kraft der Spaltung" hervorgebracht, etwa als die Länder miteinander um medizinische Güter rangen. Nach neun Monaten des Kampfes gegen die Pandemie stehe die internationale Gemeinschaft "zerfleddert" dar.
Er kündigte an, die britische G7-Präsidentschaft im kommenden Jahr zu nutzen, um "die Welt nach COVID wieder zusammenzubringen". Seinen UN-Kollegen unterbreitete Johnson dafür einen Fünf-Punkte-Plan, der zusammen mit der Bill and Melinda Gates Foundation und dem britischen Wellcome Trust entwickelt wurde. Demnach soll etwa ein weltweites Netzwerk entstehen, um Krankheitserreger zu identifizieren, bevor sie vom Tier auf den Menschen überspringen.
Appelle aus Nordirland und Irland
Unterdessen appellierten die Chefs der Gesundheitsbehörden der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland an die Menschen, Grenzüberquerungen möglichst zu vermeiden. Der Nordire Michael McBride und sein irischer Kollege Ronan Glynn appellierten zudem an die Arbeitgeber auf beiden Seiten der Grenze, ihren Mitarbeitern die Arbeit von zu Hause aus zu ermöglichen. Für die Menschen in den Grenzgebieten seien dies "keine willkommenen Neuigkeiten, aber wir müssen eine weitere Ausbreitung dieses Virus verhindern und wir können das nur tun, indem wir zusammenarbeiten, um uns gegenseitig zu schützen". Irland verzeichnete in den vergangenen Wochen einen gleichmäßigen Anstieg der Corona-Neuinfektionen mit 324 neuen Fällen am Donnerstag. Nordirland registrierte hingegen eine der steilsten Kurven bei den Neuinfektionen in Großbritannien.
kle/qu (afp, dpae, ape, rtre)